Plädoyer für eine neue Debattenkultur?Problematische Anleihen

Erst gegen Ende kommt Bernd Stegemann auf die Religion als „öffentliche komplexitätstaugliche Umgangsform“ zu sprechen, die Erfahrung damit hat, „das Unverständliche zu akzeptieren“, die sich Fragen zumutet, „auf die man keine Antwort hat“. Allerdings bleibt unklar, ob er in der Religion tatsächlich die Rettung aus der – beispielhaft ausgewählten – ökologischen Krise sieht. Die wenigsten werden sich die christliche Erlösung und die Rettung aus der Klimakrise „sinnlich“ vorstellen können. Aber zu formulieren, die Ökologie entziehe sich „unserem rationalen Denken“, bestreitet die Wissenschaftlichkeit dieser Disziplin. Und auch für die Theologie möchte man Einspruch erheben, auch sie beansprucht ein rational verantwortetes Reden von der Transzendenz und ist anschlussfähig, wo sie – gemeinsam mit Philosophie und Humanwissenschaften – die Grenze beschreibt, die die Voraussetzung der Transzendenz ist.

Dieser Gedanke führt zu dem zweiten Begriff, den Stegemann sich aus der Theologie entleiht: „Es gibt in der Spätmoderne wohl kein menschliches Gefühl oder Verhalten, das weniger verlockend klingt und so abschreckend erfolglos wie Demut.“ Demut ist hier – zu Recht – säkularisiert verwendet, allerdings unnötig pessimistisch. Eine Haltung der Demut ist sowohl für den wissenschaftlichen als auch für den politischen und gesellschaftlichen Diskurs dringend geboten als Einsicht in die eigene Begrenztheit und damit als erster Schritt zur Transzendenz: Wer die Grenzen seines eigenen Denkens anerkennt, geht den ersten Schritt, sie zu überschreiten. Diese Haltung ist grundsätzlich optimistisch und man würde sie Stegemann wünschen, der sein Buch allerdings eher eschatologisch-apokalyptisch schließt mit der Aussicht, „dass sich kein Gott finden wird, um uns zu retten“. Aus einer wirklich demütigen Haltung folgte dagegen: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch den Müll trennen“.

Das Buch gibt vor, die „Ursachen der zerstrittenen Öffentlichkeit aufzuzeigen“, so der Klappentext. Lösungsansätze bietet das Buch jedoch keine, schon gar nicht im – leicht verzweifelten – Rückgriff auf die Theologie. Stefan Förner

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Bernd Stegemann

Die Öffentlichkeit und ihre Feinde

Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2021. 304 S. 22,00 € (D)

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