Wer in den frühen Achtzigerjahren Sitzungen des ÖRK-Zentralausschusses mitverfolgt hat, konnte Willem Adolf Visser 't Hooft (1900–1985) noch leibhaftig sehen: einen schmalen, distinguierten älteren Herrn im dunklen Anzug, den längst schon legendären ersten Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen. Es ist höchste Zeit, dass jetzt eine sachkundige Biographie vorliegt. Denn sein Charisma und sein unermüdlicher Einsatz haben nicht nur die Entstehung und die ersten Jahrzehnte der Institution ÖRK maßgeblich geprägt; er war auch eine der großen Gestalten der Ökumenischen Bewegung insgesamt.
Zeilstra zeichnet den spannenden und facettenreichen Lebensweg des ökumenischen Pioniers sorgfältig und mit abgewogenem Urteil nach. (Leider ist die deutsche Übersetzung stellenweise unzulänglich.) Der Sohn einer „patrizischen“ Oberschichtsfamilie aus Haarlem war nach dem Studium von Jura und Theologie in der christlichen Jugend- und Studentenbewegung über sein Heimatland hinaus in führenden Funktionen tätig und wurde 1938 Generalsekretär des zunächst provisorischen ÖRK. Während des Zweiten Weltkriegs spielte er eine wichtige Rolle als internationaler Kirchendiplomat, 1948 wurde er dann bei der Gründungsvollversammlung des ÖRK in Amsterdam zum Generalsekretär gewählt und übte dieses Amt bis 1966 aus.
Er engagierte sich nicht zuletzt für die Integration der Orthodoxen Kirchen in den Ökumenischen Rat, wobei er nach Auffassung von Zeilstra im Blick auf die Russische Orthodoxie zu viele Kompromisse machte, und hätte sehr gern die katholische Kirche als ÖRK-Mitglied gesehen. Trotz guter Kontakte zu den Kardinälen Bea und Willebrands konnte dieser Wunsch aber nicht in Erfüllung gehen. Visser ´t Hooft war nicht glücklich über die Entwicklung der Ökumene nach der ÖRK-Vollversammlung 1968 in Uppsala, blieb kritisch gegenüber Tendenzen zum „Horizontalismus“ und „Synkretismus“. Hier machte sich auch seine theologische Prägung durch Karl Barth bemerkbar. Seine vertrauten Bausteine, so Zeilstra, seien zusammengebrochen, als die Kirchen mit der zunehmenden Säkularisierung konfrontiert worden seien. In vieler Hinsicht steht Visser ´t Hooft so für ein Setting, das es so nicht mehr gibt. Seine überragende Bedeutung für die Ökumene wird dadurch in keiner Weise geschmälert. Ulrich Ruh