Am 3. März dieses Jahres wurde „1700 Jahre Freier Sonntag“ begangen – haben Sie es bemerkt? Ich nur durch einen Zufall – und so wird es vermutlich vielen gegangen sein und das nicht nur deshalb, weil die Veranstaltung wie so vieles derzeit rein digital stattfand. Der Hauptgrund liegt meines Erachtens darin, dass nur wenige Verbündete für das Vorhaben, die Bedeutung des freien Sonntags zu unterstreichen, gesucht wurden.
Zugegeben, mir stieß schon der Zeitpunkt der Initiative für den freien Sonntag unangenehm auf. Zwei Wochen vorher, am 21. Februar, wurde das Jahr „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ feierlich mit einem virtuellen Festakt eröffnet. Ausgangspunkt dieses Gedenkjahres ist ebenfalls ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin wie das zum freien Sonntag. War es wirklich nötig und im Sinne des christlich-jüdischen Dialogs taktvoll, zwei Wochen nach der Eröffnung des Jahres „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ ebenfalls bezugnehmend auf ein konstantinisches Dokument, an den freien Sonntag zu erinnern? Ich meine, nein.
Ganz abgesehen vom Zeitpunkt hätten sich neben den Gewerkschaften und der Kulturstaatsministerin sicherlich noch mehr bekannte Persönlichkeiten gerade auch aus dem Kunst- und Kulturleben gefunden, die die Initiative zum freien Sonntag unterstützen. Der freie Sonntag ist eine kulturelle Errungenschaft, die Woche wird eingeteilt, die Erwerbsarbeit domestiziert, Freiräume für Kultur und kultische Handlungen wurden eröffnet.
Der Kulturbereich und die Kirchen sind eng verbunden. Das gilt nicht nur mit Blick auf die Geschichte, in der Kunst, sei es Bildende Kunst oder Musik, ein wichtiger Teil der Verkündigung waren. Das trifft gleichermaßen auf die Gegenwart zu. Was gibt es Größeres für Bildende Künstlerinnen und Bildende Künstler als ein Kirchenfenster zu gestalten und damit ein Werk für die Ewigkeit zu schaffen. Das Komponieren einer Messe oder von Liedern zu Evangelischen Kirchentagen oder Katholikentagen ist für Musikerinnen und Musiker wichtig, sichert es neben dem Einkommen auch künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten.
Nach wie vor ist die Auseinandersetzung mit der Kirche, die Reibung an der Kirche oder am christlichen Glauben ein zentrales Motiv und Handlungsmovens in Literatur, Bildender Kunst, Musik oder auch Theater. Dieses Thema ist auch in der weitgehend säkularisierten Welt von brennender Aktualität.
Die Kirchen haben darüber hinaus als Veranstaltungsorte für Kunst und Kultur während der Corona-Pandemie noch einmal an Bedeutung gewonnen. Gottesdienste waren und sind vielfach auch dann möglich, als die Kultureinrichtungen schließen mussten.
Umso wichtiger waren die Vorstöße, Künstlerinnen und Künstler während der Gottesdienste Auftrittsmöglichkeiten zu bieten. Das ist ein echter Akt von Solidarität gegenüber Menschen, die inzwischen mehr als ein Jahr lang kaum Möglichkeiten haben, aufzutreten und deren Verdienstmöglichkeiten darum sehr stark eingeschränkt sind. Neben dem ökonomischen Aspekt ist dabei nicht zu vernachlässigen, dass Künstlerinnen und Künstler das Publikum als Resonanz für ihre Arbeit brauchen. Die Kirchen bieten diesen Raum.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Kultur und Kirche nicht nur aufeinander bezogen sind, sondern einander auch viel zu sagen haben. Eine intensive Zusammenarbeit tut beiden gut. Aber sind wir ehrlich, eigentlich ist noch viel mehr Kooperation zwischen den Kirchen und dem Kulturbereich möglich. Doch wir erleben die Kirchen oft als closed shop. Der Kulturbereich wird nicht mitgedacht, die Veranstaltungen zu 1700 Jahre freier Sonntag ist nur ein Beispiel, leider von vielen.
Willy Brandt hat schon vor Jahrzehnten mit guten Gründen festgestellt: „Es wird in Zukunft keine politischen Lösungen von Wichtigkeiten mehr geben außerhalb von Bündnissen, Sicherheitssystemen und Gemeinschaften.“ Das gilt für die internationale Politik genauso wie für das Verhältnis der Kirchen mit der Gesellschaft. Ich wünsche mir mehr Bündnisfähigkeit der Kirchen.