Der Gordische Knoten scheint zwar nicht durchschlagen, aber doch gelockert zu sein. Bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags äußerten sich sämtliche eingeladenen Experten positiv zu einem Gesetzesentwurf von FDP, Grünen und Linken zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Auch Abgeordnete des Regierungslagers, etwa der CDU-Politiker Philipp Amthor und der SPD-Kirchenpolitiker Lars Castellucci, signalisierten vorsichtige Unterstützung – Amthor sprach von einem „passablen“, Castellucci von einem „guten“ Entwurf.
Der unter Beteiligung des mittlerweile aus dem Bundestag ausgeschiedenen FDP-Politikers Stefan Ruppert entstandene Gesetzesentwurf sieht die Schaffung eines bundeseinheitlichen „Grundsätzegesetzes“ zur Ablösung der Staatsleistungen vor, auf dessen Basis dann die Länder innerhalb einer bestimmten Frist mit den Landeskirchen und Diözesen Ablöseverhandlungen führen sollten. Der Entwurf geht davon aus, dass die maximale Höhe der Ablösung das 18,6-Fache der jährlichen Zahlungen umfassen sollte. Die genaue Höhe sollten die Länder innerhalb von fünf Jahren mit den Kirchen klären. Anschließend sollten die Ablösezahlungen als Ratenzahlung zusätzlich zu den regulären Staatsleistungen durchgeführt werden, und nach spätestens 20 Jahren beendet sein. In einer Stellungnahme hatten die Kirchen allerdings die vom Gesetz festgelegte, genaue Höhe der Ablösezahlungen kritisiert. Sie verwiesen darauf, dass bisherige Ablösungen in den Ländern unterschiedlich ausfielen.
Der Göttinger Staatskirchenrechtler Hans-Michael Heinig nannte den Gesetzesentwurf „in der Summe im Korridor des Zulässigen“. Ebenso wie alle übrigen geladenen Experten verwies er darauf, dass das Grundgesetz und die Weimarer Reichsverfassung eine Ablösung der Staatsleistungen vorsehen. Der Münchner Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht, Stefan Korioth, betonte die Ablösung sei seit 100 Jahren Ziel des geltenden staatskirchenrechtlichen Regiments. Es könne nicht Ziel der Kirchen sein, etwa für die Besoldung ihrer Amtsträger dauerhaft Geld aus öffentlichen Kassen zu erhalten. „Jedes weitere Hinauszögern vergrößert aber im Saldo die Last der Länder“, sagte Korioth.
Ansgar Hense, Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, sieht in der Regelung keine „religionsfeindliche Maßnahme“. Er forderte aber, den Umfang der abzulösenden Leistungen genauer zu definieren. Zudem sprach er sich für eine größere Flexibilität beim Ablösezeitraum aus, um der Leistungsfähigkeit der Bundesländer gerecht zu werden. Der Berliner Beauftragte der EKD, Prälat Martin Dutzmann, sieht in dem Entwurf „eine hilfreiche Grundlage für weitere notwendige Erörterungen“. Zu solchen Gesprächen sollten Vertreter der Bundesländer und der Kirchen hinzugezogen werden. „Ihre Einbeziehung stellt sicher, dass bestehende staatskirchenrechtliche Vereinbarungen und regionale Unterschiede bei der Erstellung des Grundsätzegesetzes Berücksichtigung finden“, sagte Dutzmann. „Dies gilt auch für die wirtschaftlichen Herausforderungen, die sich aktuell für die Bundesländer und die Kirchen aus der Corona-Pandemie ergeben.“ Benjamin Lassiwe