Die Pandemie hat eine Entwicklung beschleunigt, die sich seit längerer Zeit abzeichnet und voraussichtlich die Zukunft stark bestimmen wird: die Entstehung digitaler Welten, die neue Dimensionen der Realität kreieren. Auf weiten Feldern der Arbeits- und der Bildungswelt ist Digitalität Standard; die sozialen Beziehungen sind immer stärker von ihr bestimmt. Die religiöse und kirchliche Welt ist nicht ausgenommen.
Digitalität erweitert die materielle Realität durch Repräsentation in binären Codes und Dynamiken künstlicher Intelligenz. Die christliche Theologie gleich welcher Konfession ist von ihren biblischen Quellen und philosophischen Traditionen her gut aufgestellt, um zu verstehen, dass Virtualität nicht als Gegensatz, sondern als Moment der Wirklichkeit zu begreifen ist. Desto wichtiger sind genaue Unterscheidungen und präzise definierte Verbindungen.
Das Erste Gebot markiert – wie auf andere Weise die philosophische Theologie – den qualitativen Unterschied zwischen jener Transzendenz, die das Verhältnis Gottes mit seiner Kreatur bestimmt, und jenen Transformationen, die im Zeichen von Enhancement und Transhumanismus, von Kryonik und Cyborgs, von Mind-Uploading und selbststeuernden Computern die Zeiträume der vernetzten Immanenz erweitern sollen. Ewigkeit ist ein Attribut Gottes; die „Verwandlung“, von der Paulus im Blick auf die Vollendung spricht, hat die Dimensionen einer neuen Schöpfung, die bereits begonnen hat.
Allerdings ist es unterkomplex, die Heilsverkündigung und Heilsvermittlung, die religiöse Weltdeutung und den hoffnungsvollen Gottesglauben nur als Alternative zu den Dynamiken der digitalen Weltrevolution geltend machen zu wollen. Wenn es keine Vermittlungsmöglichkeit gäbe, wäre der Raum des möglichen Wirkens Gottes unzulässig eingeschränkt.
Das Sakrament ist ein Ernstfall. Denn nach klassischer Lehre verbinden sich ein sichtbares Zeichen und eine unsichtbare Wirkung; dies geschieht durch Gott in einer Feier der Kirche, die Gott die Ehre gibt, um Menschen Gottes Gnade zu vermitteln. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Eucharistie. Die Frage ist für alle Konfessionen wesentlich. Die Diskussionen gehen aber auseinander. Auf evangelischer Seite ist das Hausabendmahl teils propagiert, teils kritisiert worden; gefragt wird, ob das Sakrament des Abendmahls digital „eingesetzt“ werden könne. Die katholische Seite fragt sich, ob digitale Transsubstantiation denkbar oder undenkbar ist. Wie lässt sich die Feier des Wortes Gottes, wie das Priestertum, wie die Kommunion nicht nur in der analogen, sondern auch in der digitalen Welt denken?
Gottesdienstgemeinschaft 2.0
Die Heilswirkung, die Sakramenten zugesprochen wird, ist in der westlichen Tradition meist individualistisch verstanden worden. Tatsächlich ist die personale Dimension grundlegend, weil im Evangelium jede einzelne Person angesprochen ist, unvertretbar als sie selbst zu antworten, freilich nicht einsam, sondern mit Gott und dem Nächsten verbunden. Die Taufe ist allerdings nach Paulus Inkorporation in den Leib Christi (1 Kor 12,13), die Eucharistie Gemeinschaft mit Leib und Blut Christi (1 Kor 10,16f.). Deshalb ist die ekklesiale Dimension der sakramentalen Feier essentiell: Sie erschließt den Ort, wo sie stattfindet, und die Form, in der sie zelebriert wird; sie erschließt auch diejenigen, die sie feiern, sowohl im Blick auf den Vorsitz als auch auf die actuosa participatio aller Mitfeiernden.
Der paulinische Begriff der Koinonia hat die Kapazität und Pointe, Grenzen zu überwinden, die durch Herkunft, Status und Geschlecht gesetzt scheinen, von Gott aber in Christus kraft des Heiligen Geistes überwunden werden (Gal 3,26ff.). In der kirchlichen Gemeinschaft vereinen sich Gläubige, die im gemeinsamen Glauben an unterschiedlichen Orten taufen und getauft werden, beten und Eucharistie feiern. In der Paulusschule wird diese Einheit – ohne Reduktion ihrer Komplexität und Pluralität – durch den Glauben an Gott, die Feier der Taufe und die Gemeinschaft der Kirche vergegenwärtigt (Eph 4,4ff.). Aus den prophetischen und apokalyptischen Traditionen Israels speist sich der frühchristliche Glaube, dass der Gottesdienst auf Erden mit den Engeln und Heiligen im Himmel gefeiert wird, wie vor allem in der Johannesoffenbarung deutlich wird – durchaus mit politischen Ambitionen, um nämlich die Öffentlichkeit des Gottesdienstes als Freiheitsrecht des Glaubens einzuklagen.
An digitale Welten konnte die Bibel noch nicht denken. Sie hatte weder von der Größe noch vom Alter des Kosmos eine Vorstellung, die der heutigen entspricht. Aber es leuchtet nicht ein, weshalb die Verbindungen zwischen Zeiten und Orten, zwischen Himmel und Erde, die der Glaube wahrnimmt, weil sie von Gott hergestellt werden, nicht auch die neuen Grenzen und Grenzübertritte der digitalen und der analogen Welt erfassen können. Freilich gibt es Unterschiede, die klar beschrieben werden müssen. Sie sind anthropologisch begründet. Menschen sind, biblisch betrachtet, Wesen aus Fleisch und Blut, die in der Einheit von Leib, Geist und Seele (vgl. 1 Thess 5,23) ihr Leben führen und Gottesdienst feiern. Digitale Kommunikation kann alle Dimensionen erreichen – aber nur technisch vermittelt, nicht so, dass Menschen mit allen Sinnen, mit dem ganzen Körper, in der analogen Einheit von Raum und Zeit den Glauben teilen und die Geheimnisse feiern.
Auch die digitalen Gottesdienste setzen voraus, dass echte Menschen vor ihren Geräten sitzen, mit ihrem Glauben, ihrer Liebe und ihrer Hoffnung, die sich im Internet mit anderen echten Menschen verbinden – und dies nicht nur wissen, sondern auch erwarten. Dass Roboter wie Menschen in eine Feier einbezogen werden oder gar ihr vorstehen und dass Bots Beiträge produzieren, wäre die digitale Variante jener Magien, von deren Attraktivität die Religionsgeschichte ein beredtes Zeugnis ablegt, vor deren Faszination aber die prophetische Kult- und Götzenkritik warnt, weil die Personalität Gottes wie der Menschen Schaden nimmt (vgl. Gal 4,8–20).
Wenn aber die Klärung gelingt, dass Gottesdienste – nicht nur sakramentale – von Menschen für Menschen und für das Heil der ganzen Welt gefeiert werden, zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen der analogen und der digitalen Welt auch in der Liturgie weder eine scharfe Trennung noch gar eine Entgegensetzung sein sollte. Vielmehr kommt es in einer digitalen Welt darauf an, die analogen Gottesdienste zu vernetzen, und in einer analogen, die digitalen Gottesdienste zu ermöglichen. Hier erstreckt sich eines der größten und fruchtbarsten Felder pastoraler Arbeit der Zukunft.
Vor Jahrzehnten sind heiße Debatten über Radio- und Fernsehgottesdienste geführt worden, die ähnliche Fragen der Gemeinschaftsbildung aufgeworfen haben wie jene, die sich jetzt verschärft in der digitalen Welt stellen. In der katholischen Kirche hat, bezogen auf die Eucharistie, die Erfüllung der Sonntagspflicht eine große Bedeutung, mit dem erwartbaren Ergebnis, dass im Regelfall der leibhaftige Besuch vorzuziehen, im Notfall jedoch die Teilnahme an Gottesdienst-übertragungen zwar nicht verpflichtend, aber aus pastoralen Gründen empfehlenswert sei. Warum sollten live gestreamte Liturgien anders zu beurteilen sein? Digitale Technik kommt ja auch in analogen Gottesdiensten zum Einsatz, zum Beispiel in Lautsprechern oder der Beleuchtung.
Freilich stellen sich bei Aufzeichnungen und zeitversetzten Sendungen, bei Podcasts, Plattformen und Mediatheken gravierende Fragen, die neu diskutiert werden müssen. Grundsätzlich gibt es angesichts der Weite des urchristlichen Koinonia-Begriffs keine triftigen Bedenken, die Kommunikation des Glaubens nicht auch in diesen Sphären möglich und wirksam zu sehen, wird doch die Liturgie immer „heute“ gefeiert, und die Eucharistie immer am „Tag des Herrn“, also Ostern, unabhängig von der Jahreszeit. Desto wichtiger sind Unterscheidungen zwischen verschiedenen Kommunikationsformen.
2002 hat der Päpstliche Rat für die Kommunikationsmittel eine Studie über „Ethik im Internet“ veröffentlicht. Es herrschte großer Optimismus, dass sich das Internet für die Evangelisierung bestens eigne – zumal in einer Weltkirche wichtig, die sehr viele arme, aber auch sehr viele junge Menschen, digital natives, zu ihren Mitgliedern zählt. Allerdings sind die Aussagen zu den Sakramenten kurz und bündig: „Es gibt keine Sakramente im Internet“; auch wenn eine religiöse Erfahrung vermittelt werden könne, sei sie „ungenügend“, weil „die Beziehung zu anderen Gläubigen in der wirklichen Welt“ fehle (II 9, 30f.).
Über die Tragfähigkeit der Begründung wird man streiten können, weil digital nicht irreal ist. Aber obgleich eine Gemeinde, die Gottesdienst feiert, auch hybrid und digital gedacht werden kann (ähnlich wie bei einem Radio- oder Fernsehgottesdienst), ist noch nicht präjudiziert, dass dies auch undifferenziert für Sakramente gilt. Denn für sie ist kennzeichnend, dass nicht nur das Wort verkündet wird, das leicht die Grenzen von Gebäuden durchdringen und unterschiedliche Sphären verbinden kann, sondern dass auch Elemente eine entscheidende Rolle spielen, die zwar abgebildet und als Bilder verbreitet werden können, aber ihre elementare Form nur vor Ort ausfüllen. Getauft wird mit Wasser, Eucharistie wird mit Brot und Wein gefeiert. Diese Elementarisierung hat ihren genauen Sinn: im theozentrischen Zusammenhang von Schöpfung und Erlösung.
Die Zeichensprache der Sakramente gewinnt den natürlichen Elementen eine heilsvermittelnde Kraft ab. In der Feier der Osternacht stellt das Gebet bei der Taufwasserweihe den Zusammenhang zwischen dem Wasser in der Schöpfung und der Sintflut, im Roten Meer und im Jordan mit dem Wasser der Taufe dar, das „die Gnade des eingeborenen Sohnes vom Heiligen Geist“ empfange. Bei der Gabenbereitung in der römisch-katholischen und ganz ähnlich auch in der alt-katholischen Eucharistiefeier betet der Vorsteher: „Gepriesen bist du, Herr unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde. (…) Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit. Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde.“
Für die Taufe ist entscheidend, dass sie nicht nur mit der trinitarischen Formel, sondern auch mit Wasser gespendet wird. Der Täufling und der Täufer müssen körperlich anwesend sein: echte Menschen zur selben Zeit am selben Ort; nur so kann das Wasser fließen, unabhängig davon, ob übergegossen oder eingetaucht wird. Eine Taufe kann medial, auch digital, übertragen werden, so dass mehrere Menschen virtuell teilhaben können. Nicht nur Bekannte und Verwandte, auch Eltern und Paten können digital dazugeschaltet werden. Die mediale Übertragung kann aber nicht die Taufe selbst ersetzen.
Für die Eucharistie ist nach katholischem Verständnis wesentlich, dass ihr ein geweihter Priester oder Bischof vorsteht. Nur ein Mensch kann den Dienst leisten, weil nur ein Mensch den Menschen Jesus Christus repräsentieren kann; nur ein Geweihter kann vorstehen, weil die Ordination sakramental begründet, dass Jesus Christus in der Eucharistie als Haupt der Kirche repräsentiert wird: Er selbst steht der Feier vor; er vergegenwärtigt sich; er schenkt die Gemeinschaft mit sich. Die Eucharistiefeier ist keineswegs an einen Altar in einer Kirche gebunden, sondern kann ebenso gut mitten in der Natur gefeiert werden, auf freiem Feld, auf Bergen und am Strand. Sie kann mit zehn- und hunderttausenden von Menschen gefeiert werden: Es bleibt ein Brot und ein Wein: Brot und Wein Jesu selbst, wie Paulus es auf den Punkt formuliert hat (1 Kor 10,17; vgl. 11,26).
In Zeiten der Pandemie sind die eucharistischen Feiern begrenzt worden: Sie sind seltener und mit weniger Gläubigen vor Ort gefeiert worden. Sie sind aber in der katholischen Kirche nie eingestellt worden. Zum einen wird durch die katholische Praxis, üblicherweise sub una zu kommunizieren, erleichtert, dass an Sonn- und Werktagen eine Eucharistiefeier unter Beachtung von Hygieneregeln rite et recte gefeiert wird. Auch wenn diese Praxis ökumenisch-theologisch nicht unproblematisch ist, wäre sie womöglich für eine pandemische Notsituation auch in evangelischen Gemeinden zu bedenken. Dass die Corona-Pandemie auch in katholischen Gemeinden zu einem starken Rückgang der Gottesdienstbesuche geführt hat, steht auf einem eigenen Blatt. Zum anderen werden in der katholischen Kirche Eucharistiefeiern – inzwischen – regelmäßig gestreamt, nicht nur in Kathedralkirchen, sondern auch in vielen Stadtteilen und Dörfern, damit der Bezug zur lokalen Gemeinde nicht verlorengeht, sondern auf neue Weise gestärkt wird.
Diese Übertragungen sind insofern ambivalent, als sie – teils den Hygiene-Auflagen, teils der Kameraführung und der Konzentration auf den Bildschirm, teils aber auch Restbeständen klerikalistischer Ekklesiologie geschuldet – in einer Weise die Person des Priesters ins Zentrum rücken, die vielen hoch problematisch erscheint. Allerdings sind diese Liturgien nicht mit den Privatmessen gleichzusetzen, die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil Kleriker pflichtmäßig zelebriert haben, weil die gestreamten Liturgien Gemeindegottesdienste sind, freilich digital verbunden.
Deshalb fragt es sich, welche Formen und Grade an eucharistischer Gemeinschaft in digitalen – und allen medial übertragenen – Gottesdiensten möglich sind. Fraglos ist selbst dann, wenn nicht laut mitgebetet und -gesungen werden kann, doch eine Gemeinschaft im Hören und Bekennen möglich, auch in der Diakonie, die zur Liturgie gehört. Sie ist real, selbst wenn sie virtuell ist. Sie ist geistlich, auch wenn sie medial vermittelt ist. Sie feiert die Gegenwart Jesu Christi, der nicht nur am johanneischen Ostertag Mauern und Türen durchschreitet, sondern auch heute in der analogen wie in der digitalen Welt präsent ist.
Eucharistische Partizipation
Die Kommunion selbst braucht freilich eine gesonderte Betrachtung. Die katholische Theologie kann differenzieren. Zum einen kennt sie die „Geistliche Kommunion“. Sie ist ein Mitfeiern und Mitbeten mit denen, die leibhaftig kommunizieren, ohne eigenen Empfang des Leibes und des Blutes Christi. Die „Geistliche Kommunion“ ist von eucharistischer Anbetung zu unterscheiden, weil sie sich in einer Eucharistiefeier ereignet. Empfohlen wird die „Geistliche Kommunion“, wenn die Disposition zur vollen Teilhabe fehlt; auch in ökumenischen Beziehungen kann sie die richtige Form der Partizipation sein, wie die „Orientierungshilfe der deutschen Bischöfe für konfessionsverbindende Ehepaare“ festhält, denen freilich auch der volle Kommunionempfang eröffnet wird, wenn sie den eucharistischen Glauben teilen. Der theologische Status der „Geistlichen Kommunion“ steht allerdings nicht fest; sie bleibt eine pastorale Option. Als solche kann sie auch dann wahrgenommen werden, wenn Gläubige nur digital, nicht aber auch vor Ort mitfeiern können. Mit der „Geistlichen Kommunion“ kann ein eucharistisches Fasten verbunden sein – das aber nur dann Sinn macht, wenn es zeitlich befristet ist und der Vorbereitung auf das eucharistische Festessen dient.
Zum anderen gibt es zahlreiche pastorale Konstellationen, in denen sakramental kommuniziert werden kann, ohne dass es eine auch somatische Zugehörigkeit zu der Gemeinde gibt, die Eucharistie feiert. Regelmäßig gibt es die Krankenkommunion, die nach der Feier durch Menschen, die zu diesem Dienst bestellt werden, denen gereicht wird, die an der Messe nicht teilnehmen konnten, unabhängig davon, ob sie medial dabei gewesen sind oder nicht. In Krankenhäusern und Altenheimen ist es üblich, dass die Eucharistiefeier in einer Kapelle stattfindet und in die Krankenzimmer übertragen wird, wohin dann die Kommunion denen im Anschluss gebracht wird, die sie empfangen möchten. In der DDR gab es Diakonatshelfer, deren Sendung darin bestand, die Eucharistie aus einer zentralen Kirche in Filialkirchen zu bringen, wo sie im Rahmen einer Wort-Gottes-Feier gespendet wurde. Bei Großveranstaltungen kann eine Eucharistiefeier in mehrere Kirchengebäude übertragen werden, wohin auch die Kommunion vom Hauptaltar aus gebracht wird. In all diesen Fällen wird die Einheit von Zeit und Ort der Eucharistie gewahrt, aber, der Not gehorchend, ausgeweitet. Es bleibt bei der menschlichen Vermittlung und beim Zusammenhang von Wort und Zeichen, Element und Wirkung. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum analog nicht auch bei digitalen Übertragungen vorgegangen werden könnte.
Die theologische Basis dieser vielfach geübten Praxis bildet der katholische Glaube, dass die Kirche stellvertretend für andere Eucharistie feiert, dass die eucharistische Realpräsenz nicht nur aktual, sondern personal und ekklesial zu verstehen ist und dass Brot und Wein in der Eucharistiefeier so verwandelt werden, dass Jesus Christus sich mit ihnen heilstiftend vergegenwärtig, auch über die einzelne Feier hinaus – nicht, damit sein eucharistischer Leib aufgespart, sondern damit er ausgeteilt werde.
Freilich setzen all diese Praktiken einen Empfang voraus, in dem Menschen mit Menschen nicht nur digital, sondern auch leiblich kommunizieren; sie setzen voraus, dass die eucharistischen Elemente aus einer analogen Feier bewahrt werden, um zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort gereicht und empfangen zu werden. Aus katholischer Sicht ist es sehr gut, wenn – zumal unter Quarantäne-Bedingungen – Hausgottesdienste gefeiert werden; es spricht auch nichts dagegen, eine Agape-Feier digital abzuhalten. Aber wenn eine Hausgemeinschaft sich entscheiden sollte, ohne Priester Eucharistie feiern zu wollen, würde auch dann keine stattfinden, wenn alle Riten exakt eingehalten würden.
Diskutiert wird allenfalls eine Praxis, in der Brot und Wein vor dem Medium – dem Fernseher, dem PC, dem Laptop oder Smartphone – zu Hause bereitgestellt sind, auf dass sie während der Gottesdienstübertragung verwandelt würden, so dass sie als Leib und Blut Christi empfangen werden könnten. Es wäre dann durchaus der Bezug zu einer realen Eucharistiefeier gegeben, der ein Priester oder Bischof vorsteht. Es bräuchte auch an der rechten Disposition und Intention nicht zu fehlen. Aber es würde der liturgische Zusammenhang von Gabenbereitung, Wandlung und Austeilung auseinandergerissen, der an den Elementen hängt. Denn das eigene Brot könnte nur spirituell dargebracht worden sein, die Wandlung würde sich nur digital vollziehen; die Austeilung könnte nur individuell geschehen. Das sakramentale Zeichen würde gespalten. Digitale Transsubstantiation ist reine Spekulation.
Die digitale Welt kann die analoge nicht ersetzen, aber erweitern. Dass Gott nur analog, nicht auch digital wirken könne, wäre ein wenig überzeugender Grundsatz. Dass aber Sakramente wirksame Heilszeichen für schwache Menschenkinder aus Fleisch und Blut sind, fordert, die digitalen nicht ohne die analogen Welten zu denken. Gottesdienste und Sakramente, vor allem die Eucharistie, stellen den Menschen, wie er leibt und lebt, ins Zentrum. Was an den Sakramenten sichtbar ist, spricht alle Sinne an, nicht nur die Augen, die Videos erreichen können, und nicht nur die Töne, die Audios aufbewahren können. Was an den Sakramenten unsichtbar ist, transzendiert jede analoge und digitale Ästhetik; es kommt, biblisch gesehen, im Herzen der Menschen zur Wirkung und bestimmt hoffentlich ihr Denken, Fühlen, Beten und Handeln – in den analogen wie in den digitalen Welten.