Es ist ein europaweit einmaliges Projekt: An der Universität Potsdam, genauer gesagt: im ehemaligen Hofgärtnerhaus des Schlossparks von Sanssouci, eröffnete Mitte August das „Europäische Zentrum Jüdischer Gelehrsamkeit“. Es fasst den seit 2013 bestehenden Studiengang „Jüdische Theologie“ sowie die Rabbinerseminare Abraham-Geiger-Kolleg und Zacharias-Frankel-College unter einem Dach zusammen. Damit ist die Universität der Brandenburger Landeshauptstadt die europaweit einzige staatliche Hochschule, an der sich Studierende für das geistliche Amt des Judentums ausbilden lassen können. Sogar eine eigene Hochschulsynagoge wurde im Rahmen der Eröffnung des Zentrums eingeweiht – auch das ist einzigartig in Europa.
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle erinnerte zur Eröffnung des maßgeblich von Rabbiner Walter Homolka geprägten Zentrums dann auch an den liberalen Rabbiner Abraham Geiger. Der Frankfurter Theologe hatte vor 185 Jahren die Gleichstellung der jüdischen Theologie an den Universitäten mit den christlichen Theologien gefordert. Dies sei nun endlich erfolgt. Und selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ließ es sich nicht nehmen, die Festrede zur Eröffnung zu halten. Er erinnerte an die weltweite Ausstrahlung der Potsdamer Bildungseinrichtung, deren Rabbiner mittlerweile auf allen Kontinenten gefragt sind. Er warnte aber auch vor dem wiederaufkeimenden Antisemitismus. „Es schmerzt mich und macht mich zornig, dass sich Antisemitismus, antisemitischer Hass und Hetze ausgerechnet in Deutschland wieder offen zeigen, schon seit Jahren“, sagte Steinmeier. „Und ich wünschte, ich könnte sagen, Halle hätte zu einer Wende geführt – aber auch seither werden Jüdinnen und Juden verhöhnt, herabgewürdigt, gewaltsam angegriffen, überall in Deutschland, auch am helllichten Tag.“ Auch in der Corona-Pandemie feierten „krude antisemitische Verschwörungstheorien“ hässliche Urständ. „Das ist unerträglich!“, sagte Steinmeier. „Wir, jeder Einzelne und wir als ganze Gesellschaft dulden keinerlei Antisemitismus!“
Hilfreich könnte die Etablierung der jüdischen Theologie in Potsdam indes auch für die Stellung der christlichen Theologien an den Universitäten werden. Der Rektor der Potsdamer Universität, der Wirtschaftsinformatiker Oliver Günther, machte während der Eröffnung des Zentrums deutlich, dass er ursprünglich ein Gegner der Theologie an der Universtät gewesen sei, schließlich gehe es an Universitäten um exakte Wissenschaft. Doch der Hochschulpräsident, der von sich selbst sagt, nicht gläubig zu sein, ließ sich in Gesprächen mit Homolka umstimmen. Denn am Ende diene es der Toleranz, wenn Pfarrer, Rabbiner und Imame an einer Universität mit Studierenden anderer Fächer zusammenkommen und nicht getrennt an Priesterseminaren, Thora- und Koranschulen ausgebildet werden. Benjamin Lassiwe