Der Titel des Sammelbandes verweist auf ein gerade heute wichtiges Thema: Die Bemühungen um mehr Gemeinschaft der christlichen Kirchen vollziehen sich im westlichen Europa unter den Bedingungen einer grundlegenden Säkularität und werden dadurch beeinflusst. Allerdings lösen die Beiträge entsprechende Erwartungen nur teilweise ein. Manche stehen in einer eher indirekten Beziehung zu der Frage nach Ökumene und Säkularität; darüber hinaus gelten etliche Kapitel der spezifischen Situation in der Schweiz und lassen sich nur begrenzt auf andere Länder übertragen. Dennoch liefert der Band interessante Denkanstöße.
Das gilt etwa für die Überlegungen von Edmund Arens zu Perspektiven und Potenzialen öffentlicher Religion und Theologie. Sie münden in der These, dass aus den Reflexionen öffentlicher Theologie auf die Komplementarität des säkularen Staates und der postsäkularen Gesellschaft, der Aktivierung und Intensivierung der religionsverbindenden Potenziale öffentlicher Religionen sowie den Brücken bauenden Tätigkeiten von Religionsgemeinschaften „womöglich eine Ökumene öffentlicher Religionen“ erwachsen könnte.
Der österreichische Philosoph Peter Strasser steuert die düstere Prognose bei, vielleicht sei es für den ökumenischen Dialog schon zu spät. Kardinal Kurt Koch, der Schweizer Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, mahnt, das Christentum in Europa könne nur dann wieder eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung erlangen, wenn die Kirchenspaltung überwunden werde.
In der aktuellen Situation verdient vor allem der Beitrag von Maria Brun zur orthodoxen Kirche im interchristlichen Dialog Beachtung. Brun weist auf die anti-ökumenische Haltung hin, die nicht erst seit der Wende von 1989 vor allem in den orthodoxen Kirchen von Russland und Griechenland anzutreffen sei. Diese „zeichnet sich durch Abschottung auch innerhalb der Gesamtorthodoxie aus; gleichzeitig ist sie auch ein Frontalangriff auf die Ökumene“. Man kann nur hoffen, dass das ökumenische Engagement der Kirchen in Europa ungeachtet dieser Herausforderung weitergeht und es aus den Errungenschaften der letzten Jahrzehnte Kraft und Zuversicht schöpfen kann. Ulrich Ruh