Der französische Kardinal Jean-Pierre Ricard hat sich bei der Französischen Bischofskonferenz Anfang November selbst wegen eines „verwerflichen Verhaltens“ vor 35 Jahren gegenüber einer damals 14-Jährigen angezeigt. Die Bischöfe wiederum zeigten den Fall des 78-Jährigen bei der Generalstaatsanwaltschaft und der vatikanischen Glaubensbehörde an. Mitte November räumte der emeritierte Straßburger Erzbischof Jean-Pierre Grallet „unangemessene Gesten“ gegenüber einer erwachsenen jungen Frau in den Achtzigerjahren ein. Damit reihen sich der frühere Erzbischof von Bordeaux sowie der 81-jährige Grallet in die Reihe von derzeit elf amtierenden oder pensionierten französischen Bischöfen ein, die im Visier staatlicher oder kirchlicher Ermittlungen stehen. Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass der frühere Bischof von Créteil, Michel Santier, wegen Machtmissbrauchs zu sexuellen Zwecken 2021 vom Vatikan mit Strafmaßnahmen belegt worden war.
2021 war der Ciase-Bericht einer unabhängigen nationalen Untersuchung im Auftrag der Bischöfe präsentiert worden (vgl. HK, Dezember 2021, 32–35). Die Dunkelfeldstudie schätzt die Zahl minderjähriger Opfer sexueller Übergriffe durch Priester, Diakone und Ordensleute in der katholischen Kirche in Frankreich seit 1950 auf 216.000. Hilde Naurath