Menschen mit Behinderung müssen im Fall einer Triage geschützt werdenUnverzüglicher Handlungsbedarf

Rettungshubschrauber
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Mit steigenden Infektionszahlen nimmt auch die Gefahr zu, dass es in Krankenhäusern nicht genug Intensivbetten, Personal oder Beatmungsgeräte für Corona-Patienten gibt. Kommt es in diesem Zusammenhang zu einer pandemiebedingten Triage, müssen Menschen mit Behinderungen besonders geschützt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht Mitte Dezember entschieden und „unverzüglich“ gesetzliche Vorgaben angemahnt. Der Gesetzgeber habe Artikel 3 des Grundgesetzes verletzt, „weil er es unterlassen hat, Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehenden intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt wird“, so die Karlsruher Richter.

Mehrere Menschen mit Behinderungen oder Vorerkrankungen hatten Verfassungsbeschwerde eingericht. Sie befürchteten, dass sie aufgrund ihrer Behinderung bei einer Triage-Entscheidung indirekt diskriminiert werden könnten. Offiziell dürfen Umstände wie Behinderung, Alter oder Vorerkrankung nicht in eine solche Entscheidung einfließen. Im Frühjahr 2020 hatte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) eine entsprechende Empfehlung vorgelegt. Darin ist festgelegt, nach welchen Kriterien intensivmedizinische Ressourcen zugeteilt werden sollen. Als wichtigestes Entscheidungskriterium gilt nach wie vor die sogenannte klinische Erfolgsaussicht. Diese Empfehlungen sind aus Sicht des Verfassungsgerichts allerdings nicht ausreichend.

Regierungsvertreter, Verbände und Kirchen hatten die Entscheidung des Gerichts begrüßt. Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte an, dem Bundestag zügig einen Gesetzesentwurf vorzulegen. Der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Bernhard Franke, sprach von einem „sehr wichtigen Signal“ für Menschen mit Behinderung. Mediziner hatten sich im Vorfeld der Entscheidung gegen eine gesetzliche Vorfestlegung ausgesprochen. Es könne nur im Einzelfall entschieden werden, wer bei knappen Ressourcen behandelt werden könne und wer nicht, so die Bundesärztekammer in einer Stellungnahme. Die Ärzteschaft solle bei der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes eng eingebunden werden, forderte Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt.

Nach der Entscheidung der Karlsruher Richter hatten unter anderem das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) und Bundesfamilienministerin Anne Spiegel die Frage aufgeworfen, ob ein entsprechender Schutz in Triage-Situationen nicht auch für ältere Menschen gesetzlich geregelt werden müsse. Dana Kim Hansen-Strosche

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