Gerechter Krieg

Die Ukraine hat das Recht, sich gegen eine russische Aggression zu verteidigen. Deutschland sollte dieses Recht respektieren und in puncto Waffenlieferungen nicht aus dem westlichen Bündnis ausscheren.

Ukrainische Soldaten
© Pixabay

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Der Augsburger Allgemeinen Zeitung sagte sie Mitte Februar: „Unsere Kirche unterstützt die Regierung darin, keine Waffen in die Ukraine zu liefern.“ Die Begründung der Theologin: „Waffen sind darauf ausgerichtet, Gewalt zu üben, dadurch nimmt die Gefahr eines Krieges zu.“

Aber stimmt das denn? Waffen würden die „Eskalation von Gewalt“ fördern, „auf welcher Seite auch immer“, meint die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen – und insinuiert damit ein Gleichgewicht der Parteien, das so nicht existiert. Gegen einen militärisch überlegenen Gegner helfen Waffen zunächst einmal, die Kosten eines möglichen Angriffs in die Höhe zu treiben – und können so durchaus die Gefahr eines Krieges verkleinern.

Ob das im Falle der Ukraine realistisch ist? So oder so: Es ist das gute Recht des Landes, sich im Falle eines russischen Angriffs zu verteidigen. Noch das Zweite Vatikanische Konzil hat festgehalten, dass „wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung“ nicht abgesprochen werden kann. Die Kriterien für einen „gerechten Krieg“ (bellum iustum), wie sie der Katechismus der Katholischen Kirche definiert, dürften im Falle eines ukrainischen Verteidigungskrieges wohl erfüllt sein.

Die Denkschrift des Rates der EKD „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ von 2007 lehnt zwar die Rede vom „gerechten Krieg“ ab, hält aber fest: „Bei schwersten, menschliches Leben und gemeinsam anerkanntes Recht bedrohenden Übergriffen eines Gewalttäters kann die Anwendung von Gegengewalt erlaubt sein, denn der Schutz des Lebens und die Stärke des gemeinsamen Rechts darf gegenüber dem ‚Recht des Stärkeren‘ nicht wehrlos bleiben.“

Der Verweis auf die „historische Verantwortung“ (Annalena Baerbock) Deutschlands, dem fünfgrößten Waffenlieferanten der Welt, ist jedenfalls unglaubwürdig, solange deutsche Waffen weiter an „Partner“ wie die Türkei, Ägypten oder Saudi-Arabien gehen, die in verschiedenste kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind.

Für Deutschland geht es am Ende um die Frage, wem seine Solidarität gilt: dem Westen oder Russland. Der Konflikt wäre nach einer hypothetischen Eroberung der Ukraine durch Russland ja nicht einfach zu Ende. Wie würde Deutschland sich bei einem Nato-Bündnisfall im Baltikum verhalten? leven@herder.de

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