Wenn Ouellet geht – was wird aus Woelki?Papst plant offenbar Neubesetzung zahlreicher Ämter

Blick auf den Vatikan
© Pixabay

In Rom herrscht Nervosität. Wie die „Herder Korrespondenz“ aus mehreren Quellen erfuhr, hat Papst Franziskus bei einem Treffen der Leiter aller Kurienbehörden am 9. Mai 2022 angekündigt, mit dem Inkrafttreten der Kurienreform am 5. Juni 2022, dem Pfingstfest, zahlreiche Führungspositionen neu besetzen zu wollen. Kurienchefs, deren Fünfjahresturnus abgelaufen ist und die die offizielle Altersgrenze von 75 Jahren überschritten haben, können den Informationen zufolge mit einer Abberufung rechnen.

Betroffen sein dürfte der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria. Der Fünfjahresturnus des 78-jährigen Spaniers endet im Juli. Auch der mächtige Chef der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, der 77 Jahre alt ist, wird dem Vernehmen nach seinen Hut nehmen müssen. Die Kurienreform sieht vor, dass Dikasterien auch von Laien geleitet werden können, wie dies bisher schon beim Kommunikationsdikasterium der Fall war (vgl. HK, Mai 2022, 9–10). Schon bald wird sich zeigen, ob der Papst mit dieser Möglichkeit Ernst macht. Denn neben der Glaubens- und Bischofskongregation könnten weitere Behörden neue Leiter bekommen. Kardinal João Braz de Aviz ist im April 75 geworden; er leitet die Ordenskongregation.Kardinal Leonardo Sandri, Präfekt der Ostkirchenkongregation, liegt mit 78 Jahren ebenfalls über dem Pensionsalter. Im gleichen Alter ist der Chef der Bildungskongregation, Kardinal Giuseppe Versaldi. Sogar 79 Jahre alt ist Kardinal Gianfranco Ravasi, der den Päpstlichen Kulturrat leitet. Bildungskongregation und Kulturrat werden im Zuge der Kurienreform zum Dikasterium für Bildung und Kultur fusioniert und könnten dann einen neuen Leiter erhalten.

Andere Leitungsämter wurden erst kürzlich neu besetzt. Obwohl er bereits 75 Jahre alt ist, übernahm Kardinal Michael Czerny im April die Leitung des Entwicklungsdikasteriums von Kardinal Peter Turkson, obwohl dieser „erst“ 73 ist. Im vergangenen Jahr wurde Erzbischof Arthur Roche (72) Nachfolger von Kardinal Robert Sarah (76) als Präfekt der Gottesdienstkongregation.

Die nun offenbar bevorstehende „Kabinettsumbildung“ des Papstes lässt jedenfalls darauf schließen, dass Franziskus in nächster Zeit nicht ans Aufhören denkt. Der Papst wirkte zuletzt zunehmend gebrechlich und konnte wegen Kniebeschwerden oft nur im Rollstuhl auftreten. Immer wieder mussten auch Termine abgesagt werden. Mitte Mai bestätigte der Vatikan jedoch eine Reise, die den Papst vom 24. bis zum 30. Juli 2022 nach Kanada führen soll.

Die Umsetzung der Kurienreform, so wurde Anfang Mai bekannt, soll im Übrigen von einer eigens eingerichteten Kommission überwacht werden. Die Vorgaben der Apostolischen Konstitution „Praedicate Evangelium“ müssen in einer Kurienordnung konkretisiert werden; zudem muss jedes Dikasterium ein neues Statut erarbeiten.

Angesichts des bevorstehenden Amtsendes von Kardinal Ouellet darf mit Spannung erwartet werden, ob der Kurienkardinal vorher noch eine Entscheidung in der Causa des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki herbeiführt.

Woelki steht im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Kritik. Eine vom Vatikan beauftragte Apostolische Visitation des Erzbistums hatte Woelki „große Fehler“, „vor allem auf der Ebene der Kommunikation“ attestiert. Woelki war am 2. März 2022 aus einer viermonatigen „Auszeit“ zurückgekehrt und hatte gleichzeitig mitgeteilt, dem Papst seinen Rücktritt angeboten zu haben.

Zuletzt hatte Woelki von Ouellet Rückendeckung erhalten. Der Kanadier bescheinigte Woelki Anfang Mai in einem Brief, bei der Vergabe von Aufträgen für die beiden Kölner Missbrauchsgutachten und für PR-Beratung rechtmäßig gehandelt zu haben. Woelki hatte zur Finanzierung auf ein Sondervermögen zurückgegriffen, aus dem auch die Anerkennungszahlungen für Missbrauchsbetroffene geleistet werden, und dabei nicht die Gremien des Erzbistums konsultiert. Woelkis Vertreter während der Auszeit, Weihbischof Rolf Steinhäuser, hatte den Vatikan um eine kirchenrechtliche Prüfung des Vorgangs gebeten. Mit einer Ablehnung des angebotenen Rücktritts würde der Papst dem angeschlagenen Kölner Kardinal sein Vertrauen aussprechen.

Mit Blick auf das Kirchenrecht wäre der Amtsverzicht nach Ablauf einer Frist von drei Monaten – also Anfang Juni – eigentlich obsolet. In Kanon 189 § 3 CIC heißt es: „Wenn ein Verzicht, welcher der Annahme bedarf, nicht innerhalb von drei Monaten angenommen wird, verliert er jede Rechtskraft.“ Das hat den Papst allerdings nicht davon abgehalten, sich im Fall des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße mit der Ablehnung des Rücktrittsgesuchs ein halbes Jahr Zeit zu lassen. Wird Woelkis Gesuch weiterhin nicht beantwortet, bleibt seine Situation in jedem Fall prekär. Benjamin Leven

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