Die für Deutschland (wie inzwischen auch für andere europäische Länder) charakteristischen katholisch-theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten müssen sich nicht zuletzt unter dem Druck sinkender Studierendenzahlen neu im Hochschulsystem positionieren. Da lohnt sich ein vergewissernder Blick in die Geschichte, wie ihn Uwe Scharfenecker für die katholisch-theologische Fakultät der Universität Tübingen unternimmt, wobei er immer auch die gesamte deutsche Fakultätenlandschaft beleuchtet. Die Tübinger Fakultät liefert interessantes Anschauungsmaterial, wurde sie doch 1818 neben einer traditionsreichen evangelischen Fakultät durch das neue Königreich Württemberg begründet.
Scharfenecker, Domkapitular und für die Ausbildung pastoraler Berufe im Bistum Rottenburg-Stuttgart zuständig, verfolgt die Entwicklung im Spannungsfeld zwischen staatlichen Instanzen, Bistum und römischen Vorgaben und Forderungen: die württembergische Kirchenpolitik des 19. Jahrhunderts, die Veränderungen nach dem Ende der Monarchie, das Schicksal unter dem Nationalsozialismus und den Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg. Durchgängiges Element war das römische Misstrauen und das entsprechende Drängen auf die Verlagerung der wissenschaftlichen Priesterausbildung in „Tridentinische Seminare“.
Tübingen konnte sich wie die anderen Universitätsfakultäten behaupten. Es war Schauplatz des „Falls Küng“, den Scharfenecker ebenso behandelt wie die Diskussion der letzten Jahrzehnte über den Ort von Theologie in Wissenschaftssystem und Kirche. Er resümiert, das theologische Leben könne an eine Zeit anknüpfen, als „Wilhelmstiftler ganz selbstverständlich an den ‚Stunden‘ der Tübinger Pietisten teilnahmen und mit Eifer die Preisaufgaben nicht nur der eigenen, sondern auch der Evangelisch-Theologischen, Juristischen und Philosophischen Fakultät lösten“, und zieht den Schluss, dass fundiertes, inspiriertes theologisches Arbeiten auch möglich sei, wenn parallel dazu Ideen ventiliert würden, „die genau dies in Frage stellen und andere Modelle des Studiums favorisieren“.
Über Tübingen hinaus gilt, dass die Universitätsfakultäten vermutlich nur überleben können, wenn sie intelligent und phantasievoll ihr Profil ausbauen und dadurch attraktiv werden. Ulrich Ruh