Erneut äußert sich Papst Franziskus zur Liturgie. In seinem Apostolischen Schreiben „Desiderio Desideravi“ vom 29. Juni 2022 unterstreicht er zentrale Aussagen seines Motu Proprio „Traditionis Custodes“, mit dem er ein Jahr zuvor den Gebrauch der alten Liturgie in der katholischen Kirche stark eingeschränkt hatte. So betont der Papst, die Kirche könne „nicht zu jener rituellen Form zurückkehren, die die Konzilsväter cum Petro und sub Petro für reformbedürftig hielten, indem sie unter der Führung des Geistes und nach ihrem Gewissen als Hirten die Grundsätze billigten, aus denen die Reform hervorging.“ Ziel sei, dass „die Kirche in der Vielfalt der Sprachen ein und dasselbe Gebet erhebt, das ihre Einheit zum Ausdruck bringt“. Diese Einheit wolle er „in der gesamten Kirche des Römischen Ritus wiederhergestellt sehen“, so Franziskus. Über Varianten des modernen Römischen Ritus wie den „Anglican Use“ oder den Zairischen Messritus äußert sich der Papst dabei nicht.
Eingebettet sind diese Aussagen in grundsätzliche Reflexionen zur Liturgie. Er wolle „einige Denkanstöße geben, um die Schönheit und Wahrheit der christlichen Feier zu betrachten“, schreibt der Papst zu Beginn des Briefes. Er plädiert unter anderem dafür, die Schönheit der Liturgie wiederzuentdecken, ohne dabei einem „rituellen Ästhetizismus“ zu verfallen. Aber auch die gegenteilige Haltung sei abzulehnen, „die Einfachheit mit nachlässiger Banalität, die Wesentlichkeit mit ignoranter Oberflächlichkeit, die Konkretheit der rituellen Handlung mit übertriebenem praktischen Funktionalismus verwechselt.“
Auch wenn der Papst einmal mehr die Einheit des Römischen Ritus einfordert, scheinen die Auswirkungen des Motu Proprio vom vergangenen Jahr begrenzt zu sein. Der Priesterbruderschaft Sankt Petrus, die der alten Liturgie verpflichtet ist, beschied Franziskus selbst im Februar dieses Jahres mit einem Dekret, dass die Vorgaben von „Traditionis Custodes“ für sie nicht gelten würden (vgl. HK, April 2022, 42). Auch andere Gemeinschaften, die die alte Liturgie pflegen, agieren wie zuvor. In einigen Diözesen ist es zu Einschränkungen gekommen, andere handhaben das Thema weiterhin großzügig. Im Mai weihte der Augsburger Bischof Bertram Meier zehn Kandidaten der Petrusbruderschaft zu Diakonen. Benjamin Leven