TheologiegeschichteIrrungen und Wirrungen

Zu den maßgeblichen Konzilstheologen beziehungsweise -beratern des Zweiten Vatikanums gehörten Männer wie Yves Congar und Henri de Lubac – sie waren noch zehn Jahre zuvor infolge der Enzyklika „Humani generis“ vom römischen Lehramt sanktioniert worden. Eine genaue Analyse dieses Schreibens von Papst Pius XII. bildet den Hauptteil der vorliegenden ursprünglichen Grazer Dissertation, was ihr an manchen Umständlichkeiten und stilistischen Unzulänglichkeiten auch anzumerken ist.

Mit „Humani generis“ reagierte man seinerzeit auf vermeintliche theologische Fehlentwicklungen, für die sich der Sammelbegriff „Nouvelle théologie“ eingebürgert hatte. Epizentrum dieser Theologie war Frankreich; dafür steht nicht zuletzt auch der hierzulande weniger bekannte Marie-Dominique Chenu. David Zettl geht zu den Auseinandersetzungen der Jahrhundertwende um den „Modernismus“ zurück, der bei Papst Pius X. auf scharfe Ablehnung stieß und Gegenmaßnahmen wie den berüchtigten „Antimodernisteneid“ provozierte. Er zeichnet den Weg der katholischen Kirche und Theologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach, als versucht wurde, das neuscholastische System in Philosophie und Theologie auch mit disziplinarischen Maßnahmen durchzusetzen, und er geht auf die zukunftsweisenden, das Konzil dann maßgeblich prägenden Neuansätze nicht zuletzt in der Sicht von Ökumene und generell im ekklesiologischen Denken ein.

Die Zeiten eines geschlossenen katholischen Systems sind längst vorbei. Aber auch viele vormals neue Impulse des Konzils sehen inzwischen ziemlich alt aus. In der dadurch entstandenen, für alle Beteiligten nicht sehr bequemen Übergangszeit kann die Erinnerung an die Irrungen und Wirrungen der kirchen- und theologiegeschichtlichen Epoche zwischen den beiden Vatikanischen Konzilien hilfreich sein. Im Blick auf „Humani generis“ kommt Zettl in seiner insgesamt verdienstvollen Untersuchung zu dem Resümee: „Ein letzter Versuch, die strikt antimodernistische Haltung durchzusetzen, misslang, nachdem für die Dauer eines Jahrhunderts diese Geisteshaltung die offizielle Gestalt der römisch-katholischen Kirche und Theologie, das Lehramt, geprägt hatte.“ Wo er Recht hat, hat er Recht! Ulrich Ruh

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