Länger schon waren die Vorwürfe bekannt. Jetzt hat die Deutsche Bischofskonferenz zusammen mit dem Hilfswerk Adveniat Anfang August den Bericht einer unabhängigen Kommission veröffentlicht, in dem detailliert aufgelistet wird, welche Vergehen dem ehemaligen Geschäftsführer des Hilfswerks und späteren Bischof von Santo Domingo in Ecuador, Emil Stehle, zur Last gelegt werden.
In allein 16 Fällen soll Stehle selbst Missbrauchstäter gewesen sein. Die beschriebenen Taten stammen aus dem Zeitraum von seinen ersten Einsätzen als Priester in Bogotá (Kolumbien) bis zu seiner Zeit als Bischof. Er war dann auch, vor allem als Geschäftsführer von Adveniat, an der Vertuschung von Missbrauch beteiligt. Mehreren Priester, die in Deutschland wegen sexualisierter Gewalt verurteilt wurden, hat er in Lateinamerika eine neue berufliche Zukunft ermöglicht und so vor den Strafverfolgungsbehörden geschützt – und weitere Missbrauchsfälle ermöglicht. Der Bericht ist Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung der Akten der zu Adveniat gehörenden Koordinationsstelle „Fidei Donum“, deren früherer Leiter Stehle war. Die Koordinationsstelle ist für den Einsatz von deutschen Priestern in ehemaligen Missionsgebieten in Südamerika zuständig. Seit den Sechzigerjahren bis heute sind etwa 400 Priester von ihren deutschen Heimatbistümern in verschiedene lateinamerikanische Länder entsandt worden.
Der heutige Adveniat-Hauptgeschäftsführer, der Jesuit Martin Maier, kommentierte: „Diese Untersuchung bringt Licht ins Dunkel des Unrechts.“ Erst die Meldungen von Betroffenen hätten eine Aufarbeitung möglich gemacht. Außerdem will man die Praxis der sogenannten Fidei-Donum-Priester auf den Prüfstand stellen, kündigte Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, an: Der Untersuchungsbericht sei kein Schlusspunkt und mache deutlich, „dass die Entsendung von Priestern und (...) anderen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insgesamt kritisch reflektiert werden muss“. Nach den Ergebnissen der Aktenuntersuchung sei es möglich, dass es weitere Übergriffe wie auch Vertuschung gab, betonte Rechtsanwältin Bettina Janssen, die die Untersuchung geleitet hat. Stefan Orth