SoziologieZwischen Identität und Flexibilität

Der inzwischen 90-jährige Soziologe Franz-Xaver Kaufmann, als Schweizer Diasporakatholik in der Zwinglistadt Zürich aufgewachsen, hat die Entwicklung der katholischen Kirche als einer Großinstitution sui generis über Jahrzehnte hinweg mit kompetenten und kritischen Beiträgen begleitet, mit einem scharfen Blick von außen und gleichzeitig aus innerer Vertrautheit heraus. Jetzt hat er Texte zur katholischen Kirche aus den letzten zehn Jahren in Buchform vorgelegt.

Ihm geht es immer darum, gegenwärtige Probleme und Krisen der Kirche in ihre lange und spannungsreiche Geschichte als religiöser und sozialstruktureller Größe einzuordnen und dadurch einen Beitrag zu ihrer Bewältigung zu leisten. Angesichts der auch durch das Zweite Vatikanische Konzil nicht wirklich überwundenen, sondern nachkonziliar eher noch verstärkten Zentralisierung und „Selbstfesselung“ als Papst- und Klerikerkirche rät er seiner Kirche, eine „Kernidentität zu behaupten“, aber in „eher peripheren Zuständigkeitsbereichen flexibel auf ihre Umwelt zuzugehen“.

Im Blick auf die Zukunftsfähigkeit des Christentums in Deutschland registriert er das Paradox, dass gerade die staatskirchenrechtlich hochgradig abgesicherte institutionelle Identität der Kirchen den religiösen Bedürfnissen ihrer Angehörigen zunehmend zuwiderlaufe. Die in den Sakramenten der katholischen Kirche und in vielerlei Formen des Gebets noch vorhandenen Chiffrierungen von Transzendenz ließen sich in den Lebenshorizonten von Nichtgläubigen kaum mehr vermitteln.

Der abschließende Beitrag widmet sich der Frage, ob es heute katholische Intellektualität geben könne. Kaufmann plädiert für eine katholische Intellektualität, die nicht gegen ökumenische Bestrebungen gerichtet sei, sondern auf der Annahme beruhe, „dass die Eigenwertigkeiten der verschiedenen Konfessionen auch heute noch Wesentliches für ein modernitätsresistentes und zukunftsfähiges Christentum bereithalten“. Es gehe dabei um Zeitkritik unter Berücksichtigung der jeweiligen Fach- und Sachkompetenzen – dass er selbst eine sehr große Portion davon eingebracht hat und noch immer einbringt, beweist auch sein jüngstes Buch nachdrücklich. Ulrich Ruh

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