„Etwas Neid auf Synodalen Weg“

Die Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz, Renata Asal-Steger, sieht dringenden kirchlichen Reformbedarf. Die Fragen stellte Stefan Orth.

Luzern
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Um den synodalen Prozess in der Schweiz ist es vergleichsweise ruhig gewesen. Warum?

Renata Asal-Steger: Kurz nachdem die Deutschen Bischöfe 2019 mit dem ZdK den Synodalen Weg beschlossen haben, kündigten die Schweizer Bischöfe ebenfalls ein synodales Vorhaben an. Aber sie waren nicht bereit, die Verantwortung für diesen Prozess mit anderen zu teilen, und so kam er nie richtig in Gang, sondern blieb auf punktuelle Begegnungen mit einzelnen Anspruchsgruppen beschränkt. Hätte es in der Schweiz 2019 auch schon eine mit der MHG-Studie vergleichbare Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs gegeben, wäre die Entwicklung wohl anders verlaufen. Etwas mehr Bewegung entstand erst, als Papst Franziskus 2021 die Ortskirchen auf den weltkirchlichen Synodalen Weg schickte.

Welche Konsequenzen wird der Schweizer Missbrauchsbericht haben?

Asal-Steger: Bisher liegen erst Ergebnisse einer Pilotstudie vor. Bereits dieser erste Bericht löst große Betroffenheit aus. Zusammen mit Medienberichten, die aufdeckten, dass einzelne Bischöfe bis in die jüngste Zeit Fehler gemacht haben und dass eine von Rom eingeleitete Voruntersuchung gegen mehrere amtierenden Bischöfe in Gang ist, hat der Bericht das Vertrauen in die Bischöfe massiv beschädigt. Staatskirchenrechtliche Behörden wie auch die Politik sind mit Vorstößen konfrontiert, die neben Reformen auch strafrechtliche Abklärungen und finanzielle Sanktionen fordern. Die Zeit, in der es reicht, Betroffenheit zu artikulieren und Besserung zu geloben, ist vorbei. Es ist empörend, dass so viel öffentlicher Druck nötig ist, damit die Bischöfe griffige und überprüfbare Maßnahmen ergreifen, um dem Missbrauch und seiner Vertuschung Einhalt zu gebieten.

Die Texte des Synodalen Wegs in Deutschland wurden in manch anderen Ländern als oberlehrerhaft empfunden. Auch in der Schweiz?

Asal-Steger: Vor allem in der deutschsprachigen Schweiz haben viele den Synodalen Weg mit Interesse und etwas Neid verfolgt. Die regen und theologisch fundierten Debatten, die klar strukturierte Organisation sowie die transparente Berichterstattung haben beeindruckt. Auch wurde geschätzt, dass die Schweiz das Geschehen mit zwei Beobachtern vor Ort verfolgen konnte. Dank der Berichterstattung von Daniel Kosch, damaliger RKZ-Generalsekretär, war es möglich, die Bedeutung der Vorgänge für die Schweiz genauer zu verstehen. Ich wünschte, auch bei uns käme ein so verbindlicher und transparenter Prozess in Gang. Ohne echte Partizipation ist es unmöglich, neues Vertrauen aufzubauen und sich gemeinsam den gewaltigen Herausforderungen zu stellen, vor denen die Kirche steht.

Was erwarten Sie sich von den beiden Weltsynoden zum Thema Synodalität?

Asal-Steger: Synodalität bedeutet gemeinsamer Weg. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass Unterwegssein nach Entscheidungen verlangt. In diesem Sinne erwarte ich von der Weltsynode neben Dialog und Hinhören auch konkrete Entscheidungen. Die katholische Kirche steckt in einer Krise – weltweit. Die Themen der Weltsynode werden seit Jahren diskutiert. Und seit Jahren werden die Gläubigen vertröstet. Viele sind müde, haben resigniert und treten aus. Ohne tiefgreifende Reformen wird die Kirche weiter Staub ansetzen und bedeutungslos werden, statt erfahrbar zu machen, dass das Evangelium eine Botschaft der Hoffnung für unsere taumelnde Welt ist. Die Zeit drängt!

Was ist der spezifische Beitrag der Schweiz?

Asal-Steger: Die Schweiz ist mit Helena Jeppesen-Spuhler durch eine Frau an der Weltsynode vertreten. Sie war Mitglied der Kontinentalsynode in Prag und tritt pointiert für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche ein. Einzigartig ist das schweizerische duale System. Es führt zu geteilten Zuständigkeiten, Mitentscheidungsrechten für alle Getauften und stärkt das Volk Gottes im Verhältnis zur Kirchenleitung. Das kann die Schweiz in die Entwicklung neuer Formen von Macht- und Gewaltenteilung einbringen.

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