LosungenGott als Glucke

Schon allein das Vorwort über den unentdeckten Schatz in dem Schutt und in der Asche des zerstörten Großelternhauses ist es wert, gelesen zu werden. Unprätentiös und sorgsam wie stets legt Fulbert Steffensky in seinem mittlerweile elften Bändchen beim Radius-Verlag biblische Verse von der Genesis bis zum Hebräerbrief sowie kirchliche Liedzeilen aus, die er eher auf der Zunge zergehen lässt denn trocken analysiert. Der mittlerweile 90-Jährige erschafft wieder einmal glänzende Wortperlen – wobei „Wortmurmeln“ vielleicht noch angemessener erscheint. Seine je ein- bis zweiseitigen Annäherungen sind dem Alltag mehr denn der Dogmatik entnommen, einige zeigen sich gebrochen, und gerade in den Brechungen schillern alle Farben des Lebens.

Oft erzählt er von den Menschen hinter den Zeilen, die in schwierigen, ja schrecklichen Zeiten lebten. Dazu zählen der gefangene Psalmist und der im Dreißigjährigen Krieg um seine Familie trauernde Paul Gerhardt. Der Autor versöhnt sich auch mit dem „mittelguten Volkslied“ des Weimarer Johannes Daniel Falk, der vier Kinder durch Typhus verlor und ausgerechnet „O du fröhliche“ dichtete: „Es gibt ja viele Lieder und Texte aus dem liturgischen Schatz, die besser sind, als sie sind, weil sie verbunden waren mit den Schmerzen und Hoffnungen von lebendigen Menschen.“

„Ein Text (…) wird erst ein guter Text, wenn etwas von uns selber dazugetan ist“, so Steffensky, und: „Auch ein heiter-humpelndes Glaubensgelichter gefällt Gott.“ Seine „Losungen“ plädieren für Güte ohne Gleichgültigkeit. Das heißt, es sich auch nicht allzu leicht machen zu dürfen: „Eine Theologie ohne Empörung ist eine reine Vertröstung“, im Gegenteil erscheint seine Kritik heiter, aber deutlich: „Hätten wir doch Gott nicht hauptsächlich Vater, Herr und König genannt, sondern gelegentlich auch Glucke!“

Der unentdeckte Schatz aber entpuppt sich als das geglaubte Geheimnis, dass es überhaupt etwas zu entdecken gibt – auch und gerade da, wo nur noch Trümmer liegen. Die Gebete und Lieder verbinden uns mit Generationen vor uns, die genau das geglaubt haben. Und Steffensky weiß: Gemeinsam glaubt es sich angesichts einer oft grausamen Welt so viel leichter. Ein Büchlein, das es zu entdecken gilt.

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

Die Herder Korrespondenz im Abo

Die Herder Korrespondenz berichtet über aktuelle Themen aus Kirche, Theologie und Religion sowie ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. 

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen
Fulbert Steffensky

Schutt und Asche.Streifzüge durch Bibel und Gesangbuch

Radius-Verlag, Stuttgart 2023, 264 S., 18,00 € (D)