„Während die Kirche als Institution an Akzeptanz und Mitgliedern verliert, scheint das Interesse an den Sakralgebäuden, zumindest den ortsbestimmenden, keineswegs abzunehmen“, stellt der Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards gleich in der Einführung des Sammelbands fest, der die Ergebnisse der ersten Jahrestagung der DFG-Forschungsgruppe „Sakralraumtransformation“ (Transara) dokumentiert. Dementsprechend geht es um Kirchengebäude als Identitätsmarker über die jeweilige Kirchengemeinde hinaus, um die Wiederentdeckung und Aneignung von Sakralgebäuden in der Gesellschaft als ganzer.
Einschlägige Fachleute und Praktiker aus Theologie, Liturgiewissenschaft, Philosophie, Religionswissenschaft, Kunstgeschichte, Architektur, Kirchenrecht und Immobilienwirtschaft erläutern Hintergründe und geben Beispiele aus dem Raum Aachen und Leipzig, aus den Niederlanden, Italien und der Schweiz. Sie stellen Abriss und Neubau, Um-, Teil- und Mischnutzungen, evangelische und katholische, laufende und abgeschlossene, geglückte und weniger geglückte Projekte vor und zeigen, dass einerseits jedes Gebäude eine individuelle Lösung erfordert, andererseits nicht jeder Träger das Rad der Transformation neu erfinden muss. In der Fülle an Perspektiven lässt sich wohl für jede Kirchentransformationsfrage ein Anknüpfungspunkt finden.
Dieser erste Band der noch ausstehenden Reihe „Sakralraumtransformationen“ kann kostenlos online auf der Verlags-Website abgerufen werden, zu finden auch über die Transara-Website. So ist ein Stöbern nach Anregungen problemlos möglich – und wird der zunehmenden Relevanz des Themas entgegenkommen. Dabei findet sich zwischen der Trauer um verlorene, Gewöhnung an umgenutzte und Freude über neue sakrale Räume die Hoffnung, dass Kirchengebäude auch in einer säkularisierten Gesellschaft sinnstiftend sein können: „Schließlich geht es um eine Neudefinition des Sakralen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen globalen Veränderungen“, so Gerhards. Anders ausgedrückt: „Wo wohnt Gott?“ ist nur eine Frage, die gestellt wird. „Wo findet der Mensch Raum für ein ‚Mehr‘?“ schließt sich unausgesprochen an.
Hilde Naurath