Serbisch-orthodoxe KircheEinblicke in eine exotisch anmutende Welt

Serbien taucht hierzulande höchstens in den Nachrichten auf, wenn es um die Flüchtlingsroute über den westlichen Balkan oder um Konflikte im Zusammenhang mit dem Status des Kosovo geht. Auch die serbisch-orthodoxe Kirche blüht weitgehend im Verborgenen. Seit 2018 amtiert Grigorije Duric als Bischof der serbischen Diözese „von Düsseldorf und ganz Deutschland“; jetzt hat er ein kleines Buch vorgelegt, das Texte unterschiedlicher Länge enthält, die teils einen direkten biografischen Bezug haben, teils in die Geschichte Serbiens und der angrenzenden Regionen vor allem des 20. Jahrhunderts zurückblenden.

Diese Geschichte bringt es mit sich, dass in den Aufzeichnungen des aus Bosnien stammenden Bischofs fast als eine Art roter Faden immer wieder von kriegerischen Auseinandersetzungen die Rede ist: vom Ersten Weltkrieg, der mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo begann, vom Zweiten Weltkrieg und seinen blutigen Folgen für das damalige Jugoslawien, von den Kriegshandlungen, die in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts den Zerfall Jugoslawiens begleiteten. Duric zeichnet knappe Porträts von Frauen und Männern, die unter schwierigen Umständen Zeichen der Menschlichkeit und der Versöhnung gesetzt haben, erzählt aus dem Leben seiner Familie und lässt die Atmosphäre serbisch-orthodoxer Klöster spürbar werden. Er war selber einmal Abt des Klosters Tvrdos, dem der letzte Text des Bands ein stimmungsmäßig beeindruckendes Denkmal setzt.

Das Buch gibt Einblicke in eine Welt mit ihrer Kultur und religiösen Prägung, die uns in mancher Hinsicht exotisch anmutet, und verschweigt dabei nicht die Grausamkeiten, die sich in den vergangenen Jahrzehnten darin abgespielt haben. Es lohnt die Lektüre, gerade weil es ohne plakative Frömmigkeit auskommt und sich auf das reale Leben der Menschen einlässt, ohne spirituelle Impulse oder den eigenen Glauben auszublenden. Bischof Duric lädt durch seine biografischen wie regional-zeitbezogenen Skizzen in einer sympathischen Weise dazu ein, Serbien und Bosnien und die serbisch-orthodoxe Kirche genauer in den Blick zu nehmen und dabei eine uns zumeist wenig bekannte Variante gelebten Christentums zu entdecken. Ulrich Ruh

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

Die Herder Korrespondenz im Abo

Die Herder Korrespondenz berichtet über aktuelle Themen aus Kirche, Theologie und Religion sowie ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. 

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen
Grigorije Duric

Zeugnisse der MenschlichkeitEin orthodoxer Bischof erzählt

Verlag Herder, Freiburg 2023. 155 S. 18,00 € (D)