Der kleinste Staat der Welt hat eine neue Verfassung. Das am 13. Mai veröffentlichte und am 7. Juni in Kraft tretende Grundgesetz (legge fondamentale) der Vatikanstadt ist eine Neufassung des seit dem Jahr 2000 geltenden Gesetzes. Erstmals erhielt die Vatikanstadt 1929 unter Papst Pius XI. eine Verfassung, als mit den Lateranverträgen die „Römische Frage“ geklärt worden war. Damals hatte der Papst Rom als Sitz der italienischen Regierung anerkannt und auf die Gebiete des alten Kirchenstaats verzichtet. Im Gegenzug akzeptierte Italien die Unabhängigkeit der Vatikanstadt und die Unabhängigkeit und Souveränität des Heiligen Stuhls als Völkerrechtsubjekt.
Das neue Grundgesetz betont, dass der Staat der Vatikanstadt die „absolute und sichtbare Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls für die Erfüllung seiner hohen Mission in der Welt“ sicherstellen und „seine unbestreitbare Souveränität auch im internationalen Bereich“ garantieren soll.
Das Gesetz regelt die Arbeitsweise der Institutionen des Staates. Als wesentliche Neuerung wurde hervorgehoben, dass zur Päpstlichen Kommission, die den Staat der Vatikanstadt leitet, neben Kardinälen „weitere Mitglieder“ – und damit auch Laien – gehören können. Kirchenjuristen fiel allerdings auf, dass die verschiedenen Institutionen der Legislative, Exekutive und Judikative laut dem neuen Grundgesetz nur „Funktionen“ ausüben, während gleichzeitig im 1. Artikel betont wird: „Der Papst, Souverän des Staates Vatikanstadt, verfügt über die gesamte Regierungsgewalt, einschließlich der legislativen, exekutiven und judikativen Gewalt.“ Während im bisherigen Grundgesetz von der „gesetzgebenden Gewalt“ der päpstlichen Kommission die Rede war, spricht das neue Gesetz nur von einer „gesetzgebenden Funktion“. Ebenso ist nicht mehr wie bisher von der „Exekutivgewalt“ des Kommissionspräsidenten und der „richterlichen Gewalt“ der Justizorgane die Rede, sondern lediglich von entsprechenden „Funktionen“.
Ob Franziskus die Möglichkeit nutzen wird, in die Leitung der Vatikanstadt auch Laien zu berufen, wird sich zeigen. Hohe Kurienämter, die gemäß dem Wortlaut der neuen Kurienordnung von 2022 theoretisch auch von Laien übernommen werden können, besetzte Franziskus zuletzt nur mit Bischöfen. Ausnahme ist die Leitung des Kommunikationsdikasteriums, die bereits seit 2018 der Journalist Paolo Ruffini innehat. Benjamin Leven