Im Fußball ist das Nachtreten eine verpönte Untugend. Das kleine Buch des emeritierten Pastoraltheologen Erich Garhammer tritt zwar nach, aber auf eine vornehm-erhellende Weise. Garhammer kannte Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI., als Theologieprofessor in Regensburg und gesteht, für ihn sei er ein theologisches Genie gewesen: Er habe selten solch brillanten Vorlesungen gehört. Überdies war Ratzinger als Erzbischof von München und Freising entscheidend für den Weg des Passauer Diözesanpriesters Garhammer in die akademische Theologie.
Garhammer skizziert so knapp wie deutlich den theologischen und kirchenpolitischen Weg Ratzingers von den Anfängen als „progressiver“ Konzilstheologe über die Jahre als Präfekt der Glaubenskongregation bis ins Papstamt. Er sieht die Weichenstellung für diesen Weg in der Erfahrung des Sterbens der Eltern und ihres Geborgenseins im vorkonziliaren Glauben: Sie habe die Rede von der unverbrüchlichen Kontinuität der Kirche ausgelöst, für die vor allem die einfachen Gläubigen stünden. Garhammer verfolgt diese Grundorientierung etwa in Ratzingers Äußerungen zu Liturgie und Liturgiereform, in seinem problematischen Umgang mit dem Thema wiederverheiratete Geschiedene, und verweist auf die programmatische Ansprache zur Konzilshermeneutik 2005 sowie auf die berühmt-berüchtigte Freiburger Rede zur „Entweltlichung“ der Kirche 2011.
Das „amtlich“ gewordene Denken Ratzingers sei noch in diversen römischen Stellungahmen zur Entwicklung der katholischen Kirche in Deutschland und ihres „Synodalen Wegs“ wirksam. Man halte ihr vor, es gehe um ein „Projekt der Professorenkirche, die die Veränderung der Kirche betreibe, deren Kontinuität aufs Spiel setzte und damit die einfachen Gläubigen verletze“. Als Kontrapunkt betrachtet er Äußerungen von Papst Franziskus: Das Buch endet mit dem Brief des Papstes an den neuen Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre. Mit ihm sei die Theologie von Ratzinger „aufgehoben“. Die Umrisse eines neuen Ansatzes zum Verhältnis von Lehramt, Theologie und Glaubenssinn des Gottesvolkes bleiben bei Garhammer eher vage; seine Analyse des „Modells Ratzinger“ und von dessen Problemen fällt dagegen insgesamt schlüssig aus.