Justin Welby, Erzbischof von Canterbury, ist wegen Vorwürfen der Vertuschung von Missbrauch von seinem Amt zurückgetreten. Das gab Welby am 12. November in einem Statement bekannt. Seine Amtsniederlegung erfolgte nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts „Makin Report“ zu Missbrauch in der Church of England, der Welby schwere Versäumnisse im Umgang mit einem Missbrauchstäter nachweist. Das geistliche Oberhaupt der Kirche von England hatte daraufhin einen Rücktritt zunächst abgelehnt. Missbrauchsbetroffene sowie Kirchenvertreter riefen Welby auf, sein Amt niederzulegen; eine entsprechende Petition wurde von Tausenden unterzeichnet.
Laut dem Untersuchungsbericht wusste Welby seit 2013, dem Jahr seiner Amtseinführung, von Vorwürfen gegen einen Mann, der in den Siebziger- und Achtzigerjahren mehr als 100 junge Männer und Jungen missbraucht haben soll. Welby habe den Fall jedoch nicht den Behörden gemeldet. 2017 gelangte der Fall des 2018 verstorbenen beschuldigten Täters, eines prominenten Rechtsanwalts, der unter anderem Sommerfreizeiten für junge Christen leitete, an die Öffentlichkeit. „Es ist ganz klar, dass ich persönlich und institutionell Verantwortung für die lange und retraumatisierende Zeit zwischen 2013 und 2024 übernehmen muss“, schreibt Welby in seinem Statement.
Welby folgte im März 2013 als 105. Erzbischof von Canterbury auf Rowan Williams (vgl. HK, Mai 2013, 227–229), der der anglikanischen Kirche als Ehrenoberhaupt seit 2002 vorstand. In die Amtszeit des scheidenden Primas fiel unter anderem die Entscheidung der Generalsynode, also des Kirchenparlaments, für die Zulassung von Frauen zur Bischofsweihe sowie die Krönung von König Charles III. in der Londoner Westminster Abbey. Annika Schmitz