„Die heutige Jugend ist pragmatisch, weltoffen und hat ein sehr positives Zukunftsbild“, so fasste Politikwissenschaftler Mathias Albert als Hauptautor in der „Zeit“ die diesjährige Shell-Jugendstudie zusammen, die Mitte Oktober veröffentlicht worden ist. Die auch ihn überraschenden optimistischen Ergebnisse, die anderen Umfragen teils widersprechen, erklärte er damit, dass die Shell-Studie keine Momentaufnahme, sondern eine langfristig angelegte Trendstudie sei. Sie könne im Vergleich mit vorherigen Jahrzehnten stabile Wertorientierungen nachweisen.
Die Ergebnisse zum Glauben an Gott zeigen dagegen unterschiedliche Trends in den Religionsgemeinschaften. Laut Studie hat sich die Relevanz, die die Gesamtheit der 12- bis 25-Jährigen dem Gottesglauben beimisst, im langfristigen Zeitverlauf kaum verändert. Für junge Katholiken jedoch hat der Glaube an Gott kontinuierlich an Bedeutung verloren: 2002 war er 51 Prozent wichtig, 2024 nur noch 38 Prozent. Bei evangelischen Jugendlichen waren die Anteile schon 2002 deutlich kleiner (38 Prozent zu 35 Prozent). Bei muslimischen Jugendlichen hingegen ist die Relevanz des Gottesglaubens auf hohem Niveau stabil (72 Prozent zu 79 Prozent).
Auch Beten verliert insgesamt an Bedeutung: Von allen Befragten beten 18 Prozent mindestens einmal in der Woche, 31 Prozent seltener und 49 Prozent nie; Letzteres sagten 2002 nur 29 Prozent. Bei Protestanten und Katholiken zeigen sich im Zeitverlauf sehr ähnliche Muster. 37 Prozent der jungen Muslime beten ein oder mehrmals am Tag.
Die Shell-Studie zeige, dass junge Menschen kein Vertrauen mehr in die Kirche hätten und dort keinen authentisch gelebten Glauben mehr fänden, sagte der Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Stefan Ottersbach, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der BDKJ setze sich deshalb für Reformen ein; Macht- und Herrschaftskritik verstehe er als Teil des Gottesglaubens. Rainer M. Gotter, Bundesleiter der Schönstatt-Mannesjugend, erklärte auf KNA-Anfrage: „In diesem Milieu steigen die jungen Menschen aus, aber keineswegs als Glaubende.“ Der Sprecher des Verbands der Wissenschaftlichen Katholischen Studentenvereine Unitas e.V., Matthias Kluge, erklärte, der Verband sei „nun umso mehr gefragt, jungen Menschen den Glauben nahezubringen“.
Die 19. Shell-Jugendstudie 2024 basiert auf einer Stichprobenbefragung von 2509 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren. Die Erhebung fand auf Grundlage eines standardisierten Fragebogens von Januar bis März 2024 statt. Zudem fanden vertiefende leitfadengestützte Gespräche mit 20 Jugendlichen statt. Hilde Naurath