Als denjenigen, über den hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, hat Anselm von Canterbury Gott beschrieben. Und Cusanus konzipiert den Gottesbegriff von seiner Entdeckung der coincidentia oppositorum. Schon allein diese beiden Beispiele aus der Theologiegeschichte verdeutlichen die Bandbreite, in der sich die Schärfung eines tragfähigen Gottesbegriffes bewegt.
Mit seinem neuen Buch legt Thomas Schärtl, der in München Fundamentaltheologie lehrt, einen weiteren Beitrag zu dieser Diskussion vor. Dabei nimmt Schärtl die Gesamtheit der Gotteslehre in den Blick: Neben einer Auseinandersetzung mit den klassischen Gottesbeweisen beschäftigt er sich auch mit Fragen zu Atheismus oder Evolution. Wie lässt sich ein Gott denken, der Gewalt zulässt oder in dessen Namen Gewalt ausgeübt wird? Wie kann man einen Gottesbegriff konturieren, der unter den Bedingungen einer modernen Sprachlosigkeit in Bezug auf Religiöses verständlich bleibt? All das sind Fragen, mit denen sich Schärtl in seiner fundamentaltheologischen Gotteslehre auseinandersetzt. Sie zeigen: Hier versucht ein Theologe, Gott vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Zeit zu denken. Das Buch ist deswegen ein Wagnis: Es konfrontiert den Leser mit den klassischen Grammatiken der Trinitätstheologie. Und es versucht, diese Grammatik mit den Worten der Welt von heute aufzufüllen. Was dabei herauskommt? Eine Theologie, die herausfordernd ist. Aber vor allem eine Theologie, die das Denken bereichert, weil sie versucht, Grenzen zu überschreiten und in der Sprachlosigkeit, die sich vor der Größe Gottes einstellt, dennoch sprachfähig zu werden.
Das Buch von Thomas Schärtl ist kein Studienbuch im klassischen Sinn. Es ist eine Gotteslehre, die vom fundamentaltheologischen Standpunkt aus neue Perspektiven des Denkens eröffnet. Sie verlangt deswegen vom Leser einiges ab. Doch das sollte kein Grund sein, „Gott denken – Gott glauben“ nicht zur Hand zu nehmen. Es fordert vielmehr auf, sich auf das Neue einzulassen und die oftmals verschlungenen Pfade der Philosophie und Theologie, die Schärtl einschlägt, mitzugehen. Dann ist die Lektüre nicht nur herausfordernd, sondern zugleich auch bereichernd.