Vor 60 Jahren erschien die „Theologie der Hoffnung“ des Tübinger evangelischen Systematikers Jürgen Moltmann. Das Buch machte damals Furore auch jenseits der engeren Fachgrenzen, weil es mit seinem Leitbegriff einen Anstoß gab, der in die Zeit passte. Das neue Buch des Heidelberger Altphilologen Jonas Grethlein kommt profaner daher, widmet sich der Geschichte der Hoffnung weit über die Theologie hinaus. Gleichzeitig ist sein roter Faden die Frage nach den Wirkungen und Verwandlungen der christlichen Hoffnung mit ihrem konstitutiven Bezug auf eine jenseitige Erfüllung bis in die säkulare Gegenwart, in der der christliche Glaube längst nicht mehr selbstverständlich ist.
Grethlein beginnt nach Überlegungen zu Hoffnung als Weltverhältnis mit der griechischen und römischen Antike, behandelt dann die Frühzeit des christlichen Hoffnungsdenkens (unter besonderer Berücksichtigung der paulinischen Botschaft) und verfolgt die weitere Entwicklung im mittelalterlichen Denken und in der Aufklärung, in der Grethlein zufolge „die christliche Hoffnung auf ein Jenseits (…) durchgehend präsent war“. Weitere Kapitel gelten den Hoffnungsvorstellungen des 19. Jahrhunderts von den nationalen Aufbrüchen über den frühen Marxismus bis zu Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche sowie den Versuchen, im 20. Jahrhundert angesichts der einschneidenden Zivilisationsbrüche dennoch Hoffnung zu denken. Er stellt abschließend die Frage: „Welchen Platz hat die Hoffnung, wenn die Gegenwart sich geologisch historisiert und die Zukunft als bedroht erscheint?“, und konstatiert, an die Stelle der großen seien heute kleine Hoffnungen getreten.
Die „Geschichte der Hoffnung“ ist nicht nur didaktisch geschickt aufgebaut und gut lesbar. Es handelt sich auch um ein Buch, das klug und kompetent sein Thema in bekannten und weniger bekannten Facetten entfaltet und immer wieder von den verschiedenen Epochen ausgehend Blicke auf die gegenwärtige Situation wirft. Auf solche anregenden Gesprächspartner in Sachen Hoffnung kann eine Theologie, wenn sie 60 Jahre nach Jürgen Moltmann noch nach Begründung und Konsequenzen einer christlichen Eschatologie fragen sollte, nicht verzichten.