Zu meinen emotional wichtigsten Erinnerungsstücken gehört eine Langspielplatte mit der Liveaufnahme einer Osternachtfeier in der Amsterdamer Dominikuskirche, gestaltet mit Liedern von
Huub Oosterhuis (1933–2023). Damals, in den Siebzigerjahren, war die Amsterdamer Hochschulgemeinde eine Art Wallfahrtsort für die studentische deutsche Nachkonzilsgeneration, nicht zuletzt wegen der dort gesungenen Lieder mit Texten des Studentenpfarrers Oosterhuis. Einige davon haben es sogar in das deutschsprachige „Gotteslob“ geschafft.
Jetzt kann man eine Auswahl aus dem reichen Œuvre, nämlich mehr als 700 Liedtexte, des niederländischen Priesters und Poeten mitsamt den dazugehörigen Vertonungen neu kennenlernen. Zumindest ein Teil davon hat seine Faszination nicht verloren. Diese Texte atmen den typischen „Oosterhuis-Sound“, der sie aus der neueren liturgischen Gebrauchslyrik des deutschen Sprachraums positiv hervorhebt. Nicht alle Übersetzungen sind gleich gut gelungen; gelegentlich wirken die Formulierungen im Deutschen eher unbeholfen und handgestrickt. Andere wiederum sind durchaus kongenial übertragen, vermitteln etwas von der Sperrigkeit und nicht selten ungewöhnlichen Bildsprache des niederländischen Originals.
Die für diesen Band ausgewählten Texte von Oosterhuis paraphrasieren mitunter Stellen aus dem Alten und Neuen Testament und schöpfen insgesamt aus biblischem Sprachmaterial. Sie kreisen inhaltlich einerseits um das Geheimnis Gottes in der jüdisch-christlichen Tradition, andererseits um menschliches Leben im Angesicht Gottes und im Dienst an der umfassenden Gerechtigkeit. Sie vermeiden plakative Gewissheiten und verstehen sich als Suchbewegung nach Zeichen göttlicher Gegenwart in Welt und Geschichte. Ein charakteristisches Beispiel: „Du, der vor jedem Namen flieht, kein Weg, der deine Ferne sieht, kein Wort kann dich anbeten.“ Es lohnt sich, die Texte von Huub Oosterhuis wiederzuentdecken, vielleicht auch das eine oder andere Lied für sich oder mit anderen nachzusingen. Wir sind mit brauchbarer, qualitätsvoller religiöser Gegenwartslyrik ja nicht gerade verwöhnt.