Der Basler evangelische Systematiker Reinhold Bernhardt kreist in diesem Aufsatzband um zwei Stichworte, die die heutige christlich-theologische Diskussion um Religion schwerpunktmäßig bestimmen: Es geht um das Selbstverständnis des Christentums in einem religiös pluraler gewordenen Umfeld sowie um die Herausforderung des traditionell prägenden christlichen Glaubens durch eine sich immer weiter ausbreitende Säkularität. Er konzentriert sich bei seinen Überlegungen auf Christentum, Islam und Judentum.
Im ersten, umfangreicheren Teil beschäftigt sich Bernhardt mit Klärungen zum Thema Fundamentalismus aus der Perspektive einer sowohl identitätsbewussten wie aufgeklärt-offenen Theologie. Zur Sprache kommen heiße Eisen wie die Entwicklung der Toleranzvorstellung, angefangen bei Luther und Calvin bis zu heutigen kirchlichen Positionen, die Frage nach religiösen „Absolutheitsansprüchen“ sowie die Hermeneutik biblischer Gewaltdarstellungen. Dazu kommen hilfreiche Überlegungen zum Verständnis des göttlichen Gerichts zwischen Ermächtigung zur Gewalt und heilshafter Transformation und zum Motiv der Wiederkunft Jesu in Christentum und Islam.
Lohnend im zweiten Teil ist vor allem ein Aufsatz zur Rede von „unbewusstem Christentum“ und „latenter Kirche“ in der Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts. Er berücksichtigt neben katholischen Positionen, wie Karl Rahners Begriff des „anonymen Christentums“, auch die protestantische Diskussion von Richard Rothe bis zu Paul Tillich. Bernhardt kommt zu dem Schluss, das Problem liege darin, „dass der Begriff ‚unbewusstes Christentum‘ schillernd, ja irreführend und missverständlich ist“. Ohne nähere Erklärung lege er nahe, dass es um die christliche Religion und nicht um unreflexive ethische und existenzielle Haltungen gehe, die sich theologisch als vorbewusstes Bezogensein auf Gott verstehen ließen. Auch anderswo bietet der Band anregende und klärende Durchblicke eines religionstheologisch kundigen protestantischen Theologen zu einem aktuellen Problemfeld.