„Eine kleine Geschichte des Größten“ – in dem Untertitel des 2019 erschienenen Buchs „Gott“ des Theologen und Psychiaters Manfred Lütz über kein geringeres Thema als eben den Allerhöchsten selbst scheint sich das publizistische Prinzip des Autors bereits zu spiegeln: das unterhaltsame Herunterbrechen, wenn auch nicht immer der größten, so doch zumindest der großen Fragen zwischen Himmel und Erde auf verständliches Niveau. Nun ist in diesem Jahr „Der Sinn des Lebens“ erschienen, den der katholische Bestsellerautor in der ihm wohlbekannten Kunstgeschichte Roms und des Vatikans sucht und findet.
Im fachkundigen Plauderton flaniert Lütz mit seinen Lesern durch Zeit und Raum. Zwischen der Römischen Wölfin auf dem Kapitol und der zeitgenössischen Skulptur „Christus, der Arbeiter“ des argentinischen Künstlers Alejandro Marmo in den Vatikanischen Gärten passiert das Buch altbekannte und durch den Verfasser neu entdeckte Monumente der Kunstgeschichte, die der Autor auf ihren tieferen Sinngehalt hin befragt. Der andächtige Leser fühlt sich eingeladen, seine eigenen Sinnfragen mit ins Gespräch zu bringen, auch angesichts der Buntdruckbilder und von Lütz begleitenden Meditationen. Dabei trägt Lütz das von ihm Erkannte in einem Brustton der Überzeugung vor, in dem sowohl Fachwissen als auch Enthusiasmus zum Ausdruck kommen.
Bei aller durchaus ansteckenden Begeisterung wünscht man sich bisweilen jedoch vielleicht auch ein bisschen Mehr an Nachdenklichkeit und an leisen Tönen. So fragt man sich beispielsweise, wenn Manfred Lütz sich in der sinnlichen Schönheit des Mensch gewordenen Gottes in Michelangelo Buonarottis Pietà im Petersdom ergeht: Was soll es inkarnationstheologisch und letztlich gerade auch für die Sinnfrage angesichts des Fragmentarischen des menschlichen Wesens sowie der Verletzlichkeit – und allzu oft auch der tatsächlichen Versehrtheit – des Menschen austragen, dass Gott in Michelangelos Meisterwerk „nicht nur Mensch“, sondern eben auch „ganz sinnlich ein schöner Mensch geworden“ sei?