Der Band enthält die Beiträge einer Tagung, die 2021 an der Theologischen Fakultät der Universität im schweizerischen Luzern stattfand. Er lenkt den Blick auf ein lohnendes, aber im theologischen Normalbetrieb nicht selten übersehenes Themenfeld: das Verhältnis von Musik und Glauben. Der geistlichen Musik komme im Lauf der Jahrhunderte bei der Vermittlung des Christusbekenntnisses eine wesentliche Rolle zu, formuliert der Herausgeber, der emeritierte Luzerner Dogmatiker
Wolfgang W. Müller, in der Einleitung.
Unter dem Label „Das Leben Jesu“ sind Aufsätze zu bekannten und weniger bekannten Aspekten versammelt. Nach einem konzentrierten Überblick des Philosophen Markus Enders befasst sich die Musikwissenschaftlerin Melanie Wald-Fuhrmann mit protestantischen Leben-Jesu-Oratorien des 18. Jahrhunderts (nach Libretti von Karl-Wilhelm Ramler), von denen auch ein regelmäßiger Rezipient geistlicher Musik kaum mehr etwas weiß. Unter die Marke „Entdeckungen“ fallen die Beiträge zum französischen Komponisten und Organisten Charles Tournemire (1870–1939). Seine Sammlung „L’Orgue Mystique“ enthält am gregorianischen Choral orientierte Stücke für die 51 Sonntagsoffizien des Jahres. Hier finden sich auch aufschlussreiche Informationen zum Stellenwert der Orgelmusik in Frankreich in der Zeit zwischen offizieller Trennung von Kirche und Staat im Jahr 1905 und „Renouveau catholique“.
Neben diesen Expeditionen ins musikalisch-theologisch Unbekannte befasst sich der Band auch mit Aspekten der geistlichen Vokalkompositionen Johann Sebastian Bachs. Der Kirchenmusiker Jochen Arnold erklärt kompetent und detailliert „Jesusbilder in Bachs geistlichen Kantaten“, die „aus verschiedenen biblischen Traditionen stammend über die Jahrhunderte hinweg eine tiefe Bedeutung bekommen haben“. Der Theologe Arend Hoyer steuert Anregungen zu Bach „vom fünften Evangelisten zum Exegeten“ bei.
Es gehört zum Schicksal von Sammelbänden, dass nicht alle Beiträge gleich eng auf das Oberthema bezogen sind. Stellt man das in Rechnung, bietet dieser Band gute Anstöße, sich – entsprechende Kompetenz vorausgesetzt – genauer mit dem Spannungsfeld von Musik und Religion zu befassen. Es lohnt sich!