Schreiben im Kontext von Krieg und GewaltDie Ethik des Erzählens

Im vergangenen Jahr hat die Philosophin und Publizistin Carolin Emcke im Rahmen der Wuppertaler Poetikdozentur für faktuales Erzählen zwei Vorlesungen gehalten, die sie in dem vorliegenden Band veröffentlicht. Während die erste Vorlesung mit „Gewalt“ betitelt ist, befasst sich die zweite mit der Klimakrise. Wenngleich der Zusammenhang zwischen beiden nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, versteht Emcke es doch, die Themen miteinander zu verbinden.

Insbesondere der erste Beitrag „Was wahr ist“ erscheint als eine Selbstvergewisserung der Autorin, wie sich angesichts von gewaltvollen Erfahrungen anderer erzählen lässt. Von diesen muss berichtet werden, hält Emcke, die viele Jahre als Korrespondentin in Kriegs- und Krisengebieten gewirkt hat, fest – angetrieben von der Frage: „Wer wären wir, wenn wir es nicht erzählen?“.

Allen ästhetischen Parametern eines solchen Textes gehe eine „hyperkomplexe Menge an ethischen Imperativen“ voraus. „Es sind und bleiben die Eindrücke und Erlebnisse anderer und das heißt: Nichts davon gehört mir.“ Deswegen stellt sich für Emcke weniger die Frage, ob potenzielle Lesende manche Beschreibungen von Tod und Zerstörung als Zumutung empfinden, sondern vielmehr, ob diese den Betroffenen zumutbar sind. Nun kommen Theologinnen und Theologen sowie Menschen im Dienst der Kirche hierzulande nicht allzu häufig in die Verlegenheit, aus Kriegsgebieten zu berichten. Doch Emckes Essay bietet ein kleines Lehrstück zum tieferen Nachdenken für alle, die mit den Erfahrungen von von Gewalt betroffenen oder von marginalisierten Personen zu tun haben.

Im Beitrag über den Klimawandel votiert die Philosophin dafür, radikale Fantasien nicht rechten Ideologen zu überlassen. „Es braucht eine Utopie als Horizont, als Aussicht, als Transportmittel der Sehnsucht“, schreibt sie und fordert, Überzeugungen in Sachen Klimaschutz in unterschiedliche soziale, kulturelle und religiöse Kontexte hinein zu übersetzen. Das ist zwar keine neue Perspektive, aktuell bleibt sie trotzdem. Emckes Vorträge sind ein Plädoyer fürs Erzählen, das sich der Wahrheit verpflichtet weiß. Wer, wenn nicht die Buchreligionen, sollten ihr hier zustimmen?

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