Sie ist Professorin für Design an der Berliner Universität der Künste. Sie war Internetbotschafterin der Bundesregierung. Und sie steht nun an der Spitze des Goethe-Instituts, des weltweit tätigen Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland: Gesche Joost. Erst im November trat die Wissenschaftlerin ihr neues Amt an.
Die Arbeit der Kulturinstitution ist Joost seit Langem vertraut: „Ich bin seit fast zehn Jahren Mitglied des Goethe-Instituts“, sagt Joost im Gespräch mit der „Herder Korrespondenz“. In der Mitgliederversammlung und im Präsidium des Kulturinstituts hatte sie sich bislang für ihre Themen eingesetzt: für Design, für künstlerische Forschungen, für Kulturvermittlung. In der Öffentlichkeit ist das Goethe-Institut dagegen vor allem für den Deutschunterricht im Ausland und die Sprachvermittlung bekannt. 269.000 Menschen lernen unter dem Dach der Goethe-Institute derzeit Deutsch, davon 141.000 in Präsenzkursen im Ausland. „Ich erlebe, welche bedeutende Rolle Sprache als kulturelle Brücke spielt“, erzählt Joost. „Gerade in Zeiten zunehmender Polarisierung, in denen unser freiheitliches Gesellschaftsmodell immer mehr unter Druck gerät, sind auch der Kulturaustausch und sind die lang gewachsenen Freundschaften und Netzwerke von großer Bedeutung.“ Zusammen vermittelten sie ein Bild von Deutschland. Als wichtige Themen nennt Joost den Kolonialismus und die Dekolonisierung: „An diesem wichtigen Themenkomplex bleiben wir dran“, so Joost. „Uns geht es um Verständigung, um einen Austausch auf Augenhöhe, ohne vorgefertigte Meinungen. Der Kolonialismus hat unsere Welt so tiefgreifend verändert, dass die Aufarbeitung gerade erst begonnen hat.“
Engagiert war Joost in der Vergangenheit unter anderem in der evangelischen Kirche. Sie gehörte der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an und trat für eine inklusive Gesellschaft ein, auch im digitalen Raum. „Als Goethe-Institut stehen wir für die Werte der Demokratie und des demokratischen Austauschs“, erklärt sie. „Der Freiheit kommt dabei eine besondere Rolle zu: Die Meinungsfreiheit, die persönliche Entfaltungsfreiheit. Oder, mit den Worten Hannah Arendts, die Freiheit, frei zu sein.“ Diese Grundsätze seien in der deutschen Debatte um die Meinungs- und Kunstfreiheit wichtig. „Ich beobachte mit Sorge, dass mitunter auch in Deutschland Veranstaltungsteilnahmen voreilig abgesagt werden“, sagt Joost. „Wir müssen den Austausch stärken, und auch andere Meinungen neben der eigenen Position zumindest wahrnehmen.“
Als zunehmende Herausforderung sieht Joost die sich zuspitzenden Krisenherde weltweit: „Für einige unserer Institute ist die Krise mittlerweile der Normalfall“, ganz aktuell gelte das beispielsweise für die Institute in Russland: „Wir wurden im Rahmen des Angriffskriegs auf die Ukraine von russischer Seite aufgefordert, die Zahl unserer Mitarbeitenden stark zu reduzieren“, berichtet sie. „In Sankt Petersburg und in Moskau geht die Arbeit in reduzierter Form weiter – und eine Mitarbeiterin hält noch die Stellung in Nowosibirsk“, sagt Joost. „Wir halten die Bibliotheken so lang wie möglich regulär geöffnet. Auch digitale Angebote wie zum Beispiel Sprachkurse bestehen weiter. Es ist der Versuch, die Verständigung nicht abreißen zu lassen.“ In der Ukraine setzt sich die Arbeit den widrigen Umständen zum Trotz fort. „Das Goethe-Institut in Kiew haben wir nie zugemacht. Die Sprachkurse finden online statt. Kultur spielt eine große Rolle. Die Konzertsäle sind voll – und bei Alarm geht es im Luftschutzbunker weiter“, so die Präsidentin. „Eine große Herausforderung ist auch die Arbeit im Nahen Osten seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023, dem Krieg in Gaza und der eskalierenden Gewalt in der Region. Wir haben Institute in Jerusalem, Tel Aviv, Ramallah und Beirut. Der Dialog steht auch hier für uns im Vordergrund – verschiedene Meinungen zuzulassen und wirklich zuzuhören. Das sind die Aufgaben des Goethe-Instituts aktuell. Es ist keine Option, dass wir nicht miteinander sprechen.“