Künstliche Intelligenz versus GottSchwächen gegen die Perfektion

In dem Heftchen „Gott 2.0“ geht es dem Islamwissenschaftler Ahmad Milad Karimi nicht darum, die Künstliche Intelligenz zu verteufeln. Er legt sein Augenmerk auf den großen Wurf, auf den einige Tech-Visionäre setzen: auf den Trans- oder Posthumanismus. Ersterer beinhaltet laut Karimi einen uneingeschränkten Techno-Optimismus. Der Mensch werde als defizitäres Übergangswesen angesehen, das durch Technik zur Perfektion geführt werden sollte. Gegen dieses quasi-religiöse Narrativ setzt er die Religion, die statt auf eine künstliche Superintelligenz auf einen Gott setze, der den Menschen mit all seinen Begrenztheiten annimmt und genau darin seine Bestimmung sieht.

Dem Transhumanismus geht es um die Überwindung des menschlichen Seins. Dem zur Seite stellt Karimi den Posthumanismus als die Überwindung des menschlichen Wesens, der also die Leiblichkeit, Intelligenz und Endlichkeit des menschlichen Lebens hinter sich lassen will, um zu einer Art postbiologischer oder übernatürlicher Existenz zu gelangen. Der Mensch schaffe dann mit der KI das Wesen, das ihn selbst überwindet, und das gar als ein geschaffener Gott bezeichnet werden könne. Für Karimi steht damit nichts weniger auf dem Spiel als der Mensch selbst. Die Frage, was der Mensch sei, sei vor allem eine theologische, da der Mensch in Gottbezogenheit lebe. Ergo müsse sich die Theologie gegen den Zeitgeist der Optimierung und Perfektionierung stellen und stattdessen eine Theologie der Imperfektabilität entwickeln.

Karimis Skepsis gegenüber einem Perfektionierungswahn lässt sich leicht zustimmen. Es wären nur Kriterien hilfreich, um förderliche von übergriffigen Entwicklungen zu unterscheiden. Zudem scheint „die Religion“ doch allzu gut wegzukommen. Karimi deutet die Theodizeefrage kein einziges Mal an und stellt Schwächen eher als Schrullen dar, statt näher auf körperliche Leiden und böswillige Menschen einzugehen. Die Annahme, dass „die religiöse Perspektive“ den Menschen stets wertschätzt, erscheint ebenso idealistisch. Wertschätzung gilt allzu oft nur Menschen mit mindestens der „richtigen“ Religionszugehörigkeit und Gottergebenheit. So wünscht man sich neben Karimis 10 Geboten zur Annahme menschlicher Schwächen auch ein Eingeständnis der Schwächen der Religion.

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Ahmad Milad Karimi

Gott 2.0Grundfragen einer KI der Religion

112 S., 7,00 € (D)