Reformen in der KircheVeränderungen leben

Mit Manifesten zum Thema kirchliche Reformen könnte man längst die Straße pflastern. Das Buch von Wolfgang Beinert ragt nicht nur deshalb aus der Menge heraus, weil sein Verfasser das Alter von 90 Jahren überschritten hat, sondern auch durch die erfahrungsgesättigte und theologisch grundsätzliche Art, in der er die Frage nach einer Reform der katholischen Kirche angeht. Beinert kann auf Jahrzehnte eines Lebens als Priester und akademischer Lehrer zurückblicken..

Inhaltlich bietet sein Buch keine Überraschungen: Die Stellung der Frau im Gefüge der katholischen Kirche spielt genauso eine wichtige Rolle wie die katholische Sexualmoral, die von nominellen und auch engagierten Kirchenmitgliedern spätestens seit „Humanae vitae“ von 1968 nicht mehr wirklich rezipiert wird, etwa in Sachen Homosexualität. Auch die Vorschläge, die Beinert für eine Überwindung der Krise im Einzelnen unterbreitet, sind nicht neu, sondern in großen Teilen der Theologie nicht nur hierzulande praktisch Gemeingut. Bemerkens- und lesenswert sind vor allem seine grundsätzlichen Ausführungen zum christlichen Freiheitsverständnis oder auch zum Verhältnis von Kirche und Demokratie. In diesem Zusammenhang formuliert Beinert schnörkellos: „Dass die Kirche keine Demokratie sei, ist ein trivialer und banaler Satz, der nichts zur Verfassung der Kirche aus- und besagt. Man sollte ihm im Blick auf den eigenen Ruf den Abschied geben.“

Beinert kommt zusammenfassend zu dem Schluss, wenige Gebiete der Lehre von der Kirche bedürften so dringend der Aufarbeitung wie das Thema der Rezeption; man müsse fordern: „Reform durch Rezeption.“ Reform der Kirche, so die Hauptthese des letzten Kapitels, könne logisch nur bedeuten, sich zu ihrer armseligen Größe zu bekennen, sie zu leben und Gestalt annehmen zu lassen im Handeln aller ihrer Glieder: „Christsein heißt ganz real: nackt dem nackten Christus nachfolgen.“ Solche Sätze könnten Anlass zu einer Gewissenserforschung auf allen Seiten der aktuellen kirchlichen Reformdiskussion sein, nicht zuletzt im deutschen Katholizismus. Wenn kirchlich-theologische Altersweisheit so daherkommt, verdient sie jedenfalls allen Respekt.

Anzeige: Geschichte der Päpste seit 1800. Von Jörg Ernesti

Die Herder Korrespondenz im Abo

Die Herder Korrespondenz berichtet über aktuelle Themen aus Kirche, Theologie und Religion sowie ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. 

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt gratis testen
Wolfgang Beinert

Die Form der ReformAnmerkungen zur Lage und Lehre der Kirche

Pustet Verlag 2024, 240 S., 24,00 € (D)