Johann Hinrich Claussen hat mit diesem Band ein kluges und gleichzeitig anschauliches Werk zu einem wichtigen Thema vorgelegt: Kunst. Den christlichen Glauben gibt es praktisch seit seinen Anfängen nicht ohne künstlerische Werke, die sich auf ihn beziehen oder von ihm angeregt wurden, seien es Gemälde, Altarbilder oder Skulpturen. Es ist eine spannende Angelegenheit, diese Geschichte durch die Epochen hindurch zu verfolgen und an einzelnen Beispielen, bekannten wie weniger bekannten, sichtbar zu machen.
Claussen wird dieser Aufgabe so kompetent wie ansprechend gerecht: Er lässt die Entwicklung der christlichen Kunst einschließlich ihrer Vorgeschichte im alten Israel in zwölf Kapiteln Revue passieren. Dabei berücksichtigt er geläufiges und herausragendes Anschauungsmaterial wie den Naumburger Lettner, den „Isenheimer Altar“ des Matthias Grünewald oder den „Tetschener Altar“ von Caspar David Friedrich, lenkt den Blick aber auch auf eine Trouvaille wie das „Erstlingsbild“ der Herrnhuter Brüdergemeine, das er neben die im kolonialen Mexiko entstandene Jungfrau von Guadelupe stellt. Er behandelt spektakuläre Einschnitte, etwa den byzantinischen „Bilderstreit“ oder die Bilderstürme der frühen Reformationszeit.
Das Zeitalter der modernen Autonomie von Kunst stellt eine grundlegende Zäsur für das Verhältnis von Kunst und Christentum dar. Claussen zeichnet in den letzten drei „Sälen“ seines Überblicks zunächst die romantische Wende mit ihrer „Kunstreligion“ nach, würdigt kritisch die neuere christliche Erbauungskunst und fragt schließlich nach „christlichen Spuren in einer Epoche, die Auf- und Abbruch, Krise und Revolution, Erfindung und Grenzüberschreitung auf Dauer gestellt hat“. In diesem Zusammenhang wirft er einen um Differenzierung bemühten Blick auf das Werk von Marc Chagall. Ein Ausblick gilt dem weiteren Weg von Kunst wie von Christentum, das in absehbarer Zukunft vor allem von charismatischen oder evangelikalen Bewegungen geprägt sein wird. Claussens These: Die Bilderfrage werde für das Christentum ihre zentrale Bedeutung behalten. Auch die neuen Christentümer müssten sich ein Bild von sich selbst, ihrem Glauben, ihrer Gemeinschaft, ihrem kulturellen Auftrag machen.