Wer mit dem Schiff von der Ostsee kommend die Trave hinauffährt, sieht sie schon von Weitem. Die sieben Türme der fünf Lübecker Altstadtkirchen St. Marien, St. Aegidien, St. Petri, St. Jakobi und des Doms zu Lübeck sind Teil des Weltkulturerbes der UNESCO. Denn sie zeugen von der großen Vergangenheit der „Königin der Hanse“, deren Kaufleute einst auf den Meeren Nordeuropas, zwischen Brügge und Bergen, Schonen und Nowgorod, zu Hause waren.
Die sogar auf Marmeladengläsern abgebildeten sieben Türme Lübecks bröckeln jedoch. Wer etwa den Dom besucht, erlebt seit Jahren einen abgesperrten Süderturm. Netze und Baustellenzäune sollen verhindern, dass Passanten von herabstürzendem Mauerwerk erschlagen werden. Und der Aufwand für den Erhalt der Altstadtkirchen ist immens: Rund zwei Millionen Euro pro Jahr kalkuliert der Kirchenkreis. Denn ein 70 Meter hoher Kirchturm lässt sich nicht mal eben so einrüsten. Ähnliches gilt für die Sankt Marienkirche, die als „Mutter der Backsteingotik“ gilt und das mit 38,5 Metern höchste Backsteingewölbe der Welt aufweist. Fertig werden die Lübecker Altstadtkirchen – ähnlich wie der Kölner Dom – vermutlich nie. „Wenn wir eine der Altstadtkirchen durchsaniert haben, müssen wir uns um die nächste kümmern“, sagt die für den Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg tätige Architektin Liane Kreuzer.
Für die Kirche ist das belastend. Denn Eigentümer der Gotteshäuser sind die jeweiligen Lübecker Kirchengemeinden. Und während im Mittelalter die ganze Stadt hinter den Kirchbauten stand und reiche Bürger mit ihren Stiftungen zu deren Ausschmückung und Unterhalt beitrugen, werden die Kirchengemeinden heute immer kleiner. In Lübeck will man deswegen ein breites Bündnis schmieden: Der Kirchenkreis, die fünf Altstadtgemeinden, das Land Schleswig-Holstein und engagierte Lübecker Unternehmer wollen in den nächsten Wochen eine Stiftung gründen. Unter dem Titel „Sieben Türme plus“ und der Schirmherrschaft des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck soll sie langfristig Geld für den Erhalt der Altstadtkirchen sammeln und vermehren. „Die Institutionen des Staates oder auch der Kirche sind ohne die Mitwirkung der Bürgerschaft vielfach überfordert“, sagt der ehemalige mecklenburgische Pastor Gauck in einem von den Gründern der Stiftung veröffentlichten Interview. Menschen, die sich für regionale Belange engagierten, würden damit auch zeigen, dass es wichtig ist, sich über das Eigeninteresse hinaus einzubringen. „Und davon lebt letztlich die liberale Demokratie.“