Stolperstein Missio canonica

Die Anforderungen zur Erteilung der kirchlichen Lehrerlaubnis führt vielfach zur Verunsicherungen. Wie kann die Kirche ihnen begegnen?

Ist die Missio nur ein Thema der Kirchengeschichtsforschung? 1848 wurde sie von Bischöfen im Zuge der Trennung von Staat und Kirche gefordert, im CIC von 1917 wird sie einmal erwähnt, in der Novellierung von 1983 nicht mehr. Die Bischofskonferenz erließ zuletzt 1973 eine Missio-Rahmenordnung für die zumeist bei Vater Staat beschäftigten Religionslehrerinnen, während sie in den fast fünfzig Jahren die Grundordnung für die bei Mutter Kirche Beschäftigten weiterentwickelte. (In diesem Text wird nur die weibliche Form verwendet, weil der überwiegende Teil der Religionslehrerschaft Frauen sind, Männer sind immer mitgemeint.) Für Religionslehrerinnen ist die Missio kein Geschichtsthema, sondern sehr gegenwärtig, nicht nur positiv; denn obwohl diese die Sendung für den Dienst stärken soll, erzeugt sie Unsicherheiten. Erstens: Was bedeutet mein Versprechen, in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche zu unterrichten? Zweitens: Die Bereitschaft, in der persönlichen Lebensführung die Grundsätze der katholischen Kirche zu beachten, betrifft in einer Partnerschaft nicht nur mich: Wenn es uns gemeinsam nicht gelingt, welche beruflichen Folgen hat das für mich? Schließlich drittens: Wie sicher kann ich sein, die Missio zu er- oder zu behalten und in anderen Bistümern zu arbeiten?

Religionslehrerinnen haben keinen leichten Job. Kirchenkritik macht nämlich vor Klassen- und Lehrerzimmertüren nicht Halt. Mit der in Mithaftung nehmenden Frage der Magd aus der Johannespassion: Bist Du nicht auch eine von seinen Jüngerinnen?, werden Religionslehrkräfte schultäglich konfrontiert. Leugnen hilft da nicht. Dass sie dennoch Gottesfrage und Evangelium in der Schule zum Thema machen, dafür gebührt ihnen Dank und Bestärkung der Kirche, auch durch Neuregelungen für die Missio, die theologische Entwicklungen seit 1973 aufgreifen und die Unsicherheiten minimieren.

Für den Politikunterricht gilt das Kontroversitätsgebot: Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers sein. Das sollte für den Religionsunterricht in der Schule entsprechend gelten. Was in Theologie und Kirche kontrovers ist, muss auch im Religionsunterricht kontrovers sein. Katechismus der katholischen Kirche oder Maria 2.0? Beides gehört in den Religionsunterricht. Wer so kontrovers unterrichtet, kann die eigene, theologisch begründete Haltung ohne Angst einbringen, und enthält Schülerinnen und Schülern nichts vor, sondern befähigt sie zu verantwortlichem Denken und Verhalten im Hinblick auf Glaube und Religion (Synodenbeschluss Religionsunterricht von 1974, 2.5.1).

Im Leben die Grundsätze der katholischen Kirche zu beachten, gilt für Religionslehrerinnen wie für alle anderen Getauften. Weil Menschen lieber auf Zeugen als auf Gelehrte hören, und wenn sie auf Gelehrte hören, dann deshalb, weil sie Zeugen sind (Paul VI., 1975, Evangelii Nuntiandi 41), sollten Religionslehrerinnen das, was sie lehren, auch leben. Doch wie alle Menschen bleiben auch sie hinter dem Ideal der Nachfolge Jesu zurück, verwirklichen Gottes Gebote nur graduell. Wer nicht das volle Programm des Evangeliums erfüllt, sagt damit aber nicht, dass das Teilprogramm schon genügt. Erst wenn eine Religionslehrerin einen in ihrem Leben auftretenden Widerspruch zum Ideal, wie es die Kirche lehrt, so darstellten, als sei er Teil des Ideals, oder wenn sie „etwas durchsetzen will, was sich von der Lehre der katholischen Kirche unterscheidet,“ kann sie „nicht den Anspruch erheben, Katechese zu halten oder zu predigen“ (Papst Franziskus, 2016, Amoris laetitia 295).

Die Anwendung des Prinzips der Gradualität kann vielen Religionslehrerinnen helfen, wenn ihre Partnerschaft nicht dem Ideal entspricht, zum Beispiel wenn sie nur eine zivile Ehe leben. Wird der Unterricht einer Religionslehrerin weniger glaubwürdig, wenn sie durch eine zivile Ehe Verantwortung für die Partnerin oder den Partner übernimmt? Im pastoralen Handeln müsse, so die Bischöfe zu „Amoris Laetitia“ 2017, deutlich werden, dass wiederverheiratete Geschiedene gerufen sind, „echte Zeugen Jesu Christi zu sein“. Was anderes wird von Religionslehrerinnen erwartet, als echte Zeuginnen Jesu Christi zu sein? Dass Religionslehrerinnen eigene Kinder taufen lassen und christlich erziehen, stärkt ihre berufliche Glaubwürdigkeit. Mit der Magdeburger Erklärung 2007 erkennen die beteiligten Kirchen die Taufe gegenseitig an. Wäre es nicht konsequent zu akzeptieren, wenn die Kinder einer Religionslehrerin, die eine konfessionsverschiedene Ehe lebt, der Kirche des Ehepartners angehören?

Wenn junge Menschen sich für ein Theologiestudium entscheiden, wissen sie meist weder ob und welche Partnerschaft sie eingehen werden, noch, wo sie einmal beruflich Fuß fassen werden. Wer Theologie studiert, investiert Lebenszeit. Jede vernünftige Investition braucht Planungssicherheit. Eine möglichst transparente und einheitliche Regelung für Verleihung, Verweigerung oder Entzug der Missio würden denen, die das Wagnis, Religion zu unterrichten, eingehen, Sicherheit geben.

Katholischer Religionsunterricht braucht Lehrkräfte, die von der Kirche beauftragt und fachlich qualifiziert sind, die kirchliches Leben aus eigener Erfahrung kennen und mutig sind, sich im öffentlichen Raum der Schule zu positionieren. Sie brauchen so viel Unterstützung der Kirche wie möglich und so wenig Reglementierung wie nötig.

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