Dieser Beitrag ist keine Kampfansage. Der Verfasser hat nicht im Sinn, den Islam in seiner tradierten Gestalt zu mindern oder seine muslimischen Glaubensgeschwister zu ärgern.
Die kulturräumlichen und ethnischen Signaturen des Islam in Deutschland, die aus Gründen zurückliegender und gegenwärtiger Migration sehr unterschiedlich ausfallen, haben ihre jeweils eigene Ästhetik. Sie stimmen manchmal aber auch nachdenklich, und zwar besonders dort, wo es zum Streit zwischen den Ideen kommt. Das betrifft zum Beispiel die Frage, ob sich, mit Blick auf seinen Entwurf im Koran, der Mensch durch Gott in die Bindung genommen oder freigesetzt sieht, oder inwieweit sich der verstehende und der glaubende Zugang zur Religion wechselseitig bedingen oder ausschließen. Solcher Streit ums Grundsätzliche hat in der islamischen Ideengeschichte eine alte und reiche Tradition. Viele der gegenwärtigen Islamdiskurse fallen hier aber leider zurück.
Die frischen Anfragen muslimischer Schülerinnen und Schüler, die den Verfasser im islamischen Religionsunterricht erreichen, hingegen nicht: „Gehöre ich dem Islam, oder gehört der Islam mir?“, wurde unlängst gefragt. Muslimische Kinder und Jugendliche stehen in ihrer Neugier und Lust auf die Erkundung existenzieller Orientierungsfragen anderen in nichts nach. Sie haben es nur öfter als andere mit einem sozialen Umfeld zu tun, das solchen Fragen unbeholfen gegenübersteht – leider auch dann, wenn es sich um ein dezidiert bekennendes Umfeld handelt.
Wer mit solchen Fragen beruflich zu tun hat, sieht sich in seinen gesichert geglaubten Orientierungspunkten immer wieder in Frage gestellt. Besonders davon betroffen sind die muslimischen Lehrkräfte, die jetzt nach und nach aus der regulären Lehrerbildung oder aus besonderen Fortbildungen in die Praxis entlassen werden. Der islamische Religionsunterricht wurde, wenn auch noch in Gestalt von Übergangslösungen, in einigen Bundesländern auf den Weg gebracht. Es zeichnet sich ab, was im Frühjahr 2005 auf der ersten bundesweiten Fachtagung in Stuttgart-Hohenheim zum islamischen Religionsunterricht vorgezeichnet (vgl. HK, Mai 2005, 239ff.) und auf einer zweiten Tagung 2007 bestätigt (vgl. HK, Juni 2007, 298ff.) wurde: Die muslimischen Lehrkräfte stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie ihre Schülerinnen und Schüler, gleichgültig ob sie Islamkunde im Norden oder Islamunterricht im Süden der Republik erteilen.
Sie müssen zwischen Standortzuweisung und Selbstpositionierung, zwischen der Erwartung anderer und derjenigen an sich selbst ihren Weg finden. Der Islam ist dabei keine „akademische“ Frage, sondern eine, die das Potenzial für Veränderungen in der personalen und sozialen Identität bereithält. Schüler und Lehrer beschreiten, dies zeigte die dritte Hohenheimer Tagung im Frühjahr 2009, ihre Lernwege gemeinsam, ohne genau absehen zu können, was am Ende dabei herauskommt – für den pädagogisch veranlagten Theologen ein glücklicher Zustand, für den Systematiker wohl eher nicht.
Der islamische Religionsunterricht spannt seine Themen in der Regel zwischen drei Bezugspunkten auf: die Sache, die er in den Raum stellt, die Person des Schülers, der der Sache gegenübertritt, und die Situation, in der diese Begegnung geschieht. Religion zu unterrichten hat viel damit zu tun, die Begegnung zwischen Schüler und Religion zu arrangieren. Das sind weiterreichende Dimensionen, als auf den ersten Blick hin erscheinen mag: Mit dem Unterricht als Situation im engeren Sinne sind auch die sozialen Szenarien im weiteren Sinne berührt, in denen die Schülerinnen und Schüler leben.
Der Beitrag zur muslimisch-religiösen Identität
Was also die politische Erwartung an den islamischen Religionsunterricht angeht, die Identität muslimischer Heranwachsender möglichst im Sinne der zivilgesellschaftlichen Partizipation zu stärken, muss als Zwischenfazit der dritten Hohenheimer Tagung von 2009 zunächst vorsichtig entgegengehalten werden: Identität ist eine auf Dauer angelegte Wanderbaustelle, und der Beitrag des islamischen Religionsunterrichts zu muslimisch-religiöser Identität ist noch nicht wirklich geklärt.
Klar scheint nur zu sein: Es kann sich nicht um einen Unterricht handeln, der versucht, den Islam im Sinne einer norma normans oder gar als Signum einer wie auch immer andersartigen sozialen Teilgruppe der Gesellschaft zu vermitteln. Dem entziehen sich die muslimischen Schülerinnen und Schüler ohnehin durch die inzwischen gut belegten Prozesse der Pluralisierung und Individualisierung ihrer religiösen Weltbilder. Sie fordern von der muslimischen Religionslehrkraft andere Antworten ein als vom Imam in der Moschee.
Die Wege, das eigene Leben als Muslimin oder Muslim zu gestalten, werden um so vielfältiger, je freier die Räume junger Menschen gehalten werden, solche Wege zu erproben. Das ist übrigens kein deutsches Phänomen, sondern eher ein Gradmesser urbaner Lebenskultur, der auch in Kairo oder Istanbul zu beobachten ist. Religiöse Rekonstruktionen sind also der Regelfall, nicht der Sonderfall.
Womit ein Konfliktfeld angeleuchtet wäre, das im Rahmen dieses Beitrags nicht weiter erörtert werden soll, dessen Grundton indes mitschwingt: Im Zuge von Migration wird Religion härter, Schriftexegese rigoristischer und soziale Ausgrenzung latenter; Muslim zu sein wird zu einer Frage der Zugehörigkeit zur Ethnie, zur Sprachgemeinschaft und zum Clan. Die konservativ Eingestellten unter den Funktionären migrantischer Organisationen in Deutschland befürchten, ihre wirkliche oder eingebildete Hoheit über die muslimischen Schäfchen zu verlieren – sofern es sich um Organisationen handelt, die gern als Religionsgemeinschaften im religionsverfassungsrechtlichen Sinne akkreditiert wären.
Profil vor allem durch gezielte Forschung
Sie misstrauen dem islamischen Religionsunterricht an der öffentlichen Schule, der islamischen Theologie und Religionspädagogik an den Universitäten und Publikationen wie zum Beispiel der Schulbuchreihe Saphir. Dabei gehen sie dem Expertendiskurs so weit wie möglich aus dem Weg, weil sie, natürlich nur im Sinne Max Webers, bestenfalls religiöse Virtuosen sind.
Was die pädagogischen Dimensionen von Sache, Person und Situation angeht, wird die islamische Religionspädagogik ihr Profil deshalb vor allem durch gezielte Forschung gewinnen müssen. Gemeint sind damit nicht Forschungswege, welche sie zur Sonderdisziplin für Sonderlinge machen, sondern der interdisziplinäre Zugriff, wie er bevorzugt an der Universität möglich ist. Mit Blick auf die Situation geht es dabei um empirische Unterrichtsforschung und um pädagogische Handlungsforschung, die durchaus darauf abzielen darf, das pädagogische Handeln zu professionalisieren.
Mit Blick auf die Person interessiert die Frage, inwieweit der Einzelne sein Bedürfnis nach Religion und seine Bereitschaft zur Religion entwickelt, und wie sich das Verhältnis von persönlicher Religiosität und Religion in ihrer institutionellen Form gestaltet. Hinsichtlich des Islam als der sachlichen Mitte des Unterrichts sind Impulse aus der theologischen Grundlagenforschung zu erwarten. An der Schnittstelle zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik tritt zum empirischen das konzeptionelle Denken hinzu.
Was den Islam angeht, stützt sich die theologische Grundlagenforschung gegenwärtig noch sehr stark auf ihr textwissenschaftliches Standbein. Nicht selten sind dabei erhebliche Anleihen aus der Islamwissenschaft zu verzeichnen, die jedoch nicht als theologische Disziplin zu verstehen ist. Die Querung kommt durch das gemeinsame Interesse am Koran als Textkorpus zustande. Diesem Zugang ist also eine gewisse Materialität zu eigen, was auf die islamische Theologie als denkende Wissenschaft kein gutes Licht wirft. Hier steht unverdrossen die Literalität muslimischer Koranhermeneutik und -exegese im Weg; die philosophischen Zugänge sind dadurch weitgehend blockiert.
Es muss einmal beim Namen genannt werden: Heutige islamische Religionsgelehrsamkeit kapriziert sich auf die Weitergabe der Religion anstatt ihrer Wiedergabe. Die Gründe dafür liegen in einer Art von Arroganz, die aus der Wahrnehmung des Korans resultiert: Seine Entstehung, wie auch die Entstehung des Islam, sind zu einem Teil der religiösen Lehre selbst gemacht worden. Sie erneut zu diskutieren, stößt auf Widerstände. Man hat sich in der Lesart eingerichtet, der Koran sei gegenüber anderen Schriften, besonders der Bibel, von menschlicher Hand unberührt und darum authentischer. Dabei wird verharrt.
Derlei mag als Frage des Glaubens dahingestellt bleiben. Die muslimischen Schülerinnen und Schüler der höheren Jahrgangsstufen werfen aber ein, dass sie ja nur in die Moschee zu gehen bräuchten, wenn es um Glaubensfragen ginge – im Religionsunterricht hätten sie einen Anspruch auf andere Antworten, vor allem wenn es um die Echtheit des Korans gehe.
Der Koran spielt im islamischen Religionsunterricht tatsächlich eine herausragende Rolle: Seine Bedeutung für den Islam wird in den Lehrplänen hervorgehoben, und den meisten Schülern tritt er im Rahmen inszenierter Religion als Kanon hermetischen Expertenwissens entgegen. Daraus resultiert oft eine verwirrende Mischung aus empfundener Nähe und Distanz zum Koran als dem „eigenen“ und dem „anderen“ Buch. Vielen muslimischen Lehrkräften geht es da nicht anders, weshalb das Koranverstehen und die Didaktik des Koraneinsatzes im Unterricht einen Schwerpunkt in der Lehrerbildung darstellen.
Was vielen jungen Muslimen vorenthalten bleibt: Wer den Koran liest, erfährt etwas über Menschen in einer anderen Zeit, und wer dem Koran zuhört und sich von ihm ansprechen lässt, erfährt etwas über sich selbst. Es will scheinen, dass der Koran keineswegs eine bestimmte Konstruktion des Islam vorschreibt, wie sie sich in den Konflikten um die religiöse Legitimation politischer Herrschaft in den ersten beiden Jahrhunderten nach Mohammeds Tod manifestiert hat. Vielmehr zeigt er unterschiedliche Wege zu religiösen Konstruktionen des Islam als Lehre und Lebensweise auf und bietet Wegmarken an, die helfen sollen, Fehlkonstruktionen zu vermeiden. Dafür stehen die Elemente des zeit- und kulturgeschichtlichen Kontextes Pate, in dem der Koran entstanden ist.
Hierin gilt der Koran als auf singuläre Art und Weise authentisch: Er ist echte „Rede“. Er ist „Schrift“ im Sinne der Quelle spiritueller und religiöser Erkenntnisse und Erfahrungen. Er ist aber auch „Text“ insofern, als er ein historisches Diskursdokument darstellt. In seine Textur sind spirituelle und religiöse Erkenntnisse und Erfahrungen aus einer anderen Zeit und einem anderen kulturräumlichen Gefüge verwoben. Im Koran sind vielfältige Hinweise darauf geronnen, um welche Verhältnisbestimmungen eine Gesellschaft gerungen hat, deren Menschen sich einer Religion der anderen Art zugewandt haben. Gemeint sind die Verhältnisbestimmungen zwischen Autorität und Autonomie, Lebensart und Religion, sichtbarer und nicht sichtbarer Religion, Subjekt und Gemeinschaft oder Gnade und Gerechtigkeit. Die gesamte Offenbarung des Korans in ihrer Phase der so genannten „Herabsendung“ (arabisch tanzîl, 610 bis 632 n. Chr.) dreht sich um solche Verhältnisbestimmung in den Dimensionen von Glauben, Denken, Reden und Tun.
Damit sind Themen beschrieben, die es erfordern, durch die Textoberfläche altprophetischer Erzählung durchzustoßen. Die Lernzielformulierungen für die Textarbeit mit dem Koran im Unterricht beginnen genau dann, wenn sich die benannten Verhältnisbestimmungen im Leben der Schülerinnen und Schüler wiederfinden. Die zwischen Autonomie und Autorität ist ihnen da schon bewusster, die zwischen Lebensart und Religion vielleicht noch nicht. Nur so lässt sich überhaupt erschließen, dass ihnen der Koran irgendetwas zu sagen hätte, was sie in ihrem Leben weiterbringt.
Die denkende Durchdringung des Korans erfordert aber die Berücksichtigung weiterer Zugänge, die in gewisser Weise den metatheoretischen Bezugshorizont darstellen. Der darf nicht nur Regie führen im Vorsprungswissen der Lehrkraft, sondern er muss zum Thema des Unterrichts gemacht werden. Keine Angst vor dem literaturkritischen Sezierbesteck, möchte man da denjenigen zurufen, die die Demontage des Heiligen befürchten. Es sollte genau andersherum sein: Mehr über den Koran zu erfahren hilft, ihm besser gerecht zu werden – gerade aus dem Blickwinkel frommer Hermeneutik heraus. Das würde dann auch dazu führen, den Koran zu erden, ohne damit seiner „himmlischen Herkunft“ Abbruch zu tun.
Für seine Verwendung im religionspädagogischen Szenarien kommt es dann auf weitere Verhältnisbestimmungen an, die wissenschaftlicher Bearbeitung bedürfen und die für die islamische Bildungsplanung von Bedeutung sind, zum Beispiel die des Übergangs von der mündlichen zur schriftlichen Tradierung des Korans als erzählter Wirklichkeit, mit allen institutionalisierenden Nebeneffekten sich vollziehender Literalität (der Übertrag in ein Symbolsystem; die Festlegung von Lexik, Syntax und Vokalisation im späten 7. und frühen 8. Jahrhundert n. Chr.). Nur so ist die prägnante Unterscheidung zwischen einerseits der Entwicklung des Korans als Schrift und andererseits seiner Entwickelbarkeit als Lehre zu bewerkstelligen. Es sind gerade seine Spuren der historischen Textentstehung, welche dann auch seine religiöse Lehrkraft unterstützen – also genau andersherum als von den Verlustängstlichen unter den Muslimen befürchtet.
Das hätte auch positive Rückwirkung auf die Wahrnehmung der Person Mohammeds: Der Korantext als Diskursdokument einer vielschichtigen Konfliktgeschichte gelesen, zeigt in aller Deutlichkeit auf, dass er ohne einen charismatischen Sprecher keinen Sinn ergibt. Aufgeklärte Zugänge können Berücksichtigung finden – auch ohne Beeinträchtigung, dass es sich beim Koran um die wortwörtliche Offenbarung Gottes handelt.
Störend mit Blick auf die regelgeleitete Reformulierung des Islam im Unterricht wirkt sich zudem aus, dass die theologische Wahrheitskonstruktion immer noch mit derjenigen historischer Wirklichkeit gleichgesetzt wird. Das trifft besonders auf die so genannten „Sunna“ zu, dem in der Textart des so genannten „Hadith“ verschriftlichten Lebensbeispiel Mohammeds. Im Zuge der rigorosen Auslegung religiöser Quellen oder aber im Zuge der ideologischen Vereinfachung von Religion führt diese Wahrnehmung zu einer Übersteigerung der Gestalt Mohammeds, die von jungen Musliminnen und Muslimen Besitz ergreift und sie blendet. All das schwächt letztlich zentrale Authentizitätsmerkmale des Korans als Text. Der Gewinn an Reproduzierbarkeit und Standardisierung der hermeneutischen Grundlagen unter Zuhilfenahme der Unterschlagung seiner realen Entstehungskontexte ist nur um den Preis eines erheblichen Verlusts an Information und Plastizität zu haben.
Neben der bezugswissenschaftlichen Rahmung islamischer Religionspädagogik als forschender Wissenschaft steht auch ihre Rolle als Prinzipienwissenschaft für das pädagogische und unterrichtliche Handeln im engeren Sinne, also die so genannte Didaktik. Die Religionspädagogik stellt keinen Lieferservice für eine fundamentale oder systematische Theologie dar. Dennoch bedarf sie gleichsam ihrer eigenen Konzeptionierung, die sie als Pädagogik erkennbar werden lässt. Ihr geht es um religiöse Bildung.
Orientierungswissenschaftlicher Anspruch
Bildung ist, einem klassischen Ansatz zufolge, die Selbstbildung des Subjekts; Erziehung ist jene Einflussnahme aus der Welt hin auf das Subjekt, welche Bildung und Sozialisation (seine aktive Aneignung von Welt) begünstigen. Ziel des islamischen Religionsunterrichts ist folglich nicht die „Vermittlung von Religion“ oder die „Erziehung zum Glauben“, sondern die Befähigung des Subjekts, sich zur Religion im Allgemeinen und zum Islam im Besonderen zu positionieren. Erst von hier aus sind die Standortbestimmungen von Pädagogik, Didaktik, Unterricht und Lernen möglich.
Islamische Religionspädagogik kann als eine besondere Art der „Anstrengung“ (arabisch idschtihâd) verstanden werden. Gemeint ist damit der orientierungswissenschaftliche Anspruch, um den guten Weg hinsichtlich islamischer Erziehung zu „ringen“. Eingefasst wird dieses Ringen durch die Weisungen des Islam als Religionslehre. In der Mitte des Interesses steht als ganz grundsätzliche Verhältnisbestimmung diejenige von Kind und Welt. Zum Kompetenzbereich islamischer Religionspädagogik gehört es, diese zu beschreiben, zu verstehen und vorauszusehen. Und sie will mehr, nämlich Wege ihrer positiven Beeinflussung beschreiten.
Mit „Welt“ sind die Menschen und die Dinge gemeint, denen die Kinder und Jugendlichen begegnen. Sie begegnen dabei natürlich auch sich selbst. Solche Verhältnisbestimmung geschieht im Kontext von Domänen, in denen sich Heranwachsende generell bewegen. Dabei geht es um mehr als nur um die „Felder“, wie sie in den pionierhaften Ansätzen der Entwicklungspsychologie der zwanziger Jahre nach Urie Bronfenbrenner oder Kurt Lewin beschrieben sind.
Zur Domäne gehört besonders das dynamische Moment, das heißt die zunehmende Bereitschaft und Fähigkeit, über diese Veränderbarkeit zu reflektieren, vor allem auch über die eigenen Möglichkeiten, gewünschte Veränderungen durch verändertes Verhalten zu bewerkstelligen. Das hat mehr mit der Frage nach persönlicher und sozialer Identität heranwachsender Musliminnen und Muslime zu tun und weniger mit Vokabeln wie „muslimischer“ oder „religiöser“ Identität. Deshalb kann eine Pädagogik des Islam kaum mehr als den Anspruch vertreten, einen spezifischen Beitrag zum Bildungsganzen zu leisten, der erst im Zusammenspiel mit anderen Beiträgen seine Wirkung entfaltet.
Konsequenzen für die Lehrerbildung
Was damit an Anforderungen auf muslimische Lehrkräfte zukommt und inwieweit die gegenwärtigen Ausbildungsgänge dazu geeignet sind, sie auf die Praxis des islamischen Religionsunterricht adäquat vorzubereiten, wird die Zukunft zeigen. Gegenwärtig steht auf der Agenda, noch sehr stark der theoretischen Konzeption islamischer Religionspädagogik verpflichtet, aber konzentriert auf den hier diskutierten emanzipatorischen Aspekt des islamischen Religionsunterrichts: Wer heute Islam in der Schule unterrichten will, muss den Islam in seinen grundlegenden Bezügen als Religionslehre sowie als historisches, kulturräumliches und gesellschaftliches Phänomen verorten können und den entsprechenden Kontext der Schriftgrundlagen in Grundzügen kennen.
Es wird verlangt, die Aussagen des Islam zu Gott, Mensch und Welt verstehen und reflektieren zu können. Muslimische Religionslehrkräfte müssen die Verhältnisbestimmung von Mensch, Mitmensch und Welt in ihrer sozialethischen Dimension beschreiben können (die globale und solidargemeinschaftliche Dimension; die Frage der innerislamischen Pluralität) sowie mit den Elementen des Islam in seiner Gestalt als sichtbare und praktizierte Religion und Lebensweise vertraut sein. Sie müssen zudem besonders den Zusammenhang von religiöser und kultureller Tradierung verstehen sowie Lehraussagen des Islam als Religionslehre mit Blick auf das Spannungsverhältnis von Historizität und gesellschaftlicher Aktualität beschreiben und bewerten können.
Mit Blick auf die berufsfeldbezogene Qualifikation wird schließlich erwartet, dass sie Islam und Unterricht im Gefüge erziehungs-, bildungs- und sozialisationstheoretischer Modellbildung begreifen, dabei weitere bezugswissenschaftliche Aspekte berücksichtigen und daraus die inhaltliche und methodische Progression ihres Unterrichts begründen.