In seiner Schrift „Sociobiology. The New Synthesis“ (Cambridge [Mass.] 1975) formulierte der renommierte Entomologe Edward O. Wilson ein Programm, in dem die Verhaltensbiologie auf eine neue Grundlage gestellt werden sollte. Nach der in den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren erfolgten Zusammenführung von Evolutionstheorie und Genetik verband sich damit der Anspruch auf eine neue biologische Synthese: nämlich menschliches Sozialverhalten auf Mechanismen der Evolution zurückführen und somit erklären zu können. Soziobiologie, so Wilson im Vorwort dieses Werkes, sei das systematische Studium der biologischen Grundlagen des sozialen Verhaltens, einschließlich des menschlichen (Sociobiology, 4). In dem drei Jahre später erschienenen Werk „On Human Nature“ (Cambridge [Mass.], 1978) entfaltete Wilson dann in der Tat eine Soziobiologie menschlichen Verhaltens. Die Soziobiologie befasst sich dabei nicht mit jeglichem Sozialverhalten, sondern insbesondere mit solchen Verhaltensweisen, die die wechselseitigen Verhältnisse zwischen Individuen bestimmen, wie etwa Aggression, elterliche Fürsorge, Manipulation oder Fortpflanzungsstrategien. Die über die Biologie hinausgreifende einende Wirkung dieses Ansatzes, die Wilson in „Consilience. The Unity of Knowledge“ (New York 1998; dt. Die Einheit des Wissens, Berlin 1998) noch einmal in Aussicht stellte, konnte jedoch weder hinsichtlich der Evolutionsbiologie noch der Sozialwissenschaften realisiert werden, noch vermochte sich die Soziobiologie selbst zu einem einheitlichen verhaltensbiologischen Forschungsansatz zu stabilisieren.
Verhaltensweisen werden letztlich als genetische Anpassungen betrachtet
Vor dem Hintergrund der uneinheitlichen Entwicklung der Soziobiologie können aber immerhin einige zentrale Grundzüge bestimmt werden. Die Erwartung, die eingangs genannten Ansprüche einlösen zu können, gründete sich auf die Verknüpfung der Verhaltensbiologie mit der Populationsgenetik und -ökologie sowie mit den von William D. Hamilton und Robert Trivers beschriebenen Konzepten der Verwandtschaftsselektion und des reziproken Altruismus. Damit sollte es möglich werden, dem mit den Mitteln des Evolutionsparadigmas schwer beizukommenden selbstlosen Verhalten von Individuen einen positiven Überlebenswert zuzuordnen, so dass es als Adaption erkennbar und evolutionsbiologischen Erklärungen zugänglich wird. Daraus ergibt sich der erste Grundzug der soziobiologischen Denkform: Verhaltensweisen werden letztlich als genetische Anpassungen betrachtet, nicht als phänotypische Modifikationen aufgrund von Umweltzwängen oder Tradierungsprozessen. Mit diesem Grundzug wurde eine Sichtweise favorisiert, die die Gene als für den gesamten Evolutionsprozess ausschlaggebend ansieht, was insbesondere Richard Dawkins in „The Selfish Gene“ (Oxford 1976; Das egoistische Gen, Berlin 1978) akzentuierte. Der zweite, außerhalb der Biologie am stärksten umstrittene Grundzug ergibt sich aus dem weit gesteckten, auch das menschliche Verhalten einbeziehenden Erklärungsanspruch der Soziobiologie. In Verbindung damit machte sie drittens erkennbar den Versuch, über die Fachwelt hinaus eine breite Rezeption anzuregen, wodurch sie zu einem umstrittenen Politikum wurde. Philip Kitcher hob diesen Charakter der Soziobiologie in seiner kritischen Schrift „Vaulting Ambition. Sociobiology and the Quest for Human Nature“ hervor und kritisierte sie dort als „Pop Sociobiology“ (Cambridge [Mass.] 1985, 14).
Alle drei Grundzüge sind kurz zu erläutern: Altruistisches Verhalten – das Hinnehmen von Überlebens- oder Fortpflanzungsnachteilen zugunsten anderer Individuen – ist im evolutionsbiologischen Paradigma ein vordergründig rätselhaftes und daher erklärungsbedürftiges Verhalten, hat dort doch der Überlebens-Imperativ uneingeschränkte Geltung. Eine Lösung, die das Auftreten von altruistischem Verhalten auch zwischen nicht genverwandten Individuen zu erklären vermag, ist der Altruismus auf Gegenseitigkeit, das heißt das Hinnehmen eines Nachteils oder einer Gefährdung in der Erwartung, dass sich der Begünstigte revanchieren wird. John Maynard Smith hat diesen Grundgedanken in „Evolution and the Theory of Games“ (Cambridge 1982) mitspieltheoretischen Mitteln verfeinert und damit eines der Standardmodelle entwickelt, das vielen soziobiologischen Erklärungsansätzen zugrunde liegt. Das aus der Insektenforschung stammende, aber auch darüber hinaus anwendbare Konzept der Verwandtschaftsselektion bietet daneben eine zweite Lösung an, die auf die Genverwandtschaft der beteiligten Individuen abhebt. Danach kann eine für das eigene Überleben nachteilige oder gefährliche Verhaltensdisposition – die sich etwa im Warnruf vor einem Fressfeind manifestiert – dann in einer Population überdauern, wenn der drohende beziehungsweise entstehende Nachteil durch den Profit, den genverwandte Individuen aus ihm ziehen, aufgewogen wird. Unter Zugrundelegung des Verwandtschaftsgrades, der die Wahrscheinlichkeit ausdrückt, mit der zwei Individuen einbestimmtes Gen teilen, lassen sich mögliche Verhaltensdispositionen mathematisch genau bestimmen. Dieses Konzeptermöglicht es, auf den ersten Blick dem im darwinistischen Denken vorausgesetzten Reproduktionsinteresse zuwiderlaufende Verhaltensweisen als letztlich doch einem solchen Interesse dienend aufzuweisen, und zwar nicht dem Interesse des Individuums, sondern dem der Gene. Die Gene mussten daher, auch wenn dies selten so ausdrücklich formuliert wurde wie in Dawkins’ „The Selfish Gene“, als Zielobjekt der Selektion angenommen werden. Angesichts der hierüber in der Biologie geführten Debatten ist dies jedoch eine Engführung, sprechen doch starke Evidenzen dafür, dass die Selektion am Individuum ansetzt. Diese Verknüpfung ist für weite Teile der Soziobiologie charakteristisch und begünstigt den postulatorischen Charakter sowie den desillusionierenden Gestus dieser Denkform. Mit dem Schritt, diesen Grundansatz auf das menschliche Sozialverhalten anzuwenden, rief die Soziobiologie dann massive Anfechtungen hervor. Hier stellte sich nicht nur das Problem, das Vorhandensein von – im Vergleich mit tierischem Altruismus – weitaus komplexeren Verhaltensweisen wie Rassismus, vielschichtigen sozialen Hierarchien oder Geschlechterrollen evolutionstheoretisch zu erklären. Darüber hinaus lastete der Verdacht des genetischen Determinismusauf dem Gesamtentwurf, trotz des zum Teil erheblichen Aufwandes, der getrieben wurde, um diesen Verdacht zu zerstreuen. Hier ist vor allem an das von Wilson zusammen mit Charles J. Lumsden verfasste Werk „Genes Mind and Culture. The Coevolutionary Process“ (Cambridge [Mass.] 1981) zudenken, wo unbeschadet der Auffassung, menschliches Handeln sei „letztlich“ durch die Gene bestimmt, eine eingeschränkte Autonomie kultureller Entwicklungen eingeräumt wird. Die Soziobiologie muss sich darauf beschränken, die im menschlichen Handeln erkennbaren stammesgeschichtlich gesetzten Rahmenbedingungen zu rekonstruieren, und ist zugleich gezwungen, deren sozialwissenschaftliche Relevanz auszuweisen. In Werken wie „Darwin’s Dangerous Idea“ von Daniel C. Dennett (New York 1995; dt. Darwins gefährliches Erbe. Die Evolution und der Sinn des Lebens, Hamburg 1997) oder„Die Natur des Menschen“ von Eckart Voland (München2007) wird diese Gratwanderung um den Preis vermieden, dass in ihnen offensiv ein deterministisches Menschenbild verfochten wird.
Die geistige Sphäre mit den Mitteln der Evolutionstheorie erfassen, um damit dem Begriff kultureller Evolution eine Bedeutung zu geben, ist auch das Ziel von Richard Dawkins Theorie der Meme. Er versteht unter einem Mem in Analogie zum Gen geistige Einheiten, die sich replizieren und untereinander um Überdauerung und Verbreitung in Gehirnen und Medien konkurrieren. Vom Ohrwurm über Kleidermoden bis hin zu Rechtssystemen können dieser Vorstellung zufolge alle Vorkommnisse geistigen Charakters als Meme bezeichnet werden. Was hier zunächst als Gedankenspiel präsentiert wurde, findet seit den neunziger Jahren vermehrt Aufnahme in der Soziobiologie, etwa durch Susan Blackmores „The Meme Machine“ (Oxford 2000; dt. Die Macht der Meme oder die Evolution von Kultur und Geist, Heidelberg 2000), aber auch durch Dennett. In seiner „Einführung in das (natur)wissenschaftliche Denken“ greift Hans Mohr (Berlin 2008) wie selbstverständlich auf dieses Konzept zurück. Das Mem-Konzept trägt jedoch ebenfalls deterministische Züge. Der Mensch kommt in ihm nicht als Akteur, sondern lediglich als Wirtsorganismus vor; der Wahrheitsbezug geistiger Leistungen wird negiert, wodurch der Evolutionsbiologie ein Erklärungsmonopol für geistige Vorkommnisse gesichert werden soll. So eingesetzt und mit wissenschaftlichem Anspruch vorgetragen, fungiert das Mem-Konzept als Naturalisierungsstrategie und manövriert die Soziobiologie in einen pragmatischen Selbstwiderspruch.
Massenmediale statt wissenschaftliche Logik
Die wissenschaftliche Diskussion um das Verhältnis von stammesgeschichtlichem Erbe und kultureller Entwicklung wurde erheblich erschwert, weil die Soziobiologie bewusst in den publikumsöffentlichen Diskurs eingebracht wurde und hier heftigen, nicht zuletzt politisch motivierten Widerspruch provoziert hat. Dabei ist festzustellen, dass der Widerspruch von biologischer nicht weniger als von sozialwissenschaftlicher Seite kam. Weil die Soziobiologie auf Präsentationsformen gesetzt hat, die mehr einer massenmedialen und weniger einer wissenschaftlichen Logik folgt, entzieht sie sich mindestens in Teilen der Kontrolle durch den wissenschaftlichen Diskurs. Nicht zuletzt wegen der historischen Erfahrung jener Gefahren, die von biologistischen Denkformen ausgehen, ist die Kritik angemessen und stellt keine unzulässige Politisierung wissenschaftlicher Forschung dar. Der auf rassistische, sexistische und antidemokratische Tendenzen lautende Vorwurf, der etwa gegen Wilson erhoben wurde, ist zwar keinesfalls pauschal gegen die Soziobiologie aufrechtzuerhalten, die Auseinandersetzung ist dennoch unverzichtbar. Darauf hat zuletzt Sebastian Linke aufmerksam gemacht (Darwins Erben in den Medien, Bielefeld 2007).
Aus der Beschreibung des soziobiologischen Grundansatzes wird ersichtlich, dass ein Dialog zwischen der Soziobiologie und der Theologie nicht leicht ist. Ansätze zu einer Auseinandersetzung mit ihr sind nur vereinzelt zu verzeichnen, angefangen von den Arbeiten von Klaus Demmer und Andreas Knapp in den achtziger Jahren bis zu denen von Christiane Junker und Caspar Söling, der diesen Dialog am intensivsten sucht. Zusätzlich erschwerend für eine sachbezogene Auseinandersetzung mit der Soziobiologie wirkt sich der seit einiger Zeit andauernde Streit über den „neuen“ Atheismus, an dem nicht zuletzt prominente Soziobiologen beteiligt sind, und über die Vorstellungen eines Intelligent Design aus. Die Bereitschaft zu naturwissenschaftlicher „Fremdprophetie“ innerhalb der Theologie vorausgesetzt, steht nach wie vor der Eindruck im Raum, die Soziobiologie strebe statt nach einer interdisziplinären Verständigung eine imperiale Besetzung anderer Wissensformen – wie beispielsweise der theologischen – an.
Als erster Schritt wäre demnach zu klären, ob ein Dialog überhaupt gewünscht ist. Denn wo Gott zu nichts als einer nützlichen Illusion oder zu einem um sein Überdauern kämpfendes Mem erklärt wird, wo in Religionen nichts als eine Quelle von Manipulation, Unterdrückung und Gewalt erblickt wird, wo grundsätzlich jede über das Faktische hinausgehende Bewandtnis der menschlichen Existenz geleugnet wird, kann vom Vorliegen eines solchen Wunsches schwerlich ausgegangen werden. Der entscheidende Punkt aber, an dem man auf eine grundlegende Gemeinsamkeit zurückgreifen können muss, wenn ein interdisziplinärer Dialog möglich sein soll, ist die Anerkennung einer konkreten, für sein Denken und Handeln effektiv relevanten Freiheit des Menschen. Diese Voraussetzung ist keine Setzung, sondern eine Erinnerung an die Sinnbedingungen gleichermaßen theologischer wie naturwissenschaftlicher Reflexion. Es führt buchstäblich zu nichts, wenn man namens der Evolution menschliche Subjektivität leugnet, deren komplexe Grundstruktur sich unter anderem im Modus wissenschaftlicher Forschung selbst manifestiert. Auf der anderen Seite darf in der theologischen Ethik nicht übersehen werden, dass menschliche Subjektivität stets verkörperte ist und als solche Bedingtheiten unterliegt, die – mit einem in der Soziobiologie verbreiteten Ausdruck zu sprechen – als Kränkung empfunden werden können.
Schwierigkeiten der Soziobiologie mit der Moral
Dialogmöglichkeiten lassen sich, dem Gegenstandsbereich der Soziobiologie entsprechend, in erster Linie auf dem Gebiet der Ethik ausfindig machen. Auch hier gilt, dass eine Generalabsage an die Sittlichkeit, die in ihr nichts anderes als Doppelmoral und Manipulation zu sehen bereit ist, keine Grundlage für einen Dialog bilden kann. Wegen der nicht selten festzustellenden saloppen oder polemischen Ausdrucksweise in der soziobiologischen Literatur ist nicht immer klar zu sehen, welche Position ein Autor in dieser Sache tatsächlich einnimmt. So können beispielsweise die Arbeiten von Gerhard Vollmer, Franz M. Wuketits, Bernhard Verbeek und Mohr mindestens bei strikter Lesart Zweifel an der Bereitschaft zum Dialog entstehen lassen. Die Unklarheit kann sich bis hin zu Widersprüchen steigern, wenn Voland in „Die Natur des Menschen“ allgemein eine „Moralprävention“ empfiehlt, weil Moral Verlierer produziere, und diese Empfehlung in den Dienst einer „aufgeklärten Humanität“ (33) stellt – womit wiederum eine moralische Haltung anerkannt wird.
Ein Grund für die Schwierigkeiten, die die Soziobiologie mit der Moral hat, liegt in einer Auffassung, der zufolge moralische Forderungen nichts anderes als Instrumente zur Steuerung von Sozialverhalten seien. Nur unter dieser funktionalistischen Voraussetzung ist etwa der in der soziobiologischen Literatur verbreitete Gedanke, moralische Forderungen würden „aufgestellt“, verstehbar. Und erst dieser Gedanke eröffnet die Möglichkeit, Moral grundsätzlich im Dienst unausgesprochener Interessen stehen zu sehen. Tatsächlich aber legt sich in der Moral – und auf wissenschaftlicher Ebene in der Ethik – das sittliche Selbstbewusstsein des Menschen aus. Es ist daher ein Missverständnis zu glauben, Sittlichkeit als solche könne willkürlich gesetzt oder radikal bestritten oder mit naturwissenschaftlichen Mitteln restlos erklärt werden.
Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass die Biologie zur Klärung von Einzelaspekten in der Ethik beitragen kann. Dass Genetik und Entwicklungsphysiologie in der moralischen Urteilsfindung – konkret: zur präzisen Beschreibung von Handlungsstrukturen und -umständen – etwa bei bioethischen Problemen eine unverzichtbare Rolle spielen, steht außer Zweifel. Für eine an einem ausgewogenen Menschenbild interessierte Soziobiologie lassen sich im Zusammenhang mit der Forderung nach einer „realistischen“ Ethik Anknüpfungspunkte für einen Dialog benennen. Danach könnte sie erstens einen Beitrag zur Erhebung von Implementierungsbedingungen für moralisch wünschenswerte Strukturen und Handlungsweisen leisten, ganz im Sinne dessen, was Immanuel Kant als empirische Sittenlehre bezeichnet hat. Zweitens wäre zu prüfen, ob sie Impulse zu Überlegungen zur metaethischen Frage „Warum überhaupt moralisch sein?“ geben kann. Im Sinne einer empirischen Sittenlehre lassen sich die Ausführungen Verbeeks in „Die Wurzeln des Krieges“ (Leipzig 2004) verstehen. Sie stellen im Grundzug den Versuch dar, die beobachtbare Neigung menschlicher Kollektive zur Gewaltanwendung gegen Gruppen, die als Feinde wahrgenommen werden, stammesgeschichtlich zu erklären. Ohne eine sozialwissenschaftliche Kriegsursachenanalyse ersetzen zu können oder zu wollen, werden lediglich ergänzend soziobiologisch erforschte Phänomene wie Prägungen und Territorialverhalten als Dispositionen namhaft gemacht, die kollektive Gewalt begünstigen. Entscheidend ist nun zweierlei: Erstens versteht Verbeek diese Dispositionen nicht als Bedingungen von bestimmten Ereignissen, hier der Anwendung von Gewalt. Es handelt sich vielmehr um Neigungen, die der Mensch als plastisches, lernfähiges Wesen – wenn auch mit Mühe – überwinden kann. Zweitens bleibt die einschlägige moralische Maxime unangetastet, nämlich Gewalt, wo dies möglich ist, zu vermeiden. Hält man dagegen, was Maria und Franz M. Wuketits beispielsweise in „Humanität zwischen Hoffnung und Illusion“ (Stuttgart 2001) zur Beurteilung der modernen Massendemokratie und zu den Menschenrechten darlegen, tritt die Qualität der Studie Verbeeks deutlich hervor. Neue Impulse für die Theologie sind dennoch einstweilen nicht erkennbar, sondern lediglich eine grundsätzliche Bestätigung des Bildes eines von seiner Gewaltneigung nachhaltig gezeichneten Menschen, das in der theologischen Friedensethik wie in der Theologie insgesamt längst gängig ist.
Ein zweiter Ansatz für einen Dialog zeichnet sich weniger deutlich ab. Er könnte sich aus dem Umstand ergeben, dass die Rekonstruktion der evolutionären Genese von Sittlichkeit nicht notwendig zu ihrer skeptischen Unterwanderung führt. Wie Sprache und Religiosität ist auch die Universalität von Moralität mit soziobiologischen Mitteln ausweisbar, und zwar ohne die herkömmliche Verzerrung in Richtung einer Gleichsetzung von Moral mit Manipulation oder moralischem Trittbrettfahrertum. Wilson hat den Weg in „On Human Nature“ bereits vorgezeichnet, als er die Moral dem limbischen System zuordnete und sie mithin als eine Sache des Gefühls bestimmte – dort allerdings mit der Neigung, sie sogleich für nichts als ein Gefühl zu erachten. Hierauf gründet sich die in der Soziobiologie oftmals in Anspruch genommene kritische Funktion des moralischen Gefühls. Es stellt sich jedoch die Frage, warum diese emotionalen Manifestationen einer moralischen Einstellung nicht in konstruktiver Absicht als stammesgeschichtliches Erbe aufgearbeitet werden. Charles Darwin selbst hatte an diesem Punkt weniger Berührungsängste, als er, von der zeitgenössischen Aufklärungsphilosophie inspiriert, mit dem „moral sense“ eine Instanz ursprünglicher moralischer Reflexion annahm.