Das Verbot der Leihmutterschaft ist richtigKeine Kapitulation vor den Verhältnissen

Immer mehr deutsche Paare erfüllen sich über eine Leihmutter im Ausland ihren anders nicht realisierbaren Kinderwunsch. Die Würde der Leihmutter wie auch des Kindes bleiben dabei allerdings auf der Strecke. Daran würde auch eine Zulassung in Deutschland nichts ändern.

Schwangere Frau
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Ungewollte Kinderlosigkeit können Paare als eine erhebliche psychische Belastung empfinden. Die Betroffenen nehmen oft hohe Kosten, medizinische Risiken und fragwürdige Methoden zur Erfüllung ihres Wunsches in Kauf.

Es gibt zunehmend einen gesellschaftlichen Konsens, diese Menschen bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches zu unterstützen, sei es über die teilweise Finanzierung der Behandlungen durch die Krankenkassen und die Bezuschussung durch den Staat, sei es dadurch, dass mehr und mehr Menschen Verständnis dafür haben, wenn Deutsche ins Ausland gehen, um dort über eine Eizellspende und eine Leihmutterschaft an ein Kind zu kommen.

Für das erhebliche emotionale Leid, das viele Paare bei einem unerfüllten Kinderwunsch empfinden, muss man Verständnis und Mitgefühl haben. Gleichwohl lässt sich daraus kein Recht im Sinne eines Anspruchs auf ein Kind ableiten, das berechtigt, die Interessen Dritter, wie die Interessen von Leihmüttern und Eizellspenderinnen, zu marginalisieren.

Denn auch andere Lebensumstände stürzen Menschen in tiefes Leid, wie zum Beispiel Partnerlosigkeit. So wenig, wie es ein Anspruchsrecht auf einen Partner gibt, so wenig gibt es auch ein Anspruchsrecht auf ein Kind. In beiden Fällen dürfen die Interessen Dritter nicht dem Interesse des Betroffenen untergeordnet werden und es dürfen keine Personen zur Erfüllung eines Wunsches instrumentalisiert werden.

Während dies bei Partnerlosigkeit jedem einleuchtet, ist es bei Kinderlosigkeit nicht der Fall. Ein missverstandenes Anspruchsrecht auf ein Kind hat gleichwohl viel weitreichendere Konsequenzen. Zum einen weil mehrere Personen – insbesondere vulnerable Personen, die ihre eigenen Interessen nicht äußern können – betroffen sind, zum anderen weil die Entstehungsbedingungen eines Menschen in einer besonderen Weise prägend für seine Entwicklung sind.

Für fragwürdige Kinderwunschmethoden, wie social freezing, genetische Tests am Embryo, Eizellspende und Leihmutterschaft, gibt es in der Öffentlichkeit immer mehr Zuspruch. Vielen gilt eine kritische Haltung als vorgestrig, unmodern und als „Kampf gegen Windmühlen“. Liegt die zunehmend positive Stimmung gegenüber den Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin – ketzerisch gesprochen – daran, dass mit ungewollter Kinderlosigkeit viel Geld verdient werden kann und die Kinderwunsch-Lobby in Deutschland und den Zielländern des Reproduktionstourismus gut aufgestellt ist? Liegt es an der Verführungskraft, mit technischen Möglichkeiten natürliche Grenzen zu verschieben, Kontrolle über die Schöpfung zu erlangen, den Faktor Alter zu umgehen, genetischen Disharmonien ein Schnippchen zu schlagen oder zwei Väter zu rechtlichen Eltern zu machen?

Käufliche Geburt

Die Geburt eines Kindes im Zeitalter immer weiter fortschreitender Reproduktionsmedizin wird auf den ersten Blick planbar, gestaltbar, verfügbar. Ein Kind ist nicht mehr ein Geschenk Gottes, eine Laune der Natur oder eine Fügung, nicht einmal ein Zufall. Mit verbesserten Methoden können genetische Defekte oder Probleme erkannt und zur Embryo selektion verwendet werden. In naher Zukunft ist mit der Möglichkeit von Korrekturen am menschlichen Genom, mit der Auswahl von bestimmten gewünschten Eigenschaften zu rechnen. Schon jetzt gibt es im Ausland das Angebot der Präimplantationsdiagnostik, bei der der Embryo nicht nur auf schweres Leid verursachende oder tödlich verlaufende Erkrankungen untersucht wird, sondern auch auf solche, mit denen es sich gut leben lässt, wie dem Down-Syndrom. Embryonen mit „Defekten“ beziehungsweise nicht erwünschten Eigenschaften werden aussortiert. Dies ist Eugenik, nicht mehr und nicht weniger – und es wird der Situation nicht gerecht, sich hier etwas anderes vorzumachen.

In Deutschland ist die Vermittlung von Leihmüttern mit dem Adoptionsvermittlungsgesetz sowie die Inanspruchnahme von Leihmüttern mit dem Embryonenschutzgesetz untersagt. Vereinbarungen über Leihmutterschaften sind nichtig. Somit können die Bestelleltern nach deutschem Recht weder das Kind herausverlangen, noch können sie gezwungen werden, das Kind als ihres anzunehmen.

Das Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland muss bestehen bleiben. Der zunehmende Reproduktionstourismus sollte nicht zum Anlass einer Kapitulation vor den realen Verhältnissen genommen werden, sondern es sollte nach Lösungen gesucht werden, die die Menschenwürde der ausländischen Leihmutter im Blick hat und schützt.

Leitgedanke der deutschen Regelung ist das Instrumentalisierungsverbot, das sich aus Artikel 1 des Grundgesetzes ableitet, sowie die Verhinderung der Spaltung der Mutterschaft in Trage- und genetische Mutter. Die „Tragemutter“ gilt als Mutter, da sie eine besonders enge körperliche und psychosoziale Bindung zum Kind während der Schwangerschaft hat.

In den Ländern Belgien, Großbritannien, Griechenland und in den Niederlanden ist allein die altruistische Leihmutterschaft, in Ländern wie Georgien, der Ukraine, Russland, Indien und einigen Staaten in den USA ist die kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt. Aufgrund des Verbots in Deutschland hat sich ein sogenannter Reproduktionstourismus entwickelt. Deutsche beauftragen in diesen Ländern Kliniken mit der Auswahl der Leihmutter; die Kliniken nehmen die Leihmütter dann unter Vertrag.

Problematisch sind dabei die Bedingungen: Die Leihmütter werden in vielen dieser Ländern weder angemessen aufgeklärt, noch erhalten sie die Möglichkeit, von der Vereinbarung zurückzutreten. In vielen Ländern besteht ein großes Machtgefälle zwischen den Frauen und dem juristischen und medizinischen Personal der Reproduktionsklinik. Fremdbestimmung bei der medizinischen Betreuung während der Schwangerschaft ist an der Tagesordnung. Manche Verträge sehen vor, dass Föten mit dem falschen Geschlecht oder dem Risiko einer Behinderung – auch gegen den Willen der Leihmutter – abgetrieben werden. Auch die Pflicht zur Reduktion von Mehrlingsschwangerschaften über Fetozid (Tötung mittels eines intra-uterinären Stiches in das Herz des lebenden Fötus) kann im Vertrag vorgeschrieben werden.

Viele der Frauen befinden sich in finanziellen Notlagen. Oft erhalten sie nur einen Bruchteil dessen, was die Reproduktionsklinik an der Vermittlung und Betreuung verdient. Zudem bestehen immer auch medizinische Risiken bei einer Schwangerschaft und Geburt sowie das Risiko, unter der Abgabe des Kindes nach der Geburt psychisch zu leiden. Konflikte hinsichtlich der Herausgabe des Kindes, wenn die Leihmutter eine emotionale Bindung aufgebaut hat oder die Bestelleltern das Kind ablehnen, können dramatisch sein. Was das Wissen darum, körperlich benutzt zu werden, um anderen Personen zu einem Kind zu verhelfen, mit einem Menschen macht, ist für kommerzielle Leihmutterschaften bei Frauen in prekären Lebenslagen wissenschaftlich bislang nicht untersucht.

Wie in der Prostitution verdienen im Leihmuttergeschäft Dritte sehr gut an der Ausbeutung des Körpers der Frauen. Im Unterschied dazu spielt bei Leihmutterschaft aber auch noch das Interesse des Kindes eine entscheidende Rolle. Denn es ist das eine, wenn eine erwachsene Frau in die Benutzung ihres Körpers einwilligt. Das andere ist, was es für das Kind bedeutet, von einer Frau ausgetragen worden zu sein, die es für Geld abgibt. Bindungen, die im Mutterleib allein schon durch die Physiologie eines gemeinsamen Versorgungssystems entstehen, werden aufgegeben. Auch der genetische Austausch, der sich nachgewiesenermaßen während der Schwangerschaft zwischen Kind und Tragemutter vollzieht, bleibt als genetische Erinnerung, die keine Anbindung mehr hat, bestehen. Die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen beginnt bereits im Mutterleib. Die Weggabe des Kindes an andere Eltern ist ein Bruch im Vertrauen auf die normalerweise lineare Entwicklung eines Kindes in der Nähe seiner leiblichen Mutter.

Die Adoption dient dem Wohl eines bereits vorhandenen Kindes. Die Erzeugung und Entwicklung eines Kindes mittels Leihmutterschaft aber dient dem Zweck der Wunscherfüllung der Bestelleltern. Anders als bei der Adoption gibt die leibliche Mutter das Kind nicht deshalb ab, weil sie nicht in der Lage ist, sich selbst um das Kind zu kümmern, sondern weil dafür Geld gezahlt wird. Das Kind wird sogar nur deshalb gezeugt, weil dafür bezahlt wurde. Mit Hilfe von Leihmutterschaft wird die Geburt eines Kindes käuflich.

Das Kind wird zum Objekt eines Rechtsgeschäftes. Ob es ein Bedürfnis hat, nach der Geburt bei seiner Leihmutter zu bleiben, zählt nicht. Wenn die Bestellmutter statt der Leihmutter in die ausländische Geburtsurkunde eingetragen wird, wie es zum Beispiel in der Ukraine auf Wunsch der Bestelleltern der Fall ist, dann wird die Abstammung verschleiert.

Die Forschung belegt aber, dass das Wissen um die Herkunft ein grundlegendes menschliches Bedürfnis ist und die Unkenntnis der Abstammung großes Leid auslösen kann. Das Kind ist in seiner Identitätsentwicklung und Persönlichkeitsfindung gefährdet, wenn seine Herkunft verschiedenen Müttern zuzuordnen ist: Eizellspenderin, Spenderin der mitochondrialen Bestandteile, Leihmutter und Bestellmutter.

Das Kind mit seinen Bedürfnissen wird zur Verfügungsmasse. Die kindlichen Bedürfnisse stehen hinter dem Wunsch der Bestelleltern zurück. Seine Entwicklung ist nicht mehr unverfügbar, sondern erfolgt unter Bedingungen, wie der der Gesundheit und – zum Teil – des Geschlechts.

Die Würde des Kindes

Angesichts des zunehmenden Reproduktionstourismus von deutschen Bestelleltern wird argumentiert, dass eine Auflockerung des Verbots der Leihmutterschaft in Deutschland verhindern helfen würde, dass ausländische Leihmütter, die sich in schwierigen Lebensumständen befinden, ausgebeutet werden.

Dagegen spricht Folgendes: Auch in Deutschland würde gelten, dass die Entstehung eines Menschen zum Vertragsinhalt wird. Das in Auftrag gegebene Kind würde genauso zum Objekt gemacht, sowohl von den Bestelleltern, von seiner Leihmutter und der Spenderin seiner genetischen Abstammung als auch von der Reproduktionsklinik, die daran erheblich verdient – ein Geschäft, von dem die Kliniken aufgrund der rechtlichen Bestimmungen zurzeit in Deutschland nicht profitieren können.

Leihmutterschaft widerspricht der Menschenwürde des Kindes. Das Kind wird zu einer technisch steuerbaren Sache, die gekauft und verkauft wird. Ob es von einer deutschen Leihmutter ausgetragen wurde oder von einer ausländischen Leihmutter, macht für das Kind keinen Unterschied. Hinsichtlich der Interessen der Leihmutter gilt: Auch in Deutschland gibt es prekäre Lebensverhältnisse, die Menschen dazu bringen, ihren Körper zu verkaufen. Auch in Deutschland würde die Gefahr bestehen, dass Frauen in finanzieller Not ausgebeutet werden.

Leihmutterschaft und Eizellspende muss in Deutschland ohne Ausnahmen verboten bleiben. Dies muss auch für altruistische Leihmutterschaften gelten, bei denen eine Freundin oder Verwandte das Kind für die ihr nahestehenden Wunscheltern unentgeltlich austrägt. Denn zum einen kann auch in diesen Kontexten Druck ausgeübt werden und zum anderen könnte nicht verhindert werden, dass unter dem Deckmantel des vermeintlich altruistischen Handelns in Wirklichkeit Geld fließt.

Es erstaunt, dass einerseits hohe Hürden bei der internationalen Adoption gelten, um Kinderhandel zu bekämpfen, und andererseits für Inanspruchnahme von Leihmüttern und Eizellspenderinnen zunehmend Verständnis aufgebracht wird. Würde eine Liberalisierung in Deutschland denn tatsächlich den ausländischen Frauen helfen, weniger ausgebeutet zu werden, und den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden?

Wahrscheinlicher ist doch das Szenario, dass es erstens denjenigen Bestelleltern, die wohlsituiert sind, erspart wird, ins Ausland zu gehen, dass zweitens die deutsche Reproduktionsmedizin eine zusätzliche Einkommensquelle hat und dass drittens diejenigen Bestelleltern, die weniger gut situiert sind, weiterhin die Kinder in den günstigen Drittweltländern in Auftrag geben. Die Aufhebung des Verbotes von Leihmutterschaft in Deutschland würde die Werteauflösung vorantreiben, die die Bewältigung von Kinderlosigkeit nicht mehr in der Verantwortung der Wunscheltern belässt, sondern auf Dritte überträgt. Eine Entpersonalisierung von Mutter- und Vatersein würde weiter voranschreiten.

Die Leihmutter wird zum Objekt reduziert

Der Reproduktionstourismus würde auch nicht einzudämmen sein, wenn in Deutschland Leihmutterschaft erlaubt werden würde. Eine Lockerung des Verbotes in Deutschland würde zwar den ausländischen Kliniken Marktanteile nehmen. Aber mit niedrigeren Preisen und der Möglichkeit, Embryonen mithilfe von Präimplantationsdiagnostik oder Föten mit Pränataldiagnostik zu selektieren, was in Deutschland verboten ist, würde es nach wie vor genug deutsche Bestelleltern geben, die einer Bestellung eines im Ausland hergestellten Kindes den Vorzug geben.

Deutschland muss bei dem Verbot von Leihmutterschaft bleiben – und außerdem alles tun, um die Stellung der ausländischen Leihmutter zu verbessern. Bislang werden die ausländischen Leihmütter von den Reproduktionskliniken abgeschirmt. Sie bekommen Verträge vorgelegt, die sie zu unterschreiben haben. Ihre Rechte sind weitestgehend beschnitten. Wie der Rechtsstreit Cook vs. Harding im US-Staat Kalifornien zeigt, werden dem zivilrechtlichen Vertrag Vorrang vor den Wünschen der leiblichen Mutter eingeräumt. In der Ukraine unterschreiben die Leihmütter die Einwilligung in die Adoption durch die deutsche Bestellmutter vor einem Privatnotar und bestätigen zum Beispiel auch, dass ihnen die Eizelle der Bestellmutter eingesetzt wurde – eine Tatsache, die eigentlich weder die Leihmutter noch der Privatnotar bestätigen kann. Offenkundig ist, dass die Privatnotare die Leihmütter nicht ordnungsgemäß aufklären.

Das Kind wird über den deutschen Vater zum deutschen Staatsbürger und hat (üblicherweise) einen Lebensmittelpunkt in Deutschland. Nach deutschem Recht wäre die Leihmutter als leibliche Mutter berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten und das Kind nicht herauszugeben. Sie hätte Anspruch auf das Sorgerecht oder gegebenenfalls Umgangsrecht mit dem deutschen Kind, aus dem sich dann auch ein Aufenthaltsrecht und spätere Unterhaltspflichten des Kindes gegenüber der Mutter ableitet. Zudem wäre sie als leibliche Mutter nach deutschem Recht erbberechtigt. Weitere Rechtsansprüche wären ebenfalls zu beachten.

Von der deutschen Rechtslage hat die ausländische Leihmutter in der Regel keine Kenntnisse. Hierüber wird sie weder von der ausländischen Klinik, dem Notar, dem Familiengericht noch von anderen staatlichen Einrichtungen im Ausland aufgeklärt. Eine solche Aufklärung ist daher als unvollständig zu bewerten. Eine Einwilligung der Leihmutter in die Übertragung des Sorgerechts auf den leiblichen Vater oder auf die Bestelleltern oder die Einwilligung in eine Adoption kann aber ohne vollständige Aufklärung im Sinne des informed consent nicht gültig sein. Denn in Kenntnis ihrer Rechte nach deutscher Gesetzeslage und der möglichen Vor- und Nachteile würde eine ausländische Leihmutter möglicherweise andere Entscheidungen treffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) befasst sich in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2014 nur mit der Freiwilligkeit, nicht aber damit, ob die der Entscheidung vorangehende Aufklärung über die deutsche Rechtslage erfolgt ist.

Die Annahme, dass die Leihmutter nach dem jeweiligen ausländischen Recht aufgeklärt wurde und daraufhin eingewilligt hatte, kann aber nicht reichen, sondern die Leihmutter muss auch Kenntnisse über die deutsche Rechtslage gehabt haben. Dies hätte aus unserer Sicht der BGH prüfen müssen.

Eine Leihmutter im Unklaren über ihre vollständigen Rechte darüber zu lassen, reduziert sie auf ein Objekt, das möglichst den Prozess nicht stören soll. Ein zentraler Faktor im Geschäft mit den Leihmüttern ist, dass sie berechenbar bleiben. Unberechenbarkeit ruiniert das Geschäft, Unberechenbarkeit macht die Frauen aber auch wieder zu einer eigenen Größe, mit der nicht beliebig verfahren werden kann. Unberechenbarkeit einer leiblichen Mutter gibt ihr wieder ihre Würde zurück. Sie ist eine Frau, die zumindest weiß, was sie tut oder unterlässt.

Eine Aufklärung sollte deshalb zukünftig durch die deutschen Auslandsvertretungen erfolgen. Die deutschen Auslandsvertretungen haben bei der Beantragung eines deutschen Passes für das Kind die Gelegenheit, die Leihmutter vorzuladen. Geschieht dies nicht im Ausland, wäre es durch die deutschen Standesbeamten bei der Ausstellung der deutschen Geburtsurkunde nachzuholen. Dies sollte unabhängig von einer eventuell anders ausgestellten ausländischen Geburtsurkunde erfolgen. Legen die Bestelleltern die wahren Hintergründe nicht offen, hätten deutsche Behörden auf Hinweise zu achten, die eine Leihmutterschaft nahelegen; das können zum Beispiel die Reise einer Deutschen in die Ukraine zum Zwecke der Geburt oder ein fehlender Mutterpass sein.

Soweit ein Adoptionsverfahren betrieben werden würde, hätte das deutsche Familiengericht sicherzustellen, dass die Einwilligung der ausländischen leiblichen Mutter vor einem deutschen Konsular- oder Standesbeamten nach einem Aufklärungsgesprächs durch diesen erfolgte.

Auch wenn die vollständige Aufklärung der Leihmütter unter Täuschungsabsichten der Bestelleltern oder der Reproduktionskliniken möglicherweise umgangen würde, ist es gleichwohl ein wichtiger Schritt dahin, die Menschenwürde dieser Frauen zu achten und sie als gleichberechtigte Vertragspartner auf Augenhöhe ernst zu nehmen. Zudem würde es gegebenenfalls auch diejenigen sensibilisieren, die die Dienste der Leihmütter in Anspruch nehmen. Sie müssten sich von Anfang an mit den Rechten der Leihmutter auseinandersetzen und sich bewusst werden, dass über sie nicht uneingeschränkt verfügt werden kann.

Wie aber ist damit dem Recht des Kindes auf Unverfügbarkeit geholfen? Leider nur bedingt. Werden sich Bestelleltern und Leihmutter auf Augenhöhe einig, ist zwar die Würde der Leihmutter – einigermaßen – gewahrt, aber das Kind bleibt Auftragsobjekt eines Herstellungsprozesses, sein Bedürfnis nach einer engen Bindung zu seiner leiblichen Mutter wird – für Geld – außer Acht gelassen.

Die Befürworter sagen, dass es für ein Kind immer besser ist, geboren zu sein, als nicht geboren zu sein. Insofern hätte das Kind diesen Nachteil in Kauf zu nehmen – wenn es den Selektionsprozess in der Petrischale und im Mutterleib überlebt hat.

Es sollte nachdenklich machen, wenn Erwachsene oder der Staat zu Interpreten des vermeintlichen Wohls der Kinder werden oder ihre Bedürfnisse marginalisiert werden, indem behauptet wird, dass sie ja froh sein können, überhaupt gezeugt worden zu sein.

Offen bleibt, ob man selbst unter solchen Umständen hätte gezeugt und ausgetragen werden wollen. Diese Frage müssen die Bestelleltern sich selbst und später ihrem Kind beantworten.

Auch wenn unser Vorschlag einer umfassenden Aufklärung der Leihmutter durch deutsche Behörden das Selbstbestimmungsrecht der Leihmütter stärkt, bleibt die Menschenwürde des Kindes als Objekt eines Rechtsgeschäftes angegriffen. Dies wird nicht geheilt. Insofern wäre ein wichtiges Ziel, Leihmutterschaft – auch gegen die monetären Interessen der Reproduktionsindustrie – weltweit einzudämmen. Statt vor den Verhältnissen zu kapitulieren, sollte in internationalen Gremien für eine Ächtung von Leihmutterschaft geworben werden.

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