Das Verhältnis von Gesellschaft und Kirche angesichts des ReformationsjubiläumsSelbstgenügsam?

Zuletzt hat sich eine erstaunliche Annäherung von evangelischer und katholischer Kirche angesichts des Reformationsjubiläums ergeben. Doch wo bleibt die Zivilgesellschaft bei dieser innerkirchlichen Verabredung?

Mehr als zehn Jahre vor dem Reformationsjubiläum 2017 wurde, seinerzeit unter dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Wolfgang Huber, im Jahr 2006 das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ veröffentlicht. Dieses vom Rat der EKD erarbeitete Papier hatte verschiedene Zielrichtungen.
Zum einen ging es darum, das evangelische Profil zu schärfen. Huber, eigentlich einer der Befürworter von Ökumene, wirkte ernüchtert von den Anstrengungen des ökumenischen Dialogs. Die stärkere Ausrichtung des Vatikans an einem Austausch mit den orthodoxen Kirchen tat sicherlich das Ihrige dazu, in der evangelischen Kirche den Impuls zu stärken, das spezifisch protestantische Profil zu schärfen. Ein weiterer Impetus war sicherlich die sinkende Zahl an Mitgliedern in den verschiedenen evangelischen Landeskirchen. Sie ließ einerseits die Sorge vor Finanznot wachsen und verlangte andererseits nach missionarischen Antworten, wollte man sich nicht damit abfinden, immer mehr Mitglieder und damit an Bedeutung und Einfluss zu verlieren.

Der 500. Jahrestag des Thesenanschlages an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg durch Doktor Martin Luther im Jahr 2017 bot die Chance, innezuhalten, zu reflektieren und zu bewerten, wo die evangelischen Kirchen heute stehen und welcher Veränderungsbedarf besteht. Er bot aber auch die Chance, sich gleichzeitig zu öffnen und auch außerhalb des klassischen kirchlichen Milieus wieder Boden gut zu machen.
Das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ wurde engagiert auf dem Zukunftskongress der EKD im Jahr 2007 in Wittenberg diskutiert. Zehn Jahre vor den Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags wurde von diesem symbolischen Ort ausgehend ein Diskussionsprozess zur Entwicklung der evangelischen Kirche in Deutschland angestoßen. Bei diesem Kongress wurden das Gespräch und der Kontakt mit jenen Akteuren gesucht, die der Kirche zwar durch den Glauben verbunden sind, aber in keiner institutionellen Verbindung stehen und kein Amt innehaben. Verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure waren eingeladen, mitzudenken wie eine Kirche der Freiheit aussehen könnte und sollte.

Auch wenn in Wittenberg bereits ein Unterschied zwischen ordinierten Geistlichen und allen anderen spürbar war, war dennoch das tragende Moment der Wunsch nach und der Wille zur Veränderung. Der Dialog und der Austausch mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren war dabei ein wichtiges Moment. Zum Ende des Zukunftskongresses bestand der starke Impuls, gemeinsam in den nächsten zehn Jahren die evangelische Kirche zu verändern, ihr Profil zu schärfen, sie als Dialogpartner zu platzieren.
Institutionell fortgesetzt wurden die Diskussionen in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche sowie in vom Rat der EKD eingesetzten Arbeitsgruppen. Bei der im Jahr 2009 in Kassel stattfindenden Zukunftswerkstatt wurden Ergebnisse dieser Beratungen und von Prozessen in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche vorgestellt. Auch zu dieser Zukunftswerkstatt waren Akteure aus der Zivilgesellschaft eingeladen.
Der in Wittenberg begonnene Aufbruch war aber bereits einem institutionellen Prozess gewichen, der als solcher nicht zu kritisieren ist, jedoch seine eigene, besonders auch nach innen gerichtete Dynamik hat. Reformation und Selbstgenügsamkeit verbanden sich.

Reformationsdekade – eine zähe Angelegenheit

Im Jahr 2008 wurde die Reformationsdekade eröffnet, in der bis zum Jahr 2017 ein Dialog zur Reformation geführt werden soll. Die Reformationsdekade sollte auch den Rahmen zur Fortsetzung des innerkirchlichen Reformprozesses „Kirche der Freiheit“ und des Austausches mit der Zivilgesellschaft bieten. Die Themenjahre sollten Debatten zu spezifischen Fragestellungen anstoßen.
Themenjahre waren und sind: 2008 Eröffnungsjahr; 2009 Reformation und Bekenntnis, unter anderem auch als Referenz zum Reformator Johannes Zwingli; 2010 Reformation und Bildung, mit einem Bezug zu Philip Melanchthon, dem großen Pädagogen der Reformation; 2011 Reformation und Freiheit; 2012 Reformation und Musik, mit einem besonderen Blick zu 800 Jahre Thomanerchor in Leipzig; 2013 Reformation und Toleranz; 2014 Reformation und Politik; 2015 Reformation – Bild und Bibel, unter Berücksichtigung von 500 Jahre Malerfamilie Cranach; 2016 Reformation und die Eine Welt; 2017 Reformationsjahr.Die Themenjahre sind eigentlich anschlussfähig an viele zivilgesellschaftliche Diskurse. Sie sind so offen formuliert, dass viele Institutionen sich einbringen können, zugleich bieten sie die Chance der Fokussierung und verhindern so Beliebigkeit.

Im Jahr 2016, also fast zum Abschluss der Reformationsdekade, bleibt allerdings der Eindruck zurück, dass sich die Dekade teilweise zieht wie ein lästiger Kaugummi, der an einer Schuhsohle klebt. Weder konnte der Anfangsimpuls, der Schwung des angestoßenen Reformprozesses kirchlicherseits in die Dekade überführt werden, noch gelang ein nachhaltiger Diskurs mit der Zivilgesellschaft. Die Dekade ist klebrig, mühsam wird sich zum großen Jahr 2017 vorgearbeitet, in dem die Reformation gefeiert werden soll.
Offen ist dabei zumindest für diejenigen, die nicht ganz nah dran sind: Was ist der Kern des Reformationsjubiläums? Ist es ein „Christusfest“, das evangelische und katholische Kirche gemeinsam feiern und den christlichen Glauben in einer stark säkularen Welt bekennen? Ist es ein historisches Ereignis, das mittels der großen Kirchenspaltung in der Neuzeit einen Unterschied zwischen dem katholischen Süden und evangelischen Norden hervorrief? Ist es ein touristisches Event, das Christen und Nicht-Christen aus aller Herren Länder an die Ursprungsorte der Reformation in Mitteldeutschland lockt? Ist es ein Kirchentagsereignis, das den 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag auch an einen Ursprungsort der Reformation zurückführt? Oder ist es endlich der Zielpunkt nach zehn Jahren anstrengenden Reformationsfeiervorbereitungen? Wahrscheinlich ist es von allem ein bisschen und das ist Chance und Gefahr in einem.

Staat und Kirche ohne Zivilgesellschaft?

Als die Wort-Bild-Marke „Am Anfang war das Wort. Luther 2017 – 500 Jahre Reformation“ von Kirche und Staat, unter Ausschluss der Zivilgesellschaft, vorgestellt wurde, schien kurz die Gefahr auf, dass auch das Reformationsjubiläum 2017 von einer altbekannten unseligen Allianz von Staat und Kirche geprägt sein könnte. Allzu oft wurde in Deutschland der Reformator Martin Luther politisch missbraucht und für landesherrschaftliche Zwecke eingesetzt. Zu denken ist etwa an das Reformationsjubiläum 1883 zum 400. Geburtstag Martin Luthers, das Luther zum Gründungsvater des Deutschen Reiches werden ließ oder an das Jahr 1917, 400 Jahre nach dem Thesenanschlag, in dem Luther genutzt wurde, um den Hass auf den „Erbfeind“ Frankreich zu schüren, ganz zu schweigen von der Indienstnahme Martin Luthers 1933, als er von den Deutschen Christen zum Vorboten Adolf Hitlers erklärt wurde. Dreizehn Jahre später, 1946 zum 400. Todestag, wurde Luther kurzerhand zum besten Tröster aller Deutschen gemacht. Luthers 500. Geburtstag im Jahr 1983 lud zum Wettstreit der beiden deutschen Staaten ein und Erich Honecker, nicht gerade ein ausgewiesener Christ, ließ es sich nicht nehmen, dem Festkomitee für die Feierlichkeiten in der DDR vorzustehen. In der Bundesrepublik übernahm der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel, seines Zeichens römisch-katholischer Christ, diese Aufgabe.

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen, wie auch der Deutsche Kulturrat, verfolgen daher mit Argusaugen die Verbindung von Staat und Kirche bei der Vorbereitung des Reformationsjubiläums. Dies trifft auch auf die Besetzung von Gremien zu. Dem Kuratorium, das die übergreifenden konzeptionellen und organisatorischen Entscheidungen zur Reformationsdekade trifft, gehören neben dem Vorsitzenden der EKD und Landesbischöfen, Bundesminister und Ministerpräsidenten der Länder sowie der Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg an. Der nationale Lenkungsausschuss hat die Aufgabe die staatlichen und kirchlichen Partner zu koordinieren. Ihm gehören Mitarbeiter aus Bundes- und Landesministerien, von Kommunen, evangelischen Landeskirchen, der staatlichen und der kirchlichen Geschäftsstelle sowie als Gast der Verfasser dieses Beitrags an. Der Wissenschaftliche Beirat versammelt in seinen Reihen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen. Seine Aufgabe ist die Ambivalenz der Reformation im wissenschaftlichen Diskurs zu erörtern.
Vereine und Verbände haben, abgesehen vom Gaststatus des Autors im nationalen Lenkungsausschuss, keinen Platz in den genannten Gremien. Es wurde damit eine Chance vertan, zivilgesellschaftliche Akteure von Anfang an in die Vorbereitungen des Reformationsjahres und die laufende Reformationsdekade einzubinden. Sie hätten einen spezifischen nicht-staatlichen und nicht-kirchlichen Blick in den Diskussionsprozess einbringen und die Aktivitäten ihrerseits in ihre Strukturen weitervermitteln können. Dieses hätte den Diskurs zur Bedeutung des Reformationsjubiläums bereichern und die Debatte verbreitern können. Diese Chance wurde vertan.

Christusfest – Protestanten und Katholiken feiern gemeinsam

Dabei bringen sich Vereine und Verbände durchaus in begrenztem Umfang „eigenmächtig“ in die Reformationsdekade ein. Das gilt zum einen für regionale und lokale Initiativen, die vor Ort Projekte durchführen und zum anderen für Verbände wie beispielsweise den Deutschen Kulturrat, der seit 2008 das Reformationsjubiläum publizistisch begleitet und in jeder Ausgabe seiner Zeitschrift „Politik & Kultur“ mindestens einen Beitrag zum Reformationsjubiläum veröffentlicht. Die bislang erschienenen Beiträge wurden im Jahr 2013 erstmals zusammen in einem Buch publiziert, das im Jahr 2015 in zweiter, erweiterter Auflage erschien. Darüber hinaus hat der Deutsche Kulturrat ein eigenes Dossier „Martin Luther Superstar“ veröffentlicht und führt in den Jahren 2016 und 2017 jeweils mehrere öffentliche Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum durch, die im Deutschlandradio und WDR3 ausgestrahlt werden. Dieses eine Beispiel zeigt, dass durchaus zivilgesellschaftliches Interesse und der Wunsch nach Beteiligung am Reformationsjubiläum besteht.

Nicht eingetroffen ist die Befürchtung, dass 2017 erneut zu einem zu engen Schulterschluss zwischen Kirche und Staat führt. Im Gegenteil, es verstärkt sich der Eindruck, dass Kirche und Staat nebeneinander her das Ziel Reformationsjubiläum mit einer jeweils eigenen Agenda verfolgen. Obwohl das Reformationsjubiläumsjahr mit Staatsakt und Gottesdienst am Reformationstag 2016 in Berlin beginnt und genau ein Jahr später mit einem weiteren Staatsakt und Gottesdienst in Wittenberg endet, haben die EKD und der Staat nicht zu einem gemeinsamen Programm gefunden. Hier hätte ein dritter Akteur aus der Zivilgesellschaft vielleicht Vermittlungsarbeit leisten können.
Dafür entwickelt sich eine erstaunliche Annäherung von evangelischer und katholischer Kirche zum Reformationsjubiläum. In einem Briefwechsel zwischen Kardinal Reinhard Marx und EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm aus dem Jahr 2015 schreibt der EKD-Vorsitzende: „Das Reformationsjubiläum 2017 ist im Kern ein Christusfest, das die Botschaft von der freien Gnade Gottes ausrichten will an das ganze Volk. Diese Grundintention der Reformation selbst ist für die EKD der Anlass, nicht allein alle traditionelle Polemik abzustreifen, sondern alle christlichen Kirchen und Konfessionen zum Mitfeiern einzuladen, selbst wenn sie ein anderes und kritischeres Bild von der Reformation und ihren Wirkungen haben. Die EKD hält diese Entgrenzung des Erinnerns über den polemischen Horizont hinaus für eine zukünftige Chance, das gemeinsame missionarische Zeugnis der Kirchen in einer säkularierten Welt zu befördern.“ Der Kardinal antwortete: „Mögen unsere gemeinsamen Verabredungen dazu beitragen, dass die Erinnerung an den 500. Jahrestag der Veröffentlichung der Ablassthesen zum Anlass für ein großes Glaubensfest wird und wir so der vollen sichtbaren Einheit der Kirche näherkommen, um die Jesus gebetet hat, damit die Welt glaubt (Joh 17,21).“ Soviel Einheit war lange nicht. Doch wo bleibt die Welt außerhalb der Kirchen, wo bleibt die Zivilgesellschaft bei dieser innerkirchlichen Verabredung?

Kirche – zwischen Staat und Zivilgesellschaft

Die evangelische Kirche nimmt eine Zwitterstellung zwischen Staat und Zivilgesellschaft ein. Anders als in nordischen Ländern, wie beispielsweise Norwegen oder Schweden, gibt es in Deutschland keine evangelische Staatskirche. Kirche ist also nicht Staat. Die Kirche ist aber auch nicht der Zivilgesellschaft zuzurechnen. Sie sind vielmehr öffentlich-rechtliche Körperschaften. Ihre „Mitgliedsbeiträge“, die Kirchensteuern, werden durch den Staat eingezogen. Darüber hinaus erhalten sie Staatsleistungen, die in der Weimarer Reichsverfassung abschließend geregelt und in das Grundgesetz aufgenommen wurden.
Auch wenn die evangelische Kirche selbst nicht der Zivilgesellschaft zuzuordnen ist, gibt es doch eine Reihe von kirchlichen Organisationen, die die Rechtsform des eingetragenen Vereins haben und sich selbst als zivilgesellschaftliche Akteure verstehen. Hierzu gehören im Kulturbereich auch kirchenmusikalische Vereine und Verbände, Organisationen aus der kirchlichen Bibliotheksarbeit, Theaterarbeit, Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und anderem mehr. Es gibt also eine Verbindung zwischen Kirche und Zivilgesellschaft, die gerade auch für das Reformationsjubiläum fruchtbar gemacht werden könnte, bislang aber viel zu wenig genutzt wurde.

Auch in anderen Zusammenhängen zeigt sich, dass die Kirchen, sowohl die katholische wie die evangelische, für sich einen Sonderstatus beanspruchen. So haben sich beide Kirchen in Positionspapieren kritisch zu den Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA (TTIP) geäußert, sie schließen sich aber den zivilgesellschaftlichen Protesten gegen diese nicht an.

Ein ermutigendes Beispiel für mehr Kooperation zwischen den Kirchen und der Zivilgesellschaft ist die im Frühjahr 2016 gegründete „Allianz für Weltoffenheit“. Der „Allianz für Weltoffenheit“ gehören an: Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, Deutsche Bischofskonferenz, Deutscher Gewerkschaftsbund, Deutscher Kulturrat, Deutscher Naturschutzring, Deutscher Olympischer Sportbund, Evangelische Kirche in Deutschland, Koordinierungsrat der Muslime und Zentralrat der Juden in Deutschland.
In einem gemeinsamen Aufruf „Die Würde des Menschen in unantastbar“ hat sich die „Allianz für Weltoffenheit“ für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat – gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt ausgesprochen. Es wäre sehr zu wünschen, das die Kirchen öfter auf Augenhöhe Bündnisse mit der Zivilgesellschaft eingehen würden. Nicht zuletzt für ein Großereignis wie das Reformationsjubiläum.

Reformatorische Kraft

So bleibt kurz vor dem großen Reformationsjahr der Eindruck zurück, dass die evangelische Kirche meist selbstgenügsam das Reformationsjubiläum begeht. Vom Aufbruch „Kirche der Freiheit“ ist kaum noch etwas zu bemerken. Das liegt wohl auch daran, dass der Aufbruch vor zehn Jahren auch eine Antwort auf die damals erwarteten stetig geringer werdenden Kirchensteuereinnahmen war. Doch trotz abnehmender Zahl an Kirchenmitgliedern sprudeln die Einnahmen aufgrund der guten Konjunktur in Deutschland. Die finanzielle Not scheint fürs erste gebannt, was braucht es dann noch weitreichende Reformen?Aus der „Kirche der Freiheit“ ist das Projekt „Kirche im Aufbruch“ mit seinen vier Zentren, Zentrum Mission in der Region, Zentrum für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst, Zentrum für Evangelische Predigtkultur, Zentrum für Führen und Leiten geworden. Doch dieser Aufbruch ist vor allem ein innerkirchlicher Prozess geworden. Ein reformatorischer Impuls für die gesamte Gesellschaft und vor allem die vielen großen und kleinen zivilgesellschaftlichen Akteure geht hiervon im Moment nicht aus. Und es ist auch nicht zu spüren, dass ihr eigener Impuls, sich in die Gesellschaft, in gesellschaftliche Debatten und Diskurse einzubringen, von der Kirche vollumfänglich wahr- und aufgenommen wird. Eine vielfach in eigenen Normen, Kirchenrecht und Verwaltungsvorschriften feststeckende, um nicht zu sagen, festgefahrene Kirche, lädt nicht zur Beteiligung ein. Der schwarze „Pfaffenrock“ schafft eher Distanz als Nähe. Der Abstand zwischen Ordinierten und „normal“ Gläubigen wird durchaus gepflegt und dies in einer Kirche, die das Priestertum aller Gläubigen predigt.

Das Reformationsjahr 2017 beginnt am 31. Oktober 2016 und endet am Reformationstag 2017, der in dem Jahr gesetzlicher Feiertag in allen Bundesländern sein wird. Dieses Jahr lädt geradezu ein, zu fragen, was aus der „Kirche der Freiheit“ geworden ist. Ist sie eine Kirche, die das Gespräch sucht und auch bereit ist strittige Debatten zu führen? Ist sie eine Kirche, die offen ist für Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren mit ihren eigenen Arbeitsweisen, Entscheidungsprozessen und Impulsen? Ist sie eine Kirche der Begegnung oder eine Kirche, die sich vor allem auf sich selbst bezieht und selbstgenügsam ist?
Es gibt eine ganze Reihe zivilgesellschaftlicher Akteure, die offen sind für Zusammenarbeit, für den Austausch und für einen reformatorischen Impuls für unsere Gesellschaft und nicht zuletzt die evangelische Kirche. Das Reformationsjahr 2017 sollte ein Jahr der Einladung zum miteinander diskutieren, disputieren und auch streiten werden. Daraus können Veränderungen in Kirche und Zivilgesellschaft angestoßen werden. Einer „Kirche der Freiheit“ stünde eine solche Offenheit gut an. 

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