Ex oriente lux

Sonnenaufgang
© Unsplash

Aus dem Osten kommt das Licht. Im Moment kann man mit Blick auf die Orthodoxie bestenfalls von Licht und Schatten sprechen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die orthodoxen Kirchen neu ins Rampenlicht gestellt. Die Vielfalt der Kirchen in der Ukraine ist im Bewusstsein angelangt. Vor allem aber gilt das Scheinwerferlicht der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, die die Politik Wladimir Putins ideell stützt und damit Grundüberzeugungen des Christentums verrät. Die höchst problematische Positionierung von Patriarch Kyrill, die sich im vergangenen Jahrzehnt bereits abzeichnete, hatte die innerorthodoxe Ökumene bereits schwer belastet. Jetzt zeigt sich die Zerrissenheit offensichtlicher denn je.

Auch andere orthodoxe Kirchen stehen durch eine ethnische Grundstruktur in der Gefahr, sich zu stark von nationalen Interessen leiten zu lassen. Belegt wird hier, wie Religion ein zentraler politischer Faktor sein kann, dessen Bedeutung trotz der zurückgehenden Kirchenbindung in Europa virulenter wird. Das gilt nicht zuletzt für die Konflikte im Nahen Osten, in denen die mehrheitlich orthodoxen und altorientalischen Christen zerrieben zu werden drohen. Umso wichtiger, die Kirchen des Ostens genauer kennenzulernen.

Ex oriente lux: Das entspricht der Sichtweise des Westens. Die Polarität von West und Ost als platte Gegenüberstellung ist meist ein viel zu einfaches Schema, um über die orthodoxen Kirchen zu reden. Es beginnt eben mit den altorientalischen Kirchen, die sich nicht erst im Jahr 1054, sondern bereits nach den großen Konzilien in der Spätantike abspalteten. Einen Sonderfall stellen die unierten Kirchen dar, die zwar liturgisch und kulturell Kirchen des Ostens sind, den Papst aber als Oberhaupt anerkennen. Viele Kirchen des Ostens haben seit Längerem aufgrund von Migration weltweit Gemeinden und Diözesen aufgebaut. Allein in Deutschland wird inzwischen die Zahl der orthodoxen Christen auf drei bis mehr als fünf Millionen geschätzt. Die Orthodoxie wird neben den beiden schrumpfenden, noch großen Kirchen immer wichtiger.

Die Bilder dieses Heftes zeigen Ikonen, die für die orthodoxe Spiritualität zentral sind. Gemalt auf Munitionskisten, spiegeln sie die Spannung der Orthodoxie zwischen brutaler militärischer Auseinandersetzung und ihrer lebendigen geistlichen Tradition wider. Auch darüber hinaus lässt sich von der Orthodoxie Wesentliches für ein tieferes Verständnis des christlichen Glaubens lernen. Das beginnt mit der gelebten Synodalität, die im Katholizismus erst seit Jüngstem wieder verstärkt auf der Tagesordnung steht, geht über eine tiefgreifende Schöpfungsspiritualität und endet nicht bei Impulsen aus der Liturgie, die beispielsweise über Taizé auch bei uns wirksam geworden sind. Ex oriente lux!

Wohin steuern die Kirchen des Ostens? Welche Rolle können die orthodoxen und altorientalischen Kirchen angesichts der aktuellen Situation in den ökumenischen Gesprächen spielen? Und was wird das Jubiläum des Konzils von Nizäa vor 1700 Jahren leisten können, wonach die Kirchenspaltungen ihren Lauf nahmen? Auf diese und viele weitere Fragen geben die Autorinnen und Autoren dieses Heftes Antwort. Wir danken ihnen herzlich dafür.

Die Redaktion wünscht eine anregende Lektüre!

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

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