Kein Karnevalszug, keine Leitartikelseite, keine Rede über Papst Franziskus kommt ohne Karnickel und das verkorkste Zitat über das Schlagen von Kindern aus. Es scheint, als ob die mediale Öffentlichkeit nicht genug bekommen könne von den vermeidlichen oder wirklichen Fehlern eines Papstes, der bislang atemberaubend sicher durch die Medienlandschaft gegangen ist. Über eine Stunde eine freie Frage-und-Antwort-Stunde beim Rückflug von Rio de Janeiro, ein romanhaftes Interview eines italienischen Journalisten, freie Rede immer und immer wieder, und Papst Franziskus machte keine Fehler. Es war, als ob die Welt in Bann geschlagen war und bewundernd bis begeistert auf den Mann schaute, der so ganz anders kommuniziert, als wir das von Päpsten gewohnt waren.
Jetzt endlich, möchte man fast sagen, also ein Fehler: Würdevolles Schlagen von Kindern wurde aus den Papstaussagen gedreht, bis hin dazu, dass eine Schweizer Tageszeitung „Papst würde eigene Kinder schlagen“ titelte. Was Papst Benedikt XVI. in einem Brief einmal „sprungbereite Feindseligkeit“ nannte, erwachte zu neuem Leben: der Wille, Papstäußerungen auf Biegen und meistens auf Brechen so zu lesen, dass ein möglichst großer Skandal entsteht.
Wie aber spricht und kommuniziert dieser Papst? Wenn man verstehen will, worum es ihm geht und was er will, muss man auch auf die Art des Ausdrucks achten. Denn die erste Lektion aus dem Pontifikat Bergoglio ist, dass der Papst nie losgelöst von einer Situation und von einer Absicht kommuniziert. Er will etwas auslösen. Wenn man das nicht mitbedenkt und nur abstrakt die Worte zur Kenntnis nimmt, ist die Gefahr groß, dass man nicht mitbekommt, was sein eigentliches Anliegen ist und dass man so aus der Kommunikation, die er aufbauen will, herausfällt.
An drei Kommunikationsfeldern lässt sich dieses zeigen: Zuerst sind da die informellen Sprechsituationen, das freie Reden und Predigen. Dann wird natürlich auf das Apostolische Schreiben „Evangelii Gaudium“ und die formaleren Texte zu schauen sein. Drittens soll es um die sprechenden Zeichen gehen, die der Papst setzt.
Der Papst nutzt gerne Ironie, um etwas deutlich zu machen
Über das gesamte erste Pontifikatsjahr hinweg waren die Morgenpredigten in dem immer noch Gästehaus genannten Gebäude Santa Marta im Vatikan die Texte, die am meisten nachgefragt und gelesen wurden. Bei den Besucherzahlen auf der Webseite von Radio Vatikan konnte man das ablesen, auch dass einige andere Webseiten die Texte – ohne Quellenangabe – übernahmen, ist ein Zeichen für Interesse. Rückmeldungen aus den USA und Kanada, aus Lateinamerika und den Philippinen sagen außerdem, dass das überall so ist. Eine indische Zeitung hat sogar lange Zeit diese kurzen geistlichen Texte in Hindi übersetzt und abgedruckt, eine säkulare indische Zeitung wohlgemerkt.
Dieses Interesse hat zwar nachgelassen, die Predigten sind aber immer noch die Kommunikationsform, bei der man dem Denken und Beten von Papst Franziskus am nächsten kommt. Sie entstehen beim Morgengebet, das der Papst sehr früh hält; bei der Predigt spricht er frei und aus diesem Gebet heraus.
Veröffentlicht werden nach Absprache mit dem Papst eine Zusammenfassung und drei Originalzitate für das Radio, auch im Audio. Nach anfänglichen Unsicherheiten hat sich herausgestellt, dass der Papst gerne Ironie benutzt, um etwas deutlich zu machen. Ironie überlebt aber meistens die Verschriftlichung nicht und schon gar nicht die Übersetzung, ein witzig gemeinter Satz gerät schnell zu einer „Fundamentalkritik an der Vatikanbank“ oder dergleichen, deswegen die Verkürzung und Zusammenfassung.
Mittlerweile hält der Papst diese Messen in einem normalen Rhythmus von vier Tagen in der Woche. Hier fallen fast jedes Mal die farbigen und kräftigen Sprachbilder, die sein Predigen auszeichnen. „Museums-Christen“, „Fledermaus-Christen“, „Kirche ist keine Zollstation“, „aseptische Priester, die aus dem Labor kommen“, solche Aussagen kommen immer wieder. Das hat aber weniger eine analytische Absicht, Franziskus will in seinem Sprechen etwas erreichen.
Seine Predigten, und hier lassen sich die übrigen, frei gehaltenen Predigten und Texte einschließen, sind so etwas wie Kurzexerzitien. Wer sich zurückzieht und geistliche Übungen macht, der spürt in sich Regungen, Wünsche und Bewegungen, die man in der Unruhe des Alltags nicht immer wahrnimmt. In der auf den Gründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola zurückgehenden geistlichen Tradition geht es nun darum, diese inneren Regungen anzuschauen und zu „unterscheiden“, also daraufhin zu prüfen, wo Gott steckt und was Gott sagen will.
Mit seinem Sprechen will Papst Franziskus solche „inneren Regungen“ wachrufen. Und es gelingt ihm regelmäßig. Die Sprachbilder wecken Lachen oder Lächeln, Protest, Unruhe, Nachdenken, auf jeden Fall sind sie alle unmittelbar einsehbar, noch bevor das analytische Nachdenken einsetzt. Und das hat solche Regungen zur Folge. Ignatius lehrt, dass in solchen inneren Bewegungen Gott erkennbar ist, wenn ich in den Dialog mit ihnen und mit Gott trete. Das will der Papst anregen.
Wenn er etwa auf den Karrierismus eingeht oder auf Klerikalismus, dann klingt das so: „Der Legalismus, das starre Festhalten an Paragrafen und Vorschriften gewinnen die Oberhand“. Er spricht davon, dass sich „Priester und klerikalisierte Laien“ des Tempels bemächtigen. „Wenn es im Volk Gottes keine Prophetie gibt, dann ist da eine Leere, die vom Klerikalismus besetzt wird: Gerade dieser Klerikalismus ist es, der an Jesus die Frage richten lässt: ‚Mit welcher Vollmacht tust du das alles?’ Und das Gedächtnis der Verheißung und die Hoffnung, vorwärts zu gehen, werden allein auf die Gegenwart zurückgeschnitten: Es gibt weder eine Vergangenheit noch eine auf die Hoffnung ausgerichtete Zukunft. Die Gegenwart ist: dem Gesetz entsprechen. Wenn sie dem Gesetz entsprechend ist, dann gehst du weiter“ (Predigt vom 16. Dezember 2013).
Natürlich beschreibt der Papst in diesen Worten eine Wirklichkeit, wie er sie wahrnimmt. Aber er beschreibt sie so, dass jeder und jede sofort fast schon kopfnickend oder -schüttelnd darauf reagiert. Wichtig ist weniger die analytische Durchdringung als das Einbeziehen der Hörerinnen und Hörer.
In diesem Zitat wird auch etwas anderes deutlich: der ständige Verweis auf das „weiter“. Papst Franziskus ist ein Papst der geistlichen Dynamik, auf nichts kommt er so oft zurück wie die in sich verkrümmte Kirche, die nicht aus sich herausgeht. Das Zitat aus dem Vorkonklave taucht in diesem Zusammenhang immer wieder auf: Jesus klopft an die Tür der Kirche, um herausgelassen zu werden.
Auch das ist ein sehr jesuitischer Zug: Mit Gott in einen Dialog zu treten, bedeutet immer, einen „Auftrag“ zu bekommen, also Gottes Willen zu begegnen. Nicht als Gesetzestafel, sondern als Dialog und Anfrage. Ganz konsequent enden das Sprechen des Papstes und die von ihm gewünschten Reaktionen darauf immer in der Dynamik und den von ihm so geliebten Verben der Bewegung: aufstehen, aus sich herausgehen, aufbrechen, gehen, begleiten, verlassen, sich aufmachen.
Bei Predigten oder Ansprachen außerhalb des Rahmens der Morgenmesse werden die von ihm gewünschten pastoralen und geistlichen Absichten meistens dann besonders deutlich, wenn er vom vorbereiteten Text abweicht. Das hat dann meistens zur Folge, dass man geradezu ein Ringen zwischen dem freien und dem vorbereiteten Textteil mitbekommt. Abgelesen fehlt der Sprache oft die Dynamik, sowohl in den Worten als auch in der Art des Vortrages. Verlässt der Papst aber den Text, und sei es nur für einige kurze Wiederholungen oder rhetorische Mittel, dann kommt die Spannung in seine Sprache. Meistens ist es das rhetorische „è bello, no?“, das rhetorische Abfragen der Zustimmung der Hörer, das sie einbezieht.
Oder er beginnt einen Dialog mit sich selber, der immer mit dem Aufgreifen von Widerständen gegen das Gesagte beginnt: „Aber Pater, ist das nicht...“, und dann antwortet er im Stil eines Seelsorgers auf die von ihm selber vorgebrachten Einwände. Hier entstehen spontane Textstücke, die an einen Prediger vor einer kleinen Gruppe erinnern, auch wenn der Papst gerade vor 60 000 Menschen auf dem Petersplatz predigt. Wenn ihm etwas ganz wichtig ist, dann kennt er auch das Mittel der Betonung jeder einzelnen Silbe: So-li-da-rie-tà, Solidarität wird so immer wieder als ein christliches Wort geradezu physisch aufgedrängt, könnte man meinen.
Diese Textstücke stehen dann aber manchmal gebrochen neben den vorbereiteten Textstücken, der Papst muss dann zurück in den Gedankengang der Predigt, von dem er sich gerade entfernt hatte. Das ist nicht weiter tragisch, zeigt aber, dass er selber die von ihm vorgetragene Dynamik mitgeht und nicht zurückdrängt, wenn ein Gedanke aus ihm herausdrängt.
Zu diesen Weisen der Kommunikation gehört auch das, was die Welt beim ersten Auftritt des Papstes auf der Loggia von Sankt Peter so in Bann geschlagen hat: das „guten Abend“. Damit baut er Kommunikation auf und Distanzen ab. Auch andere rhetorische Mittel haben den Zweck, eine Distanz abzubauen. „Guten Tag“ ist der ganz normale Gruß zwischen Menschen, damit nimmt der Papst dem Setting etwa beim Angelusgebet die streng formale Dimension, ironisiert sie etwas ohne sie abzuwerten und kann ganz anders kommunizieren.
Viele von diesen rhetorischen Formen und inhaltlichen Absichten finden sich auch in der zweiten Kommunikations-Gattung: die formalen Texte. Sein Apostolisches Schreiben „Evangelii Gaudium“ (EG) aus dem Jahr 2013 steht dabei an vorderster Stelle. Es ist ein offizielles kirchliches Dokument, das sich aber so ganz anders liest als alle anderen. Bei welcher Verlautbarung einer Bischofskonferenz kann man schon einmal laut auflachen?
Papst Franziskus schreibt an alle, das wird schon in seiner Sprache deutlich. Sie ist weder von dem Stilmittel geprägt, das sonst vor allem vatikanische Texte unlesbar macht, nämlich dem andauernden Zitieren von Bibelstellen und Vorgängerpäpsten. Das soll Wertschätzung der Tradition und Kontinuität zeigen, schafft kommunikationspragmatisch aber Hürden. So etwas liest sich nicht einfach. Papst Franziskus hingegen schreibt deutlich.
Er wendet sich auch direkt an Leser und Leserin, spricht sie mit „ihr“ direkt an. Er bittet um Entschuldigung dafür, dass er einen Neologismus einführt, das spanische Wort „primarear“. Er hätte es vermeiden können, stattdessen nutzt er es – und nutzt die Entschuldigung dafür, direkte Kommunikation aufzubauen. Solche Neologismen seien etwas Typisches für Buenos Aires, wie einige Kenner in ihren Biografien von Jorge Mario Bergoglio anmerken. Der Papst will offenbar auch in formalen Texten seine Art zu kommunizieren nicht nur nicht verleugnen, sondern offensiv nutzen.
Auch der Aufbau der Themen ist immer von einer direkten Ansprache oder dem Aufgreifen konkreter Situationen begleitet, wenn der Papst etwa von der Hierarchie der Wahrheiten spricht (EG 36), folgt direkt darauf ein Beispiel aus dem Alltag eines Predigers (EG 38).
Spätestens dann, wenn er im Text dazu auffordert „noch heute“ die persönliche Begegnung mit Christus zu suchen, wird auch deutlich, dass dieser Text – und ceteris paribus alle eher formalen Texte – dieselbe Dynamik zur Grundlage haben, die der Papst auch in seinen spontanen und frei gehaltenen Ansprachen und Predigten abruft. Es geht darum, dass sich etwas innerlich bewegt. Die Aufforderung ist nicht moralisch gemeint, sie kommt nicht mit einem Zeigefinger daher. Sie soll im Leser und in der Leserin die Frage aufrufen, wie es eigentlich steht zwischen Jesus und mir. Sie soll den Wunsch wecken, solch eine Begegnung wirklich zu haben. Und das alles, gleich wie die Antwort auf die inneren Regungen ausfällt, ist immer der Beginn eines geistlichen Prozesses, wenn man es denn nicht versanden lässt.
An dieser Stelle muss auch die Ansprache genannt werden, die Papst Franziskus zum Abschluss der Versammlung der Bischofssynode im Oktober 2014 gehalten hat. Ausgiebig hat er dort das Kirchenrecht in Bezug auf die Vollmachten des Papstamtes zitiert, was in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich war. Weder ist das Kirchenrecht ein öfters von ihm zitierter Text, noch ist der Verweis auf die Autorität seines Amtes ständig präsent. Inhaltlich hat er damit noch einmal das aufgegriffen, was er zu Beginn gesagt hatte, nämlich dass der Papst die Einheit sicher stelle, dass man also getrost offen diskutieren könne und auch solle. Der Papst schütze den Zusammenhalt, deswegen müssten sich nicht die Diskutanten darum bemühen und sie als Argument benutzen. Gleichzeitig zeigt sich aber an dieser Stelle auch, dass im Sprechen von Papst Franziskus seine theologische Bildung sichtbar wird.
Wie Kardinal Reinhard Marx in einem Interview mit der Jesuitenzeitschrift Etudes (auf deutsch nachlesbar auf der Webseite der „Stimmen der Zeit“) sagt, beruht zum Beispiel diese Ansprache gedanklich auf den Überlegungen eines französischen Jesuiten, Michel de Certeau (gest. 1986). Man findet Romano Guardini und Henri de Lubac, zum Beispiel in der Figur der „spirituellen Weltlichkeit“. Der oft nur leise vorgetragene Vorwurf, Papst Franziskus würde einfach nur reden, da sei nichts dahinter, lässt sich deswegen nicht halten.
Vor allem in den formalen Texten kann man ablesen, was ihn geprägt hat. Zu nennen wären etwa die Vertreter der „Theologie des Volkes Gottes“, verkürzt gesagt der argentinischen Version der Befreiungstheologie, wie etwa Lucio Gera. Zu nennen ist das Dokument der lateinamerikanischen Bischöfe von 2007, nach seinem Entstehungsort „Aparecida“ genannt, an dem Kardinal Bergoglio als Redaktionsleiter maßgeblich mitgewirkt hat.
Um den Papst genauer zu verstehen, ist es jedem Fall wichtig, dass man auch in seine Quellen und Bezugspunkte hineinschaut. Wer zum Beispiel Michel de Certeau liest, der wird dem Sprechen von der „Peripherie“ noch ganz andere geistliche und kirchliche Dimensionen abgewinnen können, als es bei Papst Franziskus auf den ersten Blick den Anschein hat.
Eine dritte Ansprache darf nicht unerwähnt bleiben: Die Ansprache an die Kurie Weihnachten 2014, die unter dem verkürzenden Titel der „fünfzehn Krankheiten“ bekannt geworden ist. Leider sind fast nur diese „Krankheiten“ rezipiert worden, so dass die gesamte Dynamik des Textes zu kurz kam. Der Form nach war das ein Beichtspiegel oder die Ansprache eines Exerzitienbegleiters, der auf Fallstricke hinweist, auf die man aufpassen muss.
Über das Sprachfeld der „Krankheit“ kann man streiten, für Alzheimer und Schizophrenie können die Betroffenen nichts. Aber abseits von diesen Überlegungen war allen Hörern im Raum und darüber hinaus klar, worum es hier geht. Noch bevor die analytische Vernunft einsetzt, sind die inneren Bewegungen angesprochen. Fast automatisch musste man bei sich selber suchen oder eben die Ansprache komplett ablehnen, um ja nicht suchen zu müssen. Das ist die Kraft, die im geistlichen Sprechen Papst Franziskus’ liegt, man kann sich dem kaum entziehen, wenn man sich denn darauf einlässt.
Drittens ist noch die symbolische Ebene zu nennen, die Papst Franziskus in seiner Kommunikation nutzt. Er steigt in Betlehem vom Wagen und geht an die Trennmauer, die Israel errichtet hat. Dort verweilt er im Gebet in einer Haltung, die Klage, aber nicht Anklage ausdrückt. Es ist übrigens dieselbe Haltung, die er einen Tag später in Jerusalem an der Westmauer – der so genannten Klagemauer – auch einnimmt. Er wäscht in einem Jugendgefängnis am Gründonnerstag Insassen die Füße, darunter einer Nichtchristin. Er nutzt kleinere Autos als die normalerweise im Vatikan gebräuchlichen und setzt sozusagen das U-Bahn-fahren in Buenos Aires symbolisch fort. Er legt die roten Schuhe und den roten Umhang, die Mozzetta, ab. Er umarmt Menschen, bei denen jeder normalerweise erst einmal ganz automatisch zurückzucken würde.
Menschen, die ihn seit langem kennen, erkennen dort Jorge Mario Bergoglio wieder. Das ist kein Spin, wie wir es aus dem öffentlichen Leben bei Politikern, Stars und allen anderen Kommunikatoren gewohnt sind. Das ist echt und authentisch und deswegen glaubwürdig. Diese Art des Verhaltens gibt es sonst kaum noch, in unserer Medienwelt ist alles kalkuliert und gesetzt. Nicht so bei Papst Franziskus. Dieselben Leute weisen allerdings auch auf die Tatsache hin, dass sie all das bei Erzbischof und Kardinal Bergoglio im kleinen Rahmen gesehen haben, dass er die große Bühne, die er als Papst so souverän bespielt, früher ausdrücklich vermieden hat.
Papst Franziskus spricht auch gerne vom Teufel
Die große Symbolik ist also neu, sie gehört Papst Franziskus, Kardinal Bergoglio hat niemals Interviews gegeben, die Massen umarmt und ganz bewusst Kamera und Öffentlichkeit gesucht.
Aber auch hier der Rückverweis darauf, dass das kein Spin ist. Nehmen wir den Besuch nach Lampedusa: Der hatte keinen „Zweck“ außer, dass er Flüchtlinge besuchen wollte. Mythen ranken sich im Vatikan um diese Reise, er habe den Flug ursprünglich selber buchen wollen und so weiter. Wahr oder nicht, es zeigt, dass er nicht eine politische Aussage über Bande spielen wollte und Kritik an Europa der eigentliche Zweck war. Der Zweck war der Besuch, und gerade das hat in einem zweiten Schritt die symbolische Aussage so kräftig gemacht. Dasselbe gilt von Betlehem, von den Gebeten für Frieden mit Palästinensern und Israelis in den Vatikanischen Gärten, es gilt von roten Schuhen, Autos und Umarmungen. Papst Franziskus tut das, nicht um einen bestimmten Effekt zu erreichen, sondern weil er es für richtig hält. Und genau das macht diese Weise der Kommunikation so kraftvoll und fast unwiderstehlich.
Zum Abschluss darf der Verweis auf etwas nicht fehlen, was uns normalerweise verstören würde. Papst Franziskus spricht gerne und oft vom Teufel. Machen wir das Gedankenspiel einer Papstpredigt über den Teufel von Benedikt XVI. dann fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass der Spiegel die Titelseite freiräumt, um das medial zu würdigen. Wir dürfen bei Papst Franziskus nicht den Fehler machen zu glauben, das sei irgendwie lateinamerikanisch und deswegen für uns nicht so wichtig. Hier spricht letztlich wieder der geistliche Mann der Exerzitien.
Papst Franziskus will auch dadurch innere Bewegung schaffen, oder um an dieser Stelle ein anderes von ihm geschätztes Wort anzuführen: Er will Unruhe. „¡Hagan lío!“ ruft er den argentinischen Jugendlichen bei seinem Besuch in Rio zu, „macht Unruhe“. Die Aufforderung ist nicht neu, so oder in anderer Form kommt sie immer wieder vor, besonders aber nicht nur an junge Menschen gerichtet.
Hier liegt der Kern der Kommunikation des Papstes: Er will Unruhe, innere wie auch äußere. Er will, dass sich etwas bewegt, innerlich und geistlich, aber auch mit Blick etwa auf Flüchtlinge oder Krieg. Und Papst Franziskus nutzt seine Sprache und sein Sprechen, solche Unruhe auszulösen.
Das ist nicht immer einfach zu verstehen, meistens hat die Unruhe beziehungsweise die Dynamik, die er auslösen will, auch kein vorgefertigtes Ziel. Sie ist offen, christlich gesprochen für die Kraft, die der Papst wohl für eine Kommunikation an erster Stelle in Anspruch nehmen würde: für den Heiligen Geist.