Vom Priestertum im Alten Testament zum christlichen AmtAusgesondert zum Dienst

In der Ausgestaltung seiner Ämter greift das Christentum auf das Priestertum des Alten Testaments zurück. Im Neuen Testament übernimmt der Messias Jesus das priesterliche Amt Israels, das in der Kirche weiterlebt.

Gemälde von Jesus Christus
© Dieter Schütz/ pixelio.de

Maschiach (Gesalbter), griechisch christos, werden im Alten Testament zwei Figuren genannt: der Hohepriester heißt in Lev 4,3.5.16 haKohen haMaschiach, „der Messiaspriester“, „der gesalbte Priester“, und der König ist nach 1Sam 24,7.11 „der Gesalbte des Herrn“. Tatsächlich werden im Alten Testament zuerst Aaron und seine Söhne von Mose zu Priestern gesalbt (Ex 29,7; 30,30). Später salben Samuel und der Priester Zadok die Könige Saul, David und Salomo (1Sam 10,1; 16,13; 1Kön 1,39). In 1Kön 19,15f. salbt der Prophet Elija Könige für Aram und Israel sowie den Propheten Elischa. Priestertum und Königtum sowie im Einzelfall auch Prophetentum sind die drei Ämter, die durch Salbung übertragen werden. Noch in Qumran werden für die Endzeit ein Prophet und zwei „Gesalbte“ erwartet, der priesterliche Messias aus Levi und der königliche aus Juda (1QS IX 11; CD XIX 10f.).

Der Messias als König, Prophet und Priester

Im Neuen Testament ist Jesus der Messias, dem ein Prophet wie Elija vorangeht, Johannes der Täufer (Mt 11,14; 17,10–12). Die Ämter des Messias aber vereint Jesus alle in seiner Person. Alle Evangelisten stellen ihn als „Sohn Davids“ und König vor (Mt 1,1; Mk 10,47; Joh 7,42; Röm 1,3) – bis hin zum Kreuzestitulus. Nach Joh 19,37 definiert sich Jesus vor Pilatus selbst so: „Ich bin ein König“. Zugleich machen alle Evangelisten klar, dass Jesus in der Reihe der alttestamentlichen Propheten gesehen wurde (Mt 13,57; Mk 6,4.15; Lk 9,8.19; Joh 7,40.42). Und Jesus selbst reiht sich unter die Propheten Israels, wenn er über sich sagt: „Ein Prophet darf nicht außerhalb Jerusalems umkommen“ (Lk 13,33). Dass Jesus der Messias ist, ihm also (wenn auch in besonderer Ausprägung) das davidische Königtum zukommt und dazu das Prophetenamt in Israel, ist offensichtlich.

Nicht in gleicher Weise deutlich ist die Verbindung Jesu zum Priestertum Aarons in der Bibel. Und doch ist sie gegeben. Am ausdrücklichsten spricht der Hebräerbrief von Jesu Hohepriestertum. Er problematisiert zunächst ausdrücklich die Tatsache, dass Jesus nicht aus dem Priesterstamm Levi kommt: „Es ist ja bekannt, dass unser Herr aus Juda entsprossen ist; und über Priester aus diesem Stamm hat Mose nichts gesagt. Das ist noch viel offenkundiger, wenn nach dem Vorbild Melchisedeks ein anderer Priester eingesetzt wird, der nicht, wie das Gesetz es fordert, aufgrund leiblicher Abstammung Priester geworden ist, sondern durch die Kraft unzerstörbaren Lebens. Denn es wird bezeugt: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“ (Hebr 7,14–17).

Der Hebräerbrief, der Jesus als zugleich königlichen (1,8) und priesterlichen Messias definieren möchte, hat mit dem priesterlichen Amt bei Jesus ein Begründungsproblem. Jesus ist kein levitischer, das heißt aaronidischer Priester. Die Bibel spricht aber an zwei Stellen von einem nichtlevitischen Priestertum. Der Hebräerbrief zitiert Ps 110,4, in dem Gott zum Messias sagt: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“. Nicht also nach der Ordnung Aarons, sondern nach der Ordnung Melchisedeks ist der neutestamentliche Messias ein Priester. Der Hebräerbrief erläutert das mit Bezugnahme auf Gen 14, wo jener Jerusalemer Priesterkönig Melchisedek Abraham mit Brot und Wein entgegenkommt, Abraham segnet und von diesem als Priester des höchsten Gottes mit dem Zehnten geehrt wird (Gen 14,17–20; Hebr 7,1–17). Dieses alttestamentliche Priestertum nach der Ordnung des Melchisedek steht zum levitischen Priestertum in einem Verhältnis von Ähnlichkeit und Differenz.

Eine Differenz unterstreicht der Hebräerbrief, wenn er in 7,16 sagt, Jesus sei „nicht aufgrund leiblicher Abstammung“ Priester geworden. Tatsächlich war das levitische Priestertum erblich wie das davidische Königtum und überhaupt die Zugehörigkeit zum Volk Israel. Nur Propheten mussten je und je neu erweckt werden. Dagegen ist das dem Alten Testament entstammende neutestamentliche Priestertum nicht erblich, wie ja auch die Mitgliedschaft in der Kirche nicht angeboren ist. Nach dem Hebräerbrief ist also das Priestertum Jesu nach der Ordnung Melchisedeks einerseits verschieden vom levitischen und doch entfaltet der Brief dieses Priestertum Jesu in massiver Analogie zu Aaron: „Keiner nimmt sich selbst diese Würde, sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron“ (Hebr 5,4).

Wie Aaron bringt auch Jesus an seinem Jom Kippur (Lev 16), dem Karfreitag, Gott ein Opfer dar, nicht mit dem Blut von Böcken, sondern seiner eigenen Lebenshingabe (Hebr 9,12), nicht im Allerheiligsten des Jerusalemer Tempels, sondern im himmlischen Heiligtum (Hebr 6,20; 9,1–28). So gelten das aaronidische Priestertum und der levitische Gottesdienst dem Hebräerbrief zwar als dem Priestertum Jesu nach- und untergeordnet und sind doch „Abbild und Schatten der himmlischen Dinge“ (Hebr 8,5) – aufgrund der Ähnlichkeiten und Analogien (Hebr 9,1–28; 13,11f.).

Es ist aber keineswegs nur der Hebräerbrief, der Jesu messianisches Amt mit dem aaronidischen Priestertum in Beziehung setzt, sondern auch das Evangelium nach Lukas. Mit den anderen Evangelisten zeichnet Lukas Jesus als königlichen Messias, als Davidsohn. Alle Evangelisten kennen auch Johannes den Täufer. Jeder zeichnet sein eigenes Bild von ihm. Lukas aber stellt ihn vor als Priestersohn aus dem Stamm Levi, dessen Vater Zacharias hieß wie der heldenhafte Priestermärtyrer in 2 Chr 24,20, den noch Jesus zitiert (Lk 11,51). Seine Mutter hieß Elisabeth wie Aarons Frau (Ex 6,23). Sie war selbst „aus dem Geschlecht Aarons“ (Lk 1,5). Priesterlicher geht es nicht. Diesen levitischen Täufer stellt uns Lukas als Cousin Jesu vor und verflicht die Geburtsgeschichten der beiden Knaben so eng miteinander, dass Jesus nicht nur aus dem königlichen Stamm Juda kommt, sondern seine Herkunft zugleich auch familiär mit dem Priesterstamm verwoben ist.

Es bleibt aber nicht bei diesen Ankündigungen in den Kindheitserzählungen. Das Lukasevangelium beginnt seine Erzählung im Jerusalemer Tempel mit dem Opfer des Zacharias aus der aaronidischen Priesterklasse Abia (Lk 1,5; 1Chr 24,10). Die letzte Szene im Evangelium spielt auf dem Ölberg, von dem aus Jesus in den Himmel auffährt. Im allerletzten Vers verlegt Lukas abrupt den Schauplatz vom Ölberg weg und schreibt: „Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück. Und sie waren immer im Tempel und priesen Gott“ (Lk 24,52–53). Es scheint Lukas sehr wichtig zu sein, in eben dem Jerusalemer Tempel zu enden, in dem er begonnen hatte. Auch sonst unterstreicht er mehr als die anderen Evangelisten, dass der Tempel der privilegierte Ort für die Offenbarung und Wirksamkeit des Messias sei. Kaum geboren wird der Säugling zu seinem ersten öffentlichen Auftritt in den Tempel gebracht und dort von den Repräsentanten Israels erwartet (Lk 2,22–40). Eben erst zwölf Jahre und damit gebotspflichtig geworden (bar mizwah) geht er mit den Eltern zur Osterwallfahrt hinauf und bleibt im Tempel als dem Ort, an den er gehört. Unmittelbar nach dem triumphalen Einzug in Jerusalem geht er sofort in den Tempel, in dem er von da an bleibt, weil er ihn als den Ort des Messias beansprucht (Lk 19,45; 20,1).

Die erste Szene im Lukasevangelium ist das Weihrauchopfer des Zacharias, bei dem ihm die Geburt des Täufers angekündigt wird. Da der Priester der frohen Botschaft nicht glaubt, wird er mit Stummheit geschlagen. Zacharias tritt nach Vollendung des Opfers aus dem Tempelgebäude heraus in den Vorhof, wo ihn die betende Volksmenge erwartete. Sie werfen sich nieder und warten. Aber da kommt nichts. Als sie aufblicken, sehen sie, wie der Priester ihnen mit Zeichen zu verstehen gibt, dass er stumm ist, dass er den erwarteten Segen nicht sprechen kann. Denn so hätte es weitergehen müssen: „Dann stieg er herab und erhob seine Hände über die ganze Versammlung der Söhne Israels, um den Segen des Herrn von seinen Lippen zu erteilen und sich in seinem Namen zu rühmen. Sie warfen sich zum zweiten Mal in Anbetung nieder, um den Segen vom Höchsten zu erlangen“ (Sir 50,20–21).

Zacharias muss den Gottesdienst unvollendet abbrechen. Im Anschluss daran erzählt Lukas das Leben Jesu bis zur Himmelfahrt. „Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie. Und es geschah, während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben. Sie aber fielen vor ihm nieder“ (Lk 24,50–52). „Jesus tut, was der Priester in 1,22 nicht mehr konnte: er segnet“ (Eduard Schweizer, Lukas, Das Neue Testament Deutsch, 251). Der abgebrochene Gottesdienst des aaronidischen Priesters wird von Jesus aufgenommen und vollendet. Seine gesegneten Jünger gehen in den Tempel und bleiben dort beständig zum täglichen Opfer, wie es auch die Apostelgeschichte ausführt (Apg 2,46; 3,1).

Jesus und seine Kirche haben Israels Priestertum und Gottesdienst nicht einfach aufgegeben, sondern knüpfen daran an und übernehmen sie in neuer Weise. Lukas gestaltet sein Evangelium im äußeren Rahmen eines Jerusalemer Tempelgottesdienstes, in den hinein er das Leben Jesu stellt. Oder anders ausgedrückt: So wie die Kirche das Pascha und das Pfingsten Israels aufnimmt, die alttestamentlichen Festgeheimnisse festhält, aber die Mysterien des Messias hinzufügt, so gibt Lukas der Kirche den Gottesdienst Israels weiter als den Gottesdienst der Kirche, in den das Geheimnis des Messias hineingefügt worden ist. Dabei übernimmt der Messias nicht nur das königliche und prophetische, sondern auch das priesterliche Amt, Aarons Amt, für die Kirche.

Das Alte Testament beginnt seine Erzählung mit der Menschheitsgeschichte (Gen 1–11), denn Gott ist der Gott aller Menschen. Nachdem diese aber der Gewalt und dem Verderben verfallen war, wählt er sich ein unfruchtbares Ehepaar aus, Abraham und Sara, um sich ein Gottesvolk zu schaffen, durch das er die ganze Menschheit gewinnen wollte. Solange Abrahams Familie kein Volk war, hatte sie auch keine Ämter. Sie beteten und opferten wie der Rest der Menschheit auch – freilich dem Gott Abrahams. In Ägypten wurden sie ein Volk. Und für dieses richtete Gott Ämter ein. Anfangs sind das Amt der Leitung, das prophetische Lehramt und das Priestertum in der Person des Mose vereint. In der Leitung wird ihm Josua folgen (Dtn 34,9), diesem die Richter, diesen Saul, David und die Könige. Von da an wird das königliche Amt erblich. Mose war auch der unvergleichliche Prophet (Dtn 34,10), und Gott versprach ihm: „Einen Propheten wie dich will ich ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehen lassen (Dtn 18,18) – und zwar immer wieder, denn dieses Amt ist nicht erblich.

Als erstes Amt aber wurde aus dem allumfassenden Amt des Mose das Priestertum ausgegliedert. Sein älterer Bruder Aaron wurde von Mose zum Hohepriester geweiht (Ex 28,1; Lev 8,2) und mit ihm seine Söhne zu „Priestern des zweiten Ranges“ (2Kön 23,4). Die dritte Stufe kam den Leviten zu. Sie assistieren Aaron und seinen Söhnen beim Gottesdienst (vgl. Num 18,2). Für den ganzen dem heiligen Dienst geweihten Stamm Levi gilt: „Damals sonderte der Herr den Stamm Levi aus, damit er die Lade des Bundes des Herrn trage, vor dem Herrn stehe, vor ihm Dienst tue und in seinem Namen den Segen spreche. (...) Deshalb erhielt Levi nicht wie seine Brüder Landanteil und Erbbesitz. Der Herr ist sein Erbbesitz“ (Dtn 10,8–9).

Der Priesterstamm trägt die Lade des Herrn. Seine Aufgabe ist es, Gott inmitten des Volkes präsent zu halten. Die Geweihten sind ausgesondert, um Israel vor Gott zu vertreten. Aaron trägt ausdrücklich eine Brustplatte mit den Namen der zwölf Stämme auf dem Herzen (Ex 28,29). Die Priester sind „Diener des Altars“ (Joel 1,13). Umgekehrt vertreten die Priester Gott vor dem Volk, wenn sie sich nach dem Opfer umdrehen, um den Segen zu sprechen, den Namen des Herrn auf sein Volk zu legen (Num 6,27). Die Aussonderung zu einem „Dienst, der ein Geschenk ist“ (Num 18,7), hat auch ihre herbe Seite: Der Priesterstamm hat nicht mit den andern Israeliten Landanteil. Gott ist sein Anteil, vom Altar und den heiligen Abgaben des Volkes wird er leben (Neh 10,40; 12,44). Zum Priestertum Israels gehören Absonderung, Verzicht auf Absicherung, Abhängigkeit von Gott und seinem Volk. Noch Paulus wendet das auf sein Apostelamt an: „Wisst ihr nicht, dass alle, die im Heiligtum Dienst tun, vom Heiligtum leben, und dass alle, die am Altar Dienst tun, vom Altar ihren Anteil erhalten? So hat auch der Herr denen, die das Evangelium verkünden, geboten, vom Evangelium zu leben“ (1Kor 9,13–14). Paulus will sein Amt als Verkünder des Evangeliums „wie ein Priester“ verwalten (Röm 15,16), ein aaronidischer, versteht sich, kein Priester des Zeus.

Mehrfach sprechen die Propheten davon, dass in einer unbestimmten Zukunft Angehörige der anderen Nationen Zutritt zum Gottesvolk Israel, seiner Gotteserkenntnis und Gottesverehrung haben sollen (Jes 2, Mi 4; Sach 8). Diese werden dann in den Gottesdienst Israels eintreten: „Sie werde ich zu meinem heiligen Berg bringen und sie erfreuen in meinem Haus des Gebets. Ihre Brandopfer und Schlachtopfer werden Gefallen auf meinem Altar finden, denn mein Haus wird ein Haus des Gebetes für alle Völker genannt werden“ (Jes 56,7; vgl. Mk 11,17).

Zum geweihten Amt in Israel gehört aber nicht nur der Gottesdienst, sondern auch Lehre und Unterweisung. In alter Zeit gehörten dazu auch Orakel, aber ganz generell gilt: „Die Lippen des Priesters bewahren die Erkenntnis, und aus seinem Mund erwartet man Belehrung; denn er ist der Bote des Herrn der Heere“ (Mal 2,7). Wie Mose alle sieben Jahre am Laubhüttenfest die Tora vorzulesen hatte (Dtn 31,10ff.), so tat es konkret der Priester Esra, wobei die Leviten den Leuten den Text erklärten (Neh 8). Im Zweiten Buch der Chronik sehen wir Leviten auf „Volksmission“ beim Verkünden und Erklären der Tora (17,8–9). Wenn Maleachi in 2,7 den Priester einen „Boten des Herrn der Heere“ nennt, beschreibt er den aaronidischen Priester als einen von Gott eingesetzten Mittler zwischen Gott und seinem Volk.

Jesus Christus und seine Stellvertreter

Im Neuen Testament vertraut Jesus, der gute Hirt, dem Petrus das Amt an, Christi Herde zu weiden (Joh 21,15–19). Die Schafe bleiben Christi Schafe. Er allein ist ihr Hirt. Aber Petrus wird Stellvertreter des Hirten, Stellvertreter Christi. Nach dem Hebräerbrief gibt es nur einen Priester, Christus. Dieser aber hat in den Aposteln und deren Nachfolgern „Stellvertreter“, die „an Christi statt“ (2Kor 5,20), in persona Christi sein Amt ausüben. Christus vereint im Neuen Testament die Ämter des Königs, Priesters und Propheten wieder alle in sich wie einst Mose. Seine Stellvertreter, die Priester der Kirche, sind nicht nur Priester, sondern auch königliche Hirten und prophetische Lehrer.

Neben anderen Ämtern und Funktionen wie „Apostel, Propheten, Lehrer“ (1Kor 12,28f.; vgl. Eph 4,11) bildete schon die neutestamentliche Kirche an manchen Orten die Ämter von Episkopen, Presbytern und Diakonen aus (Apg 28,20; Phil 1,1; 1Tim 3,1f.8ff.; 5,1ff.). Diese Ämterstruktur ist bei Ignatius von Antiochien im Jahre 110 voll ausgeprägt (Smyrn 8,1) und wird sich in der ganzen Kirche des Westens und Ostens durchsetzen. Hier nimmt auch die liturgische Gewandung unübersehbar die Formen von Aarons Priesterornat an, wie es in Exodus 28 beschrieben ist (Christoph Dohmen, Exodus, Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, 266).

Das Neue Testament nennt „Priester“ (hiereus) die aaronidischen Priester Israels und in einem analogen Sinn Christus selbst (Hebr). Einmal wird ein Priester des Zeus (Apg 14,13) erwähnt. Ansonsten wird das in Ex 19,6 (LXX) von Israel ausgesagte „Priestertum“ des ganzen Volkes im 1. Petrusbrief von der Kirche ausgesagt (2,5.9), in Offb 1,6; 5,10, 20,6 (nach Ex 19,6 Targum) von den Gläubigen. Von „Priestern“ (hiereis) wollte man ganz am Anfang in Bezug auf die Amtsträger der Kirche nicht sprechen, da das in der Umwelt des römischen Reiches heidnische Priester bezeichnete. Aber ab 200 nach Christus wird der christliche Bischof in Nordafrika als sacerdos bezeichnet und in der Folge dann auch der Presbyter als „Priester des zweiten Ranges“ (2Kön 23,4).

Dass das dreistufige Amt im Christentum mehr und mehr nach dem biblischen Priestertum Aarons ausgestaltet wurde, legte das Neue Testament im Lukasevangelium und im Hebräerbrief nahe. Da das Christentum bei aller Absetzung ja doch die Religion Israels für die Nichtjuden fortführen will (Monotheismus, Bibel, Kirchenjahr, Gottesdienst, Gebet), ist es nur folgerichtig, dass alle zweitausendjährigen Kirchen des Ostens und Westens das dreistufige Priesteramt Israels, das biblische Priestertum zum normativen Vorbild nahmen. Die Weihepräfationen sehen im Bischof den Hohepriester, in den Presbytern die Analogie zu den Söhnen Aarons und in den Diakonen das Pendant zu den Leviten der Bibel. Damit bekennt sich die Kirche zur Bibel als Norm und zu ihrer bleibenden Israelverwiesenheit.

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

Die Herder Korrespondenz im Abo

Die Herder Korrespondenz berichtet über aktuelle Themen aus Kirche, Theologie und Religion sowie ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. 

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen