Von breiten Teilen der Öffentlichkeit bisher fast unbemerkt, bahnt sich ein dramatischer gesellschaftlicher Einschnitt in der Erwachsenenbildung Sachsens und Ostdeutschlands an. Die katholischen Bistümer in den neuen Bundesländern müssen rund die Hälfte ihrer Budgets einsparen. Der Grund dafür ist das Ende des bundesweiten innerkatholischen Finanzausgleichs zwischen den wohlhabenderen Diözesen im Westen und den ärmeren im Osten. 2025 ist mit dieser Form des Umschichtens Schluss. Davon werden auch traditionsreiche katholische Bildungshäuser tiefgreifend betroffen sein. Die Grundsatzentscheidung dafür liegt bereits Jahre zurück. Warum sich die ostdeutschen Bischöfe nicht deutlicher dagegen aufgelehnt haben, ist mehr als unverständlich, denn der Diaspora-Katholizismus im Osten Deutschlands kann nur auf eine kleine Schar an Kirchensteuerzahlern zurückgreifen. Auf protestantischer Seite unterstützen die besser ausgestatteten Landeskirchen weiterhin die weniger betuchten im Osten.
Allein das Bistum Dresden-Meißen muss ab 2026 jährlich 17,5 Millionen Euro sparen. Neben diesen finanziellen Veränderungen sorgen bundesweit auch die hohen Austrittszahlen der letzten Jahre – etwa aufgrund der wenig überzeugenden Aufarbeitung der Missbrauchsskandale –, die Säkularisierung und der demographische Wandel für einen Mitgliederschwund der Kirche(n). Das reduziert die Spielräume für Solidarität unter den Bistümern.
Wie mit dem Rasenmäher geht nun das Bistum Dresden-Meißen in den kommenden Jahren über die Etats aller Arbeitsbereiche. So empfiehlt es ein kirchliches Strategiekonzept, das in den letzten zwei Jahren erarbeitet wurde. Das Bistum Görlitz, die kleinste Diözese Deutschlands, steht sogar vor der Existenzfrage und wird wohl fusionieren müssen.
Die Sparmaßnahmen werden auch den Bereich der Erwachsenen- und Jugendbildung betreffen. Im katholischen Bildungssektor sollen 69 Prozent der Mittel eingespart werden. Zwar heißt es in einer Mitteilung auf der Website der Katholischen Akademie Dresden-Meißen, dass das Bistum Einrichtungen wie das Bildungsgut Schmochtitz St. Benno, das Winfriedhaus Schmiedeberg, die Katholische Akademie selbst, die Katholische Erwachsenenbildung, die Bildungshäusern wie Wechselburg oder Hohen Eichen erhalten wolle. Zugleich erklärt Generalvikar Andreas Kutschke, dass der Sektor nur noch mit einer statt 2,5 Million Euro auskommen müsse. Er schloss ein „Nachsteuern“ ebenso wenig wie Schließungen aus.
Nun braucht man kein Mathematiker zu sein, um auf einen Blick sehen zu können, dass sich diese Arbeitsfelder mit einer Million Euro kaum auskömmlich finanzieren lassen. Es bleiben also nur wenige Optionen: Erstens: Man kürzt diese Häuser jeweils auf ein Existenzminimum zusammen. Zweitens: Die Einrichtungen werden fusioniert oder drittens: Eine Einrichtung bleibt übrig, der Rest wird geschlossen oder abgestoßen.
Für die sächsische Bildungslandschaft ist keine Perspektive positiv. Im Bereich der politischen, historischen, kulturellen und natürlich auch der religiösen Bildung hat sich das Bildungsgut Schmochtitz – früher St. Benno Haus genannt – unter der jahrelangen Leitung von Peter Paul Straube und zuletzt von Sebastian Kießlich einen sehr guten Ruf erarbeitet. In der an Bildungshäusern nicht gerade überreich bestückten pädagogischen Landschaft Sachsens besitzt es eine herausragende Bedeutung. Bereits die finanziellen Einbußen in der Corona-Zeit versetzten dem Bildungsgut einen schweren Schlag. Nicht minder bedeutsam als Motor gesellschaftlicher und politischer Debatten ist die Katholische Akademie, die Joachim Klose aufbaute, und die nun unter Thomas Arnold eine regelrechte Blüte erlebt. Sie unterhält neben dem Stammsitz im Dresdner Zentrum auch Foren in Zwickau, Leipzig, Freiberg, Chemnitz. Der kreative, ehrgeizige, sehr gut vernetzte Akademiedirektor ist als Bildungsmanager ein Ausnahmentalent. Er besitzt ein ausgeprägtes Gespür für Trends und Themen, für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing. Das „Sachsen-Sofa“ oder das „Café Hoffnung“ sind nur zwei der anregenden und beim Publikum beliebten Projekte, die er angestoßen hat. Er scheut auch schwierige Fragestellungen nicht – vom Rechtspopulismus bis zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Arnold denkt in größeren Linien und schaffte es so, seiner Akademie eine Bedeutung als politische Diskursplattform zu geben, die weit über ihrer eigentlichen budgetären, personellen und auch kirchenpolitischen Größe liegt. Die Arbeit seines Teams der letzten sieben Jahre steht nun kurz vor einer einschneidenden Zäsur.
Weder Schmochtitz noch die Akademie können mit einem Budget von einer Million Euro auch nur annähernd den bisherigen Anspruch ihrer Arbeit realisieren – von den anderen Institutionen ganz abgesehen. Würden sie geschrumpft, fusioniert oder abgewickelt, würde der Freistaat Sachsen, die sächsische Gesellschaft und der ostdeutsche Katholizismus zwei für die Pluralität der Bildungsangebote wegweisende Orte und Stimmen verlieren. Das wäre gerade in einem konservativen und gesellschaftlich polarisierten Bundesland wie Sachsen fatal: Die Gesellschaft braucht mehr denn je Dialog-Plattformen und Rückzugsräume für Reflektion, politische Auseinandersetzung und die Entwicklung zukunftsfester Lösungsansätze für drängende Fragen. Sie braucht Orte, wo Brücken gebaut werden zwischen gesellschaftlich konträren Gruppen.
Kirchliche Erwachsenbildung wiederum war und ist stets Schnittstellenarbeit zwischen Gesellschaft und Religion. Sparprozesse führen in allen Bereichen – ob in der Wirtschaft oder im Sozial- und Kultursektor - zur Fokussierung auf die inneren Kernbereiche, die bei den Kirchen aus Seelsorge, Verkündigung und Unterricht bestehen. Doch Kirche ohne ein Hineinragen in die Gesellschaft und die Beteiligung an deren Diskursen wird in einem pluralistischen Kontext dem Öffentlichkeitsauftrag des Evangeliums nicht gerecht.
Der sächsischen Gesellschaft wiederum ginge eine starke Stimme verloren, die für Religion, Ethik, für verantwortungsvollen, gesellschaftlichen Weitblick, für hohe Bildungsqualität und für Moderationsfähigkeit steht.
Die katholische Kirche selbst, die Gläubigen in Ost- und Westdeutschland, der Staat, die Gesellschaft, konkret: westdeutsche Stiftungen oder Sponsoren etwa aus dem Bereich katholischer und nachhaltig denkender Unternehmer sind nun gefordert, den drohenden Abgesang der katholischen Erwachsenen- und Jugendbildung in Sachsen zu verhindern. Denn: Was erstmal weg ist, kommt so schnell nicht zurück.