Drei Jahre nach Beginn der Initiative „Out In Church" Ein Haus für alle?

Mit „Out In Church" outeten sich vor drei Jahren viele Menschen in der katholischen Kirche als queer. Seitdem ist viel passiert – doch arbeitslos wird die Initiative noch längst nicht.

Regenbogen-Fahne
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Ein Paukenschlag war es, als sich am 24. Januar 2022 insgesamt 125 Mitarbeiter:innen der katholischen Kirche mit der Initiative „Out In Church“ als queer outeten. Die Initiative – inzwischen in einen eingetragenen Verein überführt – hat das zutiefst diskriminierende innerkirchliche Machtsystem, in dem queere Menschen keinen Platz fanden, öffentlich gemacht. Ein solches System der missbräuchlichen Machtausübung, des Verschweigens, der Doppelmoral und der Unaufrichtigkeit ist toxisch, es beschämt und macht queere Menschen krank.

Nun jährt sich der Start der Kampagne zu dritten Mal – ein Anlass, auf das zurückzuschauen, was inzwischen erreicht werden konnte und was (noch) nicht.

Das neue Arbeitsrecht – ein großer Erfolg

Von den insgesamt sieben Forderungen der Initiative – darunter auch eine Reform der kirchlichen Sexualmoral – hat die katholische Kirche bisher sechs weitestgehend nicht bearbeitet. Drei Jahre nach Kampagnenstart sind aber erste Etappenziele erreicht. Größter Erfolg der Kampagne war bisher die Neufassung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes, die alle 27 Diözesen in Kraft gesetzt haben (vgl. HK, Januar 2023, 22–24; 25–28). Das kirchliche Arbeitsrecht ist nun deutlich diskriminierungsfreier formuliert. „Out In Church“ ist es zudem gelungen, die Themen (Homo-)Sexualität und sexuelle Vielfalt im kirchlichen Kontext besprechbar zu machen, sie aus der „Schmuddelecke“ herauszuholen. Was für eine Befreiung! Noch nie waren beispielsweise Katholik*innentage so queer und bunt wie die in Stuttgart 2022 und Erfurt 2024.

Im November 2022 hat die Bundesregierung den Aktionsplan „Queer Leben“ verabschiedet. Bundesweit konnten sich zivilgesellschaftliche Gruppen um eine Teilnahme am Beratungsprozess bewerben, „Out In Church“ wurde dabei als einzige kirchliche Gruppe ausgewählt. Seit September 2024 ist der Beratungsprozess abgeschlossen. 14 Empfehlungen wurden den einzelnen Ressorts übergeben. Dass Religion und ihre Akteur:innen im Empfehlungspapier „Arbeitsumfeld“ auftauchen, ist ein Erfolg der Beratungen von „Out In Church“.

Die Initiative steht zudem in Kontakt mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und führte Hintergrundgespräche mit den queer- beziehungsweise religionspolitischen Sprecher:innen aller im Deutschen Bundestag vertretenen demokratischen Parteien. 2024 nahm „Out In Church“ an der Delegiertenversammlung der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Organisationen Deutschlands (AGKOD) teil und wurde in die AGKOD aufgenommen. Künftig ist es nun möglich, für einen Platz in der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholik:innen (ZdK) zu kandidieren. Somit ist „Out In Church“ mittlerweile zu einer festen Größe innerhalb der Reformgruppen der katholischen Kirche geworden.

Es bleiben offene Anfragen an Kirche und Gesellschaft

In den vergangenen Jahren hat sich die Arbeit von „Out In Church“ schwerpunktmäßig der siebten Forderung der Initiative gewidmet: „Für einen Neuanfang ist es unumgänglich, dass Kirchenleitende für die unzähligen Leiderfahrungen, die LGBTIQ+ Personen in der Kirche gemacht haben, die Verantwortung übernehmen und die Schuldgeschichte der Kirche aufarbeiten.

In Gesprächen zwischen kirchlichen Verantwortungsträgern und „Out In Church“ wird immer noch die Frage diskutiert, inwieweit überhaupt von Schuld zu sprechen sei – weil man, so die kirchliche Position, ja nach seinerzeit geltendem Recht gehandelt habe. Dieser Gesprächsprozess ist mühselig, kostet unendlich viel Zeit und Energie. „Out In Church“ wünschte sich, dass alle deutschen Bistümer dem Vorbild des Bistums Trier folgen und Mitarbeitenden, denen die kirchliche Lehrerlaubnis „missio canonica“ aufgrund ihres Queerseins entzogen wurde, wieder anbieten. Das Beispiel Trier zeigt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Dass die Initiative für ihr Wirken mehrfach ausgezeichnet wurde – unter anderem mit dem „Pride Award 2022“ vom Hamburger CSD-Verein, der in Österreich verliehenen „Trompete von Jericho“ 2023, dem „Rosa Courage Preis 2024“ und dem Sonderpreis 2024 der Münchener Prout At Work Stiftung – macht stolz, ist Ansporn und gibt neuen Rückenwind.

Dieser Ansporn ist nötig. Aktuell sieht „Out In Church“ die Gefahr, dass nach der Neufassung der kirchlichen Grundordnung und den jüngsten, teils sehr uneindeutigen Äußerungen von Papst Franziskus zur Segnung homosexueller Personen, der Eindruck entsteht, dass alles Wesentliche und eine Gleichberechtigung aller Menschen in der Kirche erreicht sei. „Out In Church“ hingegen hält an sämtlichen Forderungen fest. Eine angstfreie Kirche für alle Menschen ist erst dann Realität, wenn sich ein echter Kulturwandel durchsetzt und nachhaltig spürbar wird.

Die lange kirchliche Diskriminierungstradition ist so wirkmächtig, dass sie nicht nur in den Echokammern konservativer Kreise nachhallt, sondern auch gesellschaftlich neue Resonanzräume findet. Deswegen gehören systemische Ursachen der Diskriminierungen offengelegt, sie müssen aufgearbeitet und beseitigt werden. Wo es noch möglich ist, hat eine Wiedergutmachung zu erfolgen.

Auch braucht es eine Neuformulierung der klerikal-hierarchische Struktur der katholischen Kirche und des Wahrheitsanspruches des Lehramts. Diffamierende und unzeitgemäße Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität müssen auf Grundlage gesicherter theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse revidiert werden. Nur so lässt sich das Paradoxon auflösen, dass queere Beschäftigte einerseits nun den katholischen Arbeitgeber bereichern, sie andererseits aber „schwere Sünder“ bleiben, da sie gegen die Regeln des Katechismus verstoßen.

In Bezug auf die Politik blickt „Out In Church“ mit Sorge auf die möglichen Ergebnisse der Bundestagswahl 2025. Eine derzeit erwartbare unionsgeführte Koalition dürfte die Platzierung queerer Themen deutlich erschweren. Auch steht zu befürchten, dass das gerade erst verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz wieder zurückgenommen wird. Große Sorge bereitet zudem der Plan der AfD, erneut einen Antrag im Bundestag zur Abschaffung der „Ehe für alle“ einzubringen.

Es braucht eine neue kirchliche „Hausordnung“

Gerne verwendet Papst Franziskus das Bild eines „Feldlazaretts“, welches die Kirche sein soll und dessen Aufgabe es ist, „Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen“. Ein Kirchenbild, das durchaus Anklang finden kann – jedoch sieht die Realität ganz aus. Denn immer noch ist die Kirche für queere Menschen kein heilsamer Ort. Im kirchlichen „Feldlazarett“ und angeblich „offenen Haus für alle“ gelten bestimmte Regeln, so Papst Franziskus: Zu diesen Regeln gehört, dass das, was außerhalb des Hauses selbstverständlich als Diskriminierung erkannt und benannt wird, in der Kirche auf keinen Fall so heißen darf. Hier nennt man es die vom Geist geleitete lehramtliche Auslegung von Schrift und Tradition. Es gilt die Regel, dass die Menschen in diesem Haus zwar die gleiche Würde haben, dass sie daraus jedoch nicht die gleichen Rechte für sich ableiten können. In diesem Haus definiert das kirchliche Lehramt, dass es nicht mehr als zwei Geschlechter gibt und legt fest, wer eine Frau und wer ein Mann ist. Die Regeln in diesem Haus legen zudem fest, welches sexuelle Begehren dem Plan des Schöpfers entspricht und dass alles, was davon abweicht, schwere Sünde ist. Diese Regeln führten dazu, dass unzählige queere Menschen schon in jungen Jahren ganz subtil eine Ahnung davon vermittelt bekamen, dass mit ihnen „etwas nicht stimmt“. Sie „wussten“, dass sie gegen Regeln verstoßen, ohne diese überhaupt richtig zu kennen oder gar zu verstehen. Von einem heilsamen kirchlichen Wirken kann also keine Rede sein. Unzählige Biografien queerer Personen wurden beeinträchtigt, beschädigt und zerstört.

Zum Auftakt des Synodalen Weges erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, die Kirche habe LGBTIQ+-Personen „zutiefst verletzt". Er stellte die Idee eines Schuldbekenntnisses der Kirche in den Raum. Auch wenn noch unklar ist, wie seine begrüßenswerte Haltung mit den homophoben katholischen Reflexen in Einklang gebracht werden kann, muss ein solches Schuldbekenntnis formuliert werden. „Out In Church“ wird also auch perspektivisch nicht arbeitslos. Mit Nachdruck setzt sich der Verein für eine neue Hausordnung ein, damit die Kirche irgendwann ein Haus wird, dass offen ist – wirklich für alle Menschen.

 
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