Viel wichtiger als die Theologen seien die Journalisten. Beide, so die Überzeugung von David Seeber, waren zentrale Träger der Dynamik des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die einen als Ideengeber, Zuarbeiter, Formulierer, die anderen als Vermittler in die mediale Öffentlichkeit hinein. Am Anfang allerdings war das Verhältnis des Konzils zu den Journalisten „trotz gegenseitiger gespannter Aufmerksamkeit wegen durchwegs überflüssiger Beschränkungen verkrampft“, schrieb Seeber in unserem Themenheft „Das unerledigte Konzil“ (vgl. HK Spezial, Nr. 1/2005, 2–6). Mit Papst Paul VI. habe sich die Lage freilich entspannt: „Journalisten hatten – schwieriges Geschäft – Kirchensprache in Medienvolkssprache, kirchliches Denken in profanes, sagen wir besser Aufnahmevermögen zu übersetzen“. Das galt in den Sechzigerjahren – und das gilt bis heute.
Der gebürtige Südtiroler David Seeber war damals mittendrin, immer wieder während der Sitzungswochen in Rom, aber auch nördlich der Alpen in Freiburg am Sitz der "Herder Korrespondenz", um das Gehörte und Erlebte zu reflektieren und aufzubereiten. Seeber hatte hier sein Lebensthema gefunden. Als Konzilsberichterstatter hatte er maßgeblichen Anteil an der Vermittlung des Zweiten Vatikanums in die kirchliche wie die weitere Öffentlichkeit im deutschen Sprachraum hinein. Damals, so Seeber noch in einem Text zu unserem 75. Jahrgang, gingen die "Herder Korrespondenz" und das Zweite Vatikanum eine Art „besonderer Symbiose“ ein. Es sei schon ein „Alleinstellungsmerkmal“ gewesen, die Textentwürfe und Abschlussdokumente so intensiv auszuwerten (vgl. HK, April 2021, 51).
Seeber hat viel beachtete Bücher über das Konzil und auch Paul VI. vorgelegt und vor allem mit unserer Monatszeitschrift die Rezeption und die Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils, einschließlich der intensiven Diskussionen und Konflikte, maßgeblich begleitet. Damit war Seeber einer der ganz Großen der katholischen Publizistik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert. Seeber, der 1934 geboren wurde, hat von 1961 an für die "Herder Korrespondenz" gearbeitet. Von 1966 bis 1991 war er als Chefredakteur tätig, bevor Ulrich Ruh sein Nachfolger wurde.
Seeber hatte Philosophie, Theologie, Soziologie und Geschichte in Innsbruck und Köln studiert und wurde zum Dr. phil. promoviert. Mit der Breite dieser Ausrichtung stand er für eine intensive Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Politik in Deutschland aus einer kirchlichen beziehungsweisen christlichen Perspektive heraus, wie sie das Konzil nicht zuletzt mit der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ angeregt hat. Nicht umsonst trägt die "Herder Korrespondenz" bis heute den Untertitel „Monatsheft für Gesellschaft und Religion“. Der „Fehleinschätzung von Gesellschaft und Staat kann nur durch die Herausbildung einer kirchlichen Gesellschaftspolitik entgegengewirkt werden, die rechtzeitig und gezielt Veränderungen im gesellschaftlichen Raum wahrnimmt (…) und die weitgehende Abhängigkeit von politischen Entscheidungsprozessen in Parlamenten und Parteien von den faktischen Überzeugungen und Interessenlagen in den formellen wie informellen gesellschaftlichen Gruppierungen ernst nimmt“, schrieb er im von ihm mitherausgegebenen Handwörterbuch gesellschaftlicher Gegenwartsfragen (Freiburg 1986). An Aktualität hat auch diese Einschätzung nichts verloren.
Artikel wurden erst seit seiner Zeit als Chefredakteur namentlich gezeichnet, mehr Meinungsbeiträge und ausführliche Interviews als Markenzeichen sind durch ihn dazugekommen. Seeber war über seine Texte in der "Herder Korrespondenz" hinaus ein national und international gefragter Publizist und Vortragsredner. Nach seiner Zeit als Chefredakteur arbeitete Seeber noch bis 1996 als Grundsatzreferent im Staatsministerium des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart für Ministerpräsident Erwin Teufel. Zuletzt lebte er in Freiburg.
Um skeptische Rückfragen an Ereignisse und Vorgänge war Seeber, der am 15. Januar 2023 gestorben ist, nie verlegen, war er doch vom Geist der Zuversicht der Konzilszeit geprägt. Die „Kompromisstexte“ des Zweiten Vatikanums enthielten allerdings seiner Meinung nach bei aller innovativen Kraft doch viel „Übergang“. Je länger, je mehr erschien ihm das Konzil als Ereignis an sich der wichtigere Teil des Geschehens gewesen zu sein. Das ist ein wichtiger Teil des sehr reichen Vermächtnisses für uns als Nachgeborene. Die HK-Redaktion wird es in Ehren halten.