Vodou ist Identität. „Haiti ist zu 90 Prozent katholisch und zu 100 Prozent Vodou“, pflegten die frisch eingereisten Missionare von ihren schon im Lande tätigen Mitbrüdern zu hören. Dass Haiti „zu 90 Prozent katholisch“ war, ist Vergangenheit, und dass alle Haitianer Vodouisten seien, ist überzogen. Mancher „westlich“ gebildete Haitianer empört sich über eine solche „Beleidigung unseres Volkes“. Richtig ist, dass die haitianische Kultur ganz und gar vom Vodou durchdrungen ist.
Dass der Vodou so tief verwurzelt ist, liegt auch daran, dass er eben keine beziehungsweise nicht nur eine Konkurrenz zum Katholizismus ist, sondern mit diesem sehr wohl einhergeht. So bedient sich der Vodou des Heiligenkultes: In der Gestalt eines Heiligen (genauer: unter diesem Mantel) lassen sich die diesem zugeordneten, aus Afrika überkommenen Kräfte verehren. Umgekehrt floss Vodou in die katholische Volksfrömmigkeit ein. In manchen vertraut-katholisch erscheinenden Riten steckt (auch) Vodou. Auch deshalb wirkt der haitianische Katholizismus stark rituell ausgerichtet.
(Stand: September 2010)