Kopftuch

Das Kopftuch als Kleidungsstück für Frauen steht im Zentrum der gesellschaftlichen und juristischen Debatte: Soll Musliminnen das Tragen eines Kopftuchs oder Schleiers aus religiösen Gründen in staatlichen Einrichtungen erlaubt sein? Vor allem in Deutschland und Frankreich gab es Diskussionen, als muslimischen Lehrerinnen das Kopftuch in staatlichen Schulen untersagt wurde.

Das Kopftuch im Islam

Wenn eine muslimische Frau ein Kopftuch trägt, gilt das als öffentliches Zeichen ihrer religiösen Überzeugung. Doch aus islamwissenschaftlicher Sicht ist höchst umstritten, ob es überhaupt ein Gebot für Frauen im Islam gibt, das Ihnen die Kopfbedeckung oder Verhüllung empfiehlt oder gar aufoktroyiert. Zwar ist in einigen Suren des Koran und in den Hadithen von einem unspezifischen Kleidungsstück zu lesen, mit dem die Muslima Kopf und Schultern bedecken solle, um vor Belästigung geschützt zu sein und als gläubige Frau zu gelten. Doch gibt es im Islam keine einheitliche und eindeutige Auslegung dieser Stellen.

Bei der Frage, ob es sich tatsächlich um ein religiöses Gebot und nicht vielmehr eine Empfehlung handelt, spielen auch kulturelle, regionale und moralische Traditionen der islamischen Gesellschaften eine große Rolle. Dies zeigt sich auch in der unterschiedlichen Handhabung des Kopftuchs in vorwiegend islamischen Ländern, die von einer rigiden Verhüllungspflicht wie in Saudi-Arabien bis zu einer eher laxen und modischen Trends folgenden Praxis in säkularen Staaten wie der Türkei reichen. Doch auch in der Türkei gibt es einen Kulturkampf um das Kopftuch.

Der Kopftuchstreit

In den Auseinandersetzungen um ein Kopftuchverbot in öffentlichen staatlichen Einrichtungen wie Schulen und Universitäten prallen zwei Verfassungsprinzipien aufeinander: das Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und die absolute Neutralität des Staates in Religionsdingen.

Einige Bundesländer wie Bayern und Nordrhein-Westfahlen erließen ein Kopftuchverbot mit dem Argument, dass durch dessen Tragen nicht nur religiöse, sondern auch politische Botschaften gesendet werden. Dies unterscheide es etwa von Nonnen, die ihr Habit im Schulunterricht tragen.

Doch 2015 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass solche pauschalen Verbote grundsätzlich nicht verfassungskonform sind und einer besonderen und konkret begründeten Gefahr für die Verletzung politischer Neutralität zum Beispiel an Schulen bedürfen.

Im internationalen Vergleich zeigt in nicht-muslimischen Ländern eine große Bandbreite in der Kopftuchfrage. Während streng laizistische Länder wie Frankreich jegliche religiöse Symbole in Schulen und Universitäten verbieten, haben die meisten Länder – so auch Österreich und die Schweiz – keine expliziten Kopftuchverbote.

Feministischer Diskurs

Geplante Kopftuchverbote haben zuletzt auch feministische Debatten entfacht. Doch auch hier bildeten sich unterschiedliche Lager: Während die einen das Kopftuch als Symbol der patriarchalen Unterdrückung der Frau in der islamischen Kultur lesen, werfen ihnen andere eine einseitige westliche Sicht auf andere Kulturen vor. Sie stellen das Kopftuch demgegenüber als Symbol emanzipatorischer Selbstbestimmung dar und betonen seine Schutzfunktion.

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