Literatur (lateinisch = Schrifttum) meint hier »schriftliche Kunstwerke«, die »Dichtkunst«, die sich in unterschiedlichsten Formen und Gattungen äußert. Sie stand schon in der Antike in engem Zusammenhang mit der Religion, aus der sie Stoffe und Sprache nahm. Diese Verbindung war im Christentum kirchlich orientiert und dauerte so im christlichen Bereich bis in das ausgehende 18. Jh. an.
Mit Aufklärung und Säkularisierung setzte die Emanzipation des dichterischen Genies von normativer Fremdbestimmung, sein Beharren auf der Darstellung authentischer Ich-Erfahrungen und zugleich sein Engagement in Religions- und Kirchenkritik ein. »Tendenzen« dieser Art konnten sich durchaus mit Kritik an Fortschrittsglauben, an Rationalität und emotionalen Defiziten verbinden. Eher als bei Kirchenleitern und Theologen wurden bei Schriftstellern und Dichtern Gedanken, Stimmungen und Sehnsüchte einer jeweils bestimmten Zeit verarbeitet und Krisenerscheinungen »verbalisiert«. Seit der Romantik kamen dann Bemühungen bei Frauen und Männern um eine »christliche Literatur« auf, im 19. Jh. erstmals auch um eine spezifisch »kath. Literatur«, nachdem im Zusammenhang mit den Vorwürfen kultureller Inferiorität und patriotischer Unzuverlässigkeit der Katholiken der Protestantismus mit kirchenfeindlichem Liberalismus gleichgesetzt wurde. Der Rückgriff mancher Schriftsteller und Dichter auf religiöse Traditionen (Mystik, Mythen) und Symbole, die Bearbeitung kirchlicher Stoffe in polemischer Absicht und bewußte, mit den kirchlichen Moralvorstellungen nicht vereinbare Provokationen führten zu heftigen kirchlichen und theologischen Abwehrreaktionen gegen die »moderne Literatur« (auf kath. Seite wurden Gesamtwerke von Schriftstellern auf den Index verbotener Bücher gesetzt; Prozesse angestrengt und Zensurmaßnahmen gefordert). Auch die Darstellungen von Glaubens- und Konfessionsproblemen, die Nähe mancher Beschreibungen zu »existentialistischen« Lebensgefühlen der Gefährdung, des Nichterlöstseins, der tödlichen Vergänglichkeit, des Ausgesetzt- und Zerstörtseins bei christlichen Autorinnen und Autoren erregten Argwohn und Widerspruch amtlicher kirchlicher Kreise. So war bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. das Verhältnis von Literatur, Kirche und Theologie weithin durch feindselige Distanz gekennzeichnet. Einzelne Theologen machten auf die Bedeutung von Literatur und Dichtung für die Wahrnehmung der Wirklichkeit in ihrer Vielschichtigkeit und für neue sprachliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vermittlung religiöser und theologischer Inhalte aufmerksam (P. Tillich †1965, R. Guardini † 1968, H. U. von Balthasar † 1988).
In der zweiten Hälfte des 20. Jh. setzte sich die Überzeugung durch, daß Literatur und Theologie zwei unterschiedliche, selbständige Weisen der Wirklichkeitswahrnehmung und -formulierung sind und daß der Prozeß der Trennung notwendig war. Die gelegentlichen früheren Versuche, Literatur für christliche Apologetik oder kirchliche Zwecke indiskret zu »vereinnahmen«, gelten als verfehlt. Die (interkonfessionelle) Suche nach Spuren des christlichen Erbes bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern der Gegenwart ist legitim und erbringt auch im Hinblick auf deren Auswahlkriterien bedeutende Erkenntnisse. Offenheit für das Geheimnis und den letzten Grund menschlicher Existenz, Unverständnis oder provokatives Verhalten gegenüber religiösen Mentalitäten und Praktiken, Verhüllung eigener religiöser Interessen und Motive in literarischen Werken stellen der Theologie immer neue Aufgaben und verlangen intensive Beschäftigung mit Literatur.